GRIPS Deutsch 36 Prüfungstraining 2: Textarbeit
Hat man den ersten Teil der Deutsch-Qualiprüfung, den Rechtschreibtest hinter sich, folgt sogleich der zweite: die Textarbeit. Als Erstes musst du dich hier für einen Text entscheiden. Und dann warten eine Menge Fragen auf dich.

Wir orientieren uns in diesem Beispiel an der bayerischen Quali-Prüfung. Nach einem Rechtschreibteil folgt eine Textarbeit. Im Nachlesesteil 1 gibt es eine Menge Tipps zum Rechtschreibteil. Hier geht es nun um den Teil B der Prüfung, die Textarbeit.
Übersicht:
- Was erwartet mich in der Quali-Prüfung im Fach Deutsch?
- Tipps und Tricks für die richtige Vorbereitung
- Tipps und Tricks für den Prüfungstag
- So kannst du einen Quali bearbeiten und lösen
Beispiel Quali Deutsch (Bayern):
a) Die Rechtschreibprüfung - Der Rechtschreibtest
b) Die Textarbeit - Welchen Text nehme ich nur?
c) Die Textarbeit - Zeit richtig einteilen!
d) Die Textarbeit - Lesen will gelernt sein!
e) Die Textarbeit - Sachtext "Nur Mut" (Quali 2010)
f) Die Textarbeit - Literarischer Text "Jenny" (Quali 2010)
Wir starten jetzt mit dem Punkt b) und widmen uns gleich der Textarbeit, für sie hast du im Regelfall 145 Minuten Arbeitszeit. Etwa ein Drittel der Punkte werden für den Rechtschreibteil vergeben. Die restlichen zwei Drittel der Punkte liegen bei der Textarbeit.
b) Die Textarbeit - Welchen Text nehm ich nur?
Nimm dir am Anfang der Prüfung ungefähr 20 Minuten für die Textauswahl Zeit.
Teil B Textarbeit
Hilfe bei deiner Textauswahl
c) Die Textarbeit - Zeit richtig einteilen
Arbeite mit einem Zeitplan. Teile deine Zeit richtig ein! Wie viel Zeit hast du insgesamt, wie viel planst du für jede Aufgabe? Du weißt am besten, welche Aufgaben dir liegen und du schnell erledigen kannst. Denke aber auch daran, dass Aufgabe 7 und 8 meistens die umfangreichsten Aufgaben sind. Für sie brauchst du mehr Zeit. Notiere dir die geplante Zeit am Rand des Aufgabenblattes.
Verwende 10 - 15 Minuten für die Korrektur (Stimmt die Aussage meiner Sätze inhaltlich mit der Frage überein? Sind meine Sätze sinnvoll? Rechtschreibung? Grammatik?)
d) Die Textarbeit - Lesen will gelernt sein!
5-Schritt-Lesetechnik: Jetzt gilt's!
e) Die Textarbeit - Sachtext "Nur Mut" (Bayerischer Quali 2010)
Im Text "Nur Mut" geht es um das Thema Zivilcourage. Nicht alle Aufgaben beziehen sich aber auf dieses Thema. Viele Aufgaben sind allgemein formuliert und wiederholen sich häufig. Durch regelmäßiges Üben mit verschiedenen Quali-Aufgaben erkennst du bald, was du bei welcher Formulierung tun musst. Wir haben für dich, die wichtigsten Aufgabentypen bearbeitet. Damit du weißt, was bei diesen Aufgaben von dir verlangt wird, unterstreichst du am besten immer Schlüsselwörter. Zum Beispiel: ... fasse den Inhalt zusammen ...; ... erläutere dies an zwei Beispielen ...
Sachtext: Nur Mut
Es gibt sie, die Tapferen, die beherzt in einer bedrohlichen Situation einschreiten und Zivilcourage zeigen. Der Mut ist ihnen nicht angeboren, sagen Psychologen. Man kann ihn lernen. Doch warum ist es so schwierig, tapfer zu sein?
Mut ist nicht angeboren, sondern muss erlernt werden. Es beginnt damit, dass sich einer unverschämt in der langen Schlange an der Kasse vordrängelt, ohne dass wir ihn auf seinen Platz verweisen - nämlich ganz hinten. Dabei sollten wir einfach nur Nein sagen. Dazu braucht es Mut. "Mut ist das Zutrauen zu uns selbst, etwas zu wagen. Es ist eine Fähigkeit, die man erlernen kann", sagt die Psychologin Anne Frey von der Ludwig-Maximilian-Universität in München, die sich mit einer speziellen Form von Mut beschäftigt: der Zivilcourage. Der soziale Mut - die Zivilcourage - wird uns nicht in die Wiege gelegt. "Es gibt kein Mut-Gen", sagt die Psychologin. Damit wir diese Art von Mut entwickeln können, brauchen wir als Kinder Vorbilder: Eltern, Lehrer und andere Idole.
