Bundestrainer Julian Nagelsmann
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Fußball-EM 2024: Julian Nagelsmanns DFB-Kader im Check

Bundestrainer Julian Nagelsmann setzt auf das bewährte Personal dieses Jahres bei der Fußball-EM 2024 in Deutschland - Form schlägt Namen. Die Stärken und Schwächen des DFB-Kaders für die UEFA EURO 2024 im BR24Sport-Check.

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Die eine große Überraschung aus bayerischer Sicht - etwa die Berufung von Leon Goretzka oder des verletzten Serge Gnabry - blieb aus. So setzt Bundestrainer Julian Nagelsmann in seinem Kader für die Fußball-EM 2024 weitgehend auf bewährtes Personal.

Nagelsmann stellt EM-Kader vor

Dazu gehört unter anderem Leroy Sané, der sich zwar mit Schambein-Problemen durch die Saison plagte, aber trotzdem in der Champions League zuletzt zur Höchstform auflief. "Er hat eine Qualität, auf die ich nicht verzichten wollte", sagte Nagelsmann bei der DFB-Pressekonferenz. Sanés Berücksichtigung war wie die anderer Spieler bereits im Vorfeld in einer Nominierungsaktion bekannt gegeben worden.

Bundestrainer Nagelsmann hat auch durch ihn nun ein durchaus beachtenswertes Aufgebot für die Fußball-EM 2024 beisammen, in einer guten Altersstruktur.

DFB-Präsident: "Zuversicht, dass wir gut abschneiden können"

Sané fehlte noch bei den beiden vergangenen Auftritten der Nationalelf, nach denen Nagelsmann auch klar sagte: "Außer Frage steht: Falls alle gesund bleiben und so weiter performen, werden wir auf jeden Fall nicht zehn Spieler tauschen im Sommer. Eigentlich auch nicht fünf, vielleicht ein, zwei – plus Verletzte."

Das DFB-Team hat sich mit seinen Siegen gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) stabilisiert - und damit auch durchaus zurück in den Favoritenkreis geschossen. Dazu kommen nun die unbestrittenen kreativen Qualitäten der Rückkehrer sowie ja auch noch der nicht zu unterschätzende Heimvorteil für die Spieler Nagelsmanns.

"Diese beiden Spiele haben vielen Menschen Zuversicht gegeben, dass wir gut abschneiden können. Man spürt, dass die Vorfreude gestiegen ist", sagt DFB-Präsident Bernd Neuendorf: "Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg."

Wer hätte mit diesen forschen Tönen gerechnet nach der maladen Zeit unter Hansi Flick und den Pleiten unter seinem Nachfolger Julian Nagelsmann als Bundestrainer gegen Türkei und Österreich im November 2023?

Manuel Neuer ist zurück - und führt die Achse an

Vermutlich die wenigsten. Der Grund fürs neue deutsche Hoch ist: Die Länderspiele im März stellen eine erhebliche Zäsur in der Trainerkarriere von Julian Nagelsmann dar. War der gebürtige Landsberger zuvor bei seinen Vereinsstationen und auch im Nationalteam noch immer darauf bedacht, die interne Stimmung hochzuhalten und lieber keinen Spieler zu sehr zu destabilisieren, mistete er seinen Kader im Frühjahr 2024 komplett aus - und stellte fortan alleine nach Leistung und nicht nach bisherigen Meriten auf. Ein Wendepunkt, der dem 36-Jährigen viel Zuspruch im Land des dreimaligen Fußball-Europameisters gebracht hat.

Ansonsten fällt eine weitere Besonderheit auf, die sich Nagelsmann bei der letzten DFB-Zusammenkunft vor der unmittelbaren EM-Vorbereitung außerdem konkret vornahm: Sein Team zeichnet seither ein stabiles Korsett, eine Achse aus.

Eine der Stützen heißt nun: Manuel Neuer, den Nagelsmann in München kennen und schätzen gelernt hat, im Tor. Und nicht Marc-André ter Stegen, der in Barcelona einer der stärksten Torhüter Europas ist, aber bei der Nationalmannschaft immer wieder unglücklich agierte.

