Demonstrierende.
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Klinikangestellte aus Coburg demonstrieren für ein kommunal betriebenes Krankenhaus.

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Klinikkonzern Sana möchte fränkische Krankenhäuser kaufen

Der Klinikkonzern Sana plant die Übernahme der Krankenhäuser Lichtenfels und Coburg. Die Insolvenz des Klinikkonzerns Regiomed ermöglicht das. Doch in Coburg sieht man einen Verkauf kritisch. Beschäftigte des Klinikums protestieren dagegen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Der Coburger Stadtrat und Kreistag befassen sich am Donnerstag mit dem Angebot der Sana Kliniken AG, das Klinikum Coburg zu übernehmen. Während auf den ersten Blick vieles für die Übernahme spricht, wollen viele Stadt- und Kreisräte ihr Krankenhaus weiterhin kommunal betreiben. Vor der gemeinsamen Stadtrats- und Kreistagssitzung haben zudem rund 50 Mitarbeiter des Klinikums Coburg für ein kommunal betriebenes Krankenhaus demonstriert.

In Lichtenfels wäre man hingegen mit einer Sana-Übernahme wohl einverstanden, doch Sana ist nur an einer Gesamtlösung interessiert.

Dem Insolvenzverwalter sind die Hände gebunden

Eigentlich könnte der Insolvenzverwalter der Gläubigerversammlung vorschlagen, das am besten bewertete Angebot der Sana Kliniken AG anzunehmen. Allerdings gehört das Krankenhausgebäude in Coburg einem Zweckverband aus Stadt- und Landkreis Coburg. Nur mit Zustimmung der kommunalen Gremien wäre ein Verkauf an Sana möglich. Das Zünglein an der Waage sind die Stadt- und Landkreispolitiker, die am Donnerstag in einer nicht öffentlichen Sitzung entscheiden. Der Generalbevollmächtigte von Regiomed, Rainer Eckert, spricht von einem "sehr attraktiven Angebot" der Sana-Kliniken AG und würde sich eine zügige Entscheidung auch für die Mitarbeitenden wünschen.

Sana-Angebot für viele Lokalpolitiker ein "Sechser im Lotto"

Der Chef der Sana-Kliniken Thomas Lemke spricht im BR24 Interview offen über das Angebot, das der Konzern auf den Tisch gelegt hat. Sana würde demnach die Kliniken Lichtenfels, Coburg und Neustadt bei Coburg, sowie die Verwaltung, die sogenannte Regiomed-Holding kaufen. Zudem, so Lemke, würde Sana die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und die Medical School in Coburg übernehmen. Gerade die Medical School, die Medizinstudenten ausbildet, sieht Lemke als großartiges Projekt: "Die Medical School würden wir für unseren gesamten Konzern nutzen."

Zudem würden alle Arbeitsverträge der Mitarbeitenden zu den aktuellen Konditionen übernommen. "Wir zahlen nach TVöD und führen auch die Zusatzversorgung fort." Das Angebot von Sana bezeichnen viele Kommunalpolitiker nach BR24 Informationen als "Sechser im Lotto", während andere davon sprechen, die Gesundheitsversorgung durch einen Verkauf komplett aus der Hand zu geben.

Kommunale Fortführung risikoreich

Die Komplexität des Gesundheits- und Krankenhaussystems werde in den kommenden Jahren zunehmen, sagt der Sana Vorstandsvorsitzende, Thomas Lemke, im BR24-Interview. Seiner Meinung nach werde eine Kommune in Zukunft ein einzelnes Krankenhaus nicht mehr wirtschaftlich und qualitativ hochwertig betreiben können. Ähnlich sieht das auch der Klinikexperte Professor Boris Augurzky. Er ist Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit am RWI Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung und empfiehlt den Beteiligten eine "wohlwollende Prüfung" des Sana-Angebotes. In seinen Augen sind Kliniken nur in Verbundlösungen stark, die Herausforderungen zum Beispiel gerade in den Bereichen IT, Personalgewinnung und Einkauf werden zunehmen. Für einen kleinen Krankenhausbetrieb sei das nicht einfach zu bewältigen, so der Experte.

Die Kommune muss sich Krankenhaus leisten können

Grundsätzlich kann sich der Gesundheitsexperte Boris Augurzky auch ein Klinikum in Coburg unter kommunaler Trägerschaft vorstellen. Allerdings nur dann, wenn der kommunale Träger der Klinikgeschäftsführung freie Hand lässt, ansonsten würden Defizite bleiben: "Wenn das Geld eh schon knapp ist, wird es schwer." Fakt sei, ein neuer privater Betreiber werde Veränderungen durchführen müssen, aber auch die neue Geschäftsführung eines kommunalen Krankenhauses sei genauso gezwungen, die Klinik auf gesunde Füße zu stellen. "Kommunen sind oft befangen, Kommunalpolitiker kennen Ärzte und Personal." Da werde oft zu Gunsten von bestehenden Strukturen und nicht wirtschaftlich und unter dem Aspekt der medizinischen Qualität entschieden. Das könnten private Betreiber besser als in einer kommunalen Struktur mit vielen politischen Meinungen und Einflüssen, sagt Augurzky.

Positive Zusammenarbeit mit Sana in Hof

In Hof hatte Sana bereits im Jahr 2005 das erste Krankenhaus in Oberfranken übernommen. Das damals noch kommunal geführte Krankenhaus ist seit fast 20 Jahren in den Händen der Sana AG. Die Zusammenarbeit funktioniere gut, heißt es aus dem Hofer Rathaus. Oberbürgermeisterin Eva Döhla (SPD) spricht auf BR24-Anfrage von großen Einschnitten im Jahr 2005: "Die bereits erfolgten wie auch für die Zukunft beabsichtigte Investitionen zeigen, dass die Entscheidung damals richtig gewesen ist." Die Stadt Hof könnte sich dies als Betreiberin nicht leisten, so Döhla.

Betriebsrat spricht sich für kommunale Trägerschaft aus

Die Mitarbeitenden in Coburg wollen eine schnelle und gute Lösung, betont der Regiomed-Betriebsratsvorsitzende Martin Lücke. Man beschäftige sich sehr intensiv mit dem Angebot von Sana: "Wir sind Willens und in der Lage und würden auch mit Sana zurechtkommen." Dennoch spricht sich der Betriebsrat für eine kommunale Trägerschaft aus. Die später erwirtschafteten Gewinne würden in der Region bleiben und nicht in einen gewinnorientierten Großkonzern fließen, sagt Lücke. Fakt sei, dass sowohl Sana, als auch ein kommunaler Träger auf Dauer Gewinne erzielen müssten. Dies sei allerdings nur möglich, wenn die Geschäftsführung und der Betriebsrat mehr Handlungsspielraum bekämen. Die Kommunen müssten mehr in den Hintergrund treten. Die kommunale Trägerschaft müsste, anders als zu Regiomed-Zeiten, ihr Verhalten dringend verbessern, sagt Lücke.

Demonstranten Protestieren vor einem Gebäude mit Fahnen und Spruchbändern.
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In Coburg haben Beschäftigte des Klinikums gegen den Verkauf des Krankenhauses an die Sana AG protestiert.

Transparenzhinweis: Der Beitrag wurde ursprünglich am Mittwoch (16.05.2024) veröffentlicht. Am Donnerstagmittag ist der Text um die Demonstration von Klinikmitarbeitenden ergänzt worden.

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