Zivilcouragierte Menschen kennen ihre Wertvorstellungen und formulieren sie ganz klar: "Ich schlage nicht. Ich grenze niemanden aus. Ich mobbe nicht. Ich bin gegen Willkür und für Demokratie." Und für diese Werte sind sie auch bereit, durch beherztes Einschreiten persönliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Diese Haltung kann man auch schon bei Kindern beobachten, die den anderen sagen: "Ich finde es blöd, wenn ihr den anderen hänselt, und ich mache da nicht mit." Zivilcourage setzt bestimmte persönliche Eigenschaften voraus, zum Beispiel Einfühlungsvermögen. Menschen, denen es daran fehlt, sehen gar keine Notwendigkeit, anderen zu helfen. Kinder, die sich zudem in ihrer Haut wohlfühlen, können eher auf die Bedürfnisse von anderen achten. Sie spüren auch, dass sie kompetent sind, anderen zu helfen.
"Wer kein Selbstvertrauen zu sich hat, dem fehlt der echte Mut. Er wird dieses Defizit mit Mutproben kompensieren - doch das ist nur Fassade", analysiert Mathias Jung, Psychotherapeut und Buchautor. Dieses Vertrauen zu entwickeln, ist eine Entwicklungsaufgabe für das ganze Leben.
Harry Potter, der Lieblingsheld vieler Jugendlicher bewältigt diese Aufgabe beispielhaft. Immer wieder muss er seine Ängste überwinden und wird dadurch immer tapferer. "Gerade darum ist Harry tapfer, weil er um seine Angst weiß. Er verdrängt sie nicht und geht mitten hindurch. Angst und Mut, das sind zwei Seiten einer Medaille.", sagt Jung. Mut beinhaltet immer auch die Fähigkeit zur Angst. Auch der Mutige nimmt Warnsignale wahr und prüft, ob er der Situation gewachsen ist. Entfällt die Einschätzung des Risikos, dann herrscht der Übermut vor, mit dem man sich und andere in Gefahr bringt. Wer ein zu großes Risiko eingeht, hat vorher nicht gut nachgedacht. Etwa Kinder, die von anderen Kindern vor Mutproben gestellt werden - unangemessene Aufgaben, wie von Häusermauern springen oder S-Bahn-Surfen. "Der eigentliche Mut hier wäre, Nein zu sagen", meint Psychologin Frey.
Oftmals sind wir auch feige, eine Meinung zu vertreten, weil wir befürchten, uns unbeliebt zu machen. Dass Jugendliche und Erwachsene oftmals nicht den Mut aufbringen, ihre eigene Meinung zu artikulieren, liegt häufig an einer starken Bindung an die Familie, an "die Kumpels" oder die Clique. Loyalitätskonflikte und Isolationsängste hindern dann am mutigen kleinen Widerstand.
"Mut kann man lernen", sagt die Psychologin. Dazu brauche es vor allem Fehlerfreundlichkeit. Wenn man sich zum Beispiel nicht traut, ein Referat zu halten, dann spricht man vielleicht noch nicht laut genug, hält nicht richtig Blickkontakt und verhaspelt sich. Doch das dürfte man nicht überbewerten.
"Wenn man mutig ist, dann geht man neue Wege, dann traut man sich was und da darf man auch Fehler machen."
Frey rät, den Mut in ganz vielen Situationen im Alltag zu trainieren. Jeder könne es sich vornehmen, einmal am Tag mutig zu sein. Was mutiges Verhalten für jeden bedeutet, hängt von seiner Entwicklung ab: Für ein Kleinkind ist die erste Rutsche eine riesige Herausforderung, später ist es der Sprung vom Einer, Dreier und Fünfer. Für einen Erwachsenen kann das Nein gegenüber dem Kollegen, der gern Arbeit an ihn abdrückt, ein großer Schritt in Richtung Tapferkeit sein.
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin Susanne Rytina und Focus-Online.
Aufgabentyp 1
Aufgabentyp 2
Aufgeabentyp 3
Aufgabentyp 4
Aufgabentyp 5
Fragen zu Bildern und Statistiken
Aufgabe 6 und 7 sind konkrete Fragen zu den Abbildungen. Die Abbildung dürfen wir aus rechtlichen Gründen hier nicht zeigen. Wichtig ist, dass du dir die Aufgaben genau durchliest und die Bilder dazu genau anschaust. Bei den Fragen zu Abbildungen sind oft eigene Meinungen, Interpretationen oder Auslegungen gefragt. Achte beim Formulieren darauf, korrekte Sätze zu schreiben. Antworte wirklich nur auf die Frage und beachte die Längenangaben.
f) Die Textarbeit - literarischer Text "Jenny" (Bay. Quali 2010)
Die Erzählung "Jenny" handelt vom Umgang mit behinderten Menschen in Familie und Alltag. Auch hier beziehen sich nicht alle Fragen auf dieses Thema. Viele Aufgaben sind allgemein formuliert und wiederholen sich häufig.