Rüdiger, Kroos, Gündogan - und Kimmich als Rechtsverteidiger

Davor ordnen die Real-Madrid-Profis Antonio Rüdiger und Toni Kroos das Spiel, hinter dem früheren Nürnberger und Kapitän Ilkay Gündogan im zentralen offensiven Mittelfeld. Hinzu kommt Thomas Müller als Spaßmacher und Joker von der Bank.

Leidtragender der neuen Achse in der Mittelfeld-Zentrale ist Joshua Kimmich, der seinen Platz Kroos überlassen muss. Dessen zentrale Rolle in der DFB-Elf ist wie schon beim FC Bayern München obsolet geworden.

Kimmich ist wie bis ins Jahr 2020 hinein wieder Rechtsverteidiger, und dabei immer noch einer der besten der Welt - und einer, der sich trotzdem markant am Spielaufbau beteiligt. Sein Markenzeichen im Angriff: gefährliche Halbfeldflanken.

Mit Havertz, Füllkrug, Undav unberechenbar im Sturm

Spannend wird die Frage werden, wer sich dieser Flanken annimmt: Vermutlich beantwortet das Nagelsmann gegnerabhängig. Kai Havertz glänzt vor allem als mitspielender Angreifer, Niclas Füllkrug und Deniz Undav sind dagegen die torhungrigen Vollstrecker.

"Worker" garantieren Freiheiten für die Kreativen im Angriff

Um die Zentrumsstürmer und um Gündogan herum gibt es im Angriff nun eine Vielzahl an Freigeistern des Prädikats europäische Höchstklasse wie Sané, Thomas Müller, Chris Führich, Jamal Musiala und Florian Wirtz.

Wobei ausgerechnet die jüngsten und letzteren beiden die Nase vorne haben dürften, ihre Unbekümmertheit gepaart mit ihrer Kreativität zählt zu Europas höchster Qualitätsklasse. Das hat man gerade in der abgelaufenen Saison gesehen, als Wirtz die gesamte Bundesliga und Musiala die Gegner in der Champions League narrte.

Ihre Freiheiten garantiert ihnen ein "Worker", wie Nagelsmann sagt, oder wahlweise auch eine "Holding Six", wie es Thomas Tuchel beim FC Bayern München nannte: ein streng defensiver Mittelfeldspieler.

Andrich und Groß - Nagelsmanns "Worker"

Bis zum März war dieser Spieler nicht in der deutschen Nationalmannschaft vorgesehen, stattdessen bauten Flick und Nagelsmann alleine auf eine Vielzahl Kreativer in der Zentrale, die sich fürs Verteidigen am Ende doch zu schade waren. Diese Position zu installieren war eine fundamentale Abkehr - sie könnte bei der EM im Stile eines früheren Abräumers wie Torsten Frings der Schlüssel zum Erfolg werden fürs DFB-Team.

Im Nagelsmanns Mannschaft heißen die "Worker" nun Robert Andrich oder Pascal Groß, sie sind sich für nichts zu schade.

Bayern-Block und BVB-Block? Bayern-Block und VfB-Block!

Doch nicht nur deshalb hat sich das Gesicht des DFB-Teams zuletzt fundamental geändert. Alleine anhand der aufgezählten Namen merkt man: Der Fokus liegt zwar weiter auf dem Bayern-Block, keine andere Mannschaft stellt sechs Spieler. Doch neben diesem taucht plötzlich ein Stuttgarter VfB-Block mit fünf Kickern im EM-Kader auf - und der übliche Dortmunder BVB-Block verringert sich auf: Niclas Füllkrug und Nico Schlotterbeck.

Das hat mit dem wieder eingeführten Leistungsprinzip und dem zuletzt errungenen Selbstvertrauen über Wochen und Monate zu tun: Die Stuttgarter von Trainer Sebastian Hoeneß spielten sich sensationell in die Champions League.