Literarischer Text "Jenny" (Quali 2010 Bayern)
"Ich fahr' in die Stadt zum Einkaufen", sagt Mutter.
"Kannst du das nicht morgen machen?", frage ich.
Aber sie schüttelt den Kopf und erklärt mir: "Nee, ich muss heute fahren. Morgen soll ich mit Claudia zur Untersuchung ins Krankenhaus. Das dauert bestimmt wieder endlos." Na gut, ich bleibe also hier. Aber wirklich nicht gerne. Eigentlich wollten wir nämlich mit den Rädern wegfahren, Jenny, Bernd und ich. Die beiden werden's tun. Ich nicht.
Und Mutter drückt mir einen schnellen Abschiedskuss auf die Backe, nimmt ihre Einkaufstasche und geht. An der Tür stoppt sie kurz noch mal und sagt: "Vergiss nicht, Claudia die Tabletten zu geben." Dann ist sie draußen. Und ich sitze in der Küche und darf nicht mit den anderen wegfahren. Ich weiß schon, einer muss auf meine kleine Schwester aufpassen. Aber was heißt hier klein? Fast so groß wie ich ist Claudia. Und ich bin nur ein bisschen kleiner als meine Mutter. Da kommt Claudia schon, steht in der Tür und sagt: "He". Dazu lächelt sie. Jetzt drückt sie den Lichtschalter, knipst ihn an und aus. Sieht auf ihre Hand und zur Lampe. Nochmals und noch mal macht sie das. "Licht", sagt sie und redet dann weiter.
Was sie noch redet, verstehe ich nicht. Das klingt, als würde sie eine andere Sprache sprechen. Eine, die nur sie versteht. Bei ganz kleinen Kindern hört sich das ähnlich an. Aber Claudia ist ja groß. Trotzdem kann sie kaum mehr sprechen als so'n Kleinkind. Sie hat bei ihrer Geburt nämlich mal einige Zeit keine Luft bekommen.
Dabei ist irgendetwas mit ihrem Gehirn passiert. Deswegen muss sie auch gleich wieder die Tablette schlucken. Ohne die wird sie ganz aufgeregt.
Claudia ist aus dem Zimmer gegangen. Ich höre eine Tür zufallen.
Wohin hat Mutter die Tabletten nur gelegt? Die Schachtel steht doch sonst immer im Regal, neben dem Herd. Da finde ich sie aber nicht und auch nicht im Küchenschrank. Aber sie braucht die Tabletten jetzt.
"Claudia!", rufe ich und bekomme keine Antwort. In ihrem Zimmer steckt sie nicht. Dafür sehe ich auf ihrem Schrank die Tablettenschachtel. Und dann schreit Claudia. Ich erschrecke, renne zum Badezimmer und reiß' die Tür auf. Da steht meine Schwester, zeigt zum Klo. Die Wasserspülung läuft, und eine halbe Rolle Klopapier liegt abgerollt auf den Fußbodenkacheln. Die andere Hälfte hat sie wohl ins Klo geworfen. Jedenfalls ist es verstopft.
Ich bin sauer, rolle das restliche Papier auf und hoffe, dass das Wasser doch noch abläuft. Wenn nicht, werde ich den Abfluss schon irgendwie freibekommen, beruhige ich mich.
So ... und jetzt die Tablette. Die schluckt sie sofort.
Ich will mich nicht über Claudia ärgern. Auch nicht darüber, dass ich nicht mit den anderen wegfahren kann. Aber trotzdem möchte ich weg. Und ob ich das will oder nicht, ich ärgere mich, dass ich's nicht darf.
Claudia hat sich ein Stück Watte aus dem Wattebeutel meiner Mutter gezupft und pustet dagegen. Das Wattestück fliegt wie 'ne Schneeflocke und fällt langsam und weich auf den Kachelboden.
"Komm", sage ich. Claudia guckt zum Klo, dann zu mir. Ich nehme sie einfach am Arm. Da geht sie mit.
Am Türgriff ihres Zimmers bleibt sie stehen und drückt den ein paar Mal. "Papa", sagt sie. Das ist auch so'n Wort, das sie gelernt hat. Warum fällt ihr das gerade eben ein? Hat er mal den Türgriff repariert, und sie hat dabei zugesehen? Ich weiß einfach oft nicht, was sie meint.
Jetzt guckt sie den Griff auf der anderen Seite der Tür an, drückt ihn und schmeißt die Tür mit Wucht zu.
"Das sollst du nicht", schimpfe ich. Die nervt mal wieder. Eigentlich könnte ich ein bisschen mit ihr rausgehen. Das macht sie ganz gern. "Claudia", rufe ich. Sie