Im Vergleich mit den Dortmundern, die in der Bundesliga schwächelten, es aber auch bis ins Champions-League-Finale schafften und sich damit auch für die hoch dotierte Klub-WM 2025 qualifizieren konnten, fehlt ihnen jedoch die internationale Reife. Zu wenig höchstklassige Duelle haben Undav oder Führich bislang in ihrer Vita. Da bedarf es bei der Fußball-EM der Führung von Nagelsmanns Achse.

Mögliche Schwachstellen der DFB-Elf

Eine weitere Schwachstelle zeigt sich - wie seit dem Karriereende des EM-Turnierdirektors Philipp Lahm fast schon zur Normalität geworden - auf den Außenverteidigerpositionen.

Wobei Nagelsmann die eine mit Kimmich schlau geschlossen hat. Auf der linken Seite dagegen fehlt die große europäische Topspiel-Erfahrung. Dort werden Maximilian Mittelstädt oder der frühere Fürther David Raum spielen.

Im Sturmzentrum fehlt noch eine Torjäger-Garantie wie einst mit Miroslav Klose, doch alle Angreifer zeichnet immerhin aus, dass sie wie einst Klose in Topform zum Turnier anreisen.

Zudem fällt auf, dass sich die Altersstruktur der deutschen Mannschaft in den vergangenen Jahren stark nach oben veränderte. In der Jugendarbeit krankte es beim DFB mit Ausnahme des U17-WM-Titels 2023 zuletzt etwas.

Hohes Durchschnittsalter im DFB-Team

Sorgenfalten dürfte das Nagelsmann aber erst fürs WM-Turnier 2026 in den USA, Kanada und Mexiko auf die Stirn treiben. Für dieses Turnier gilt noch: Das Durchschnittsalter von etwa 28 Jahren liegt durchaus im Rahmen einer erfolgreichen Mannschaft. Die bei der EM 2021 siegreichen Italiener waren damals 27,7 Jahre alt. Den älteren Fahrensmännern wie Müller oder Kroos stehen die jungen Wilden um Wirtz und Musiala zur Seite.

Um interne Diskussionen und externe Unruhe zu vermeiden, kommt der deutschen Mannschaft ein weiterer wichtiger Baustein entgegen: die Vertragsverlängerung von Julian Nagelsmann und DFB-Sportdirektor Rudi Völler bis zur WM 2026 und das damit öffentliche Bekenntnis der beiden zu diesem Team mit all seinen Stärken und Schwachen.

Die befürchteten größeren Personaldebatten während der Heim-EM entfallen. "Es ist für uns und auch für das Turnier wichtig. Das bringt jetzt die nötige Ruhe", sagt Neuendorf. "Es geht darum, den Fokus jetzt auf das Sportliche zu legen." Und das mit einem durchaus beachtenswerten EM-Kader.

Das deutsche Aufgebot bei der Fußball-EM 2024 in der Übersicht

Tor: Manuel Neuer (FC Bayern München), Marc-André ter Stegen (FC Barcelona), Oliver Baumann (TSG Hoffenheim), Alexander Nübel (VfB Stuttgart)

Abwehr: Nico Schlotterbeck (Borussia Dortmund), Jonathan Tah (Bayer Leverkusen), Antonio Rüdiger (Real Madrid), Robin Koch (Eintracht Frankfurt), David Raum (RB Leipzig), Joshua Kimmich (FC Bayern München), Maximilian Mittelstädt (VfB Stuttgart), Waldemar Anton (VfB Stuttgart), Benjamin Henrichs (RB Leipzig)

Mittelfeld: Leroy Sané (FC Bayern München), Toni Kroos (Real Madrid), Chris Führich (VfB Stuttgart), Ilkay Gündogan (FC Barcelona), Robert Andrich (Bayer Leverkusen), Pascal Groß (Brighton and Hove Albion), Aleksandar Pavlovic (FC Bayern München), Jamal Musiala (FC Bayern München) Florian Wirtz (Bayer Leverkusen)

Angriff: Niclas Füllkrug (Borussia Dortmund), Thomas Müller (FC Bayern München), Kai Havertz (FC Arsenal), Deniz Undav (VfB Stuttgart), Maximilian Beier (TSG Hoffenheim)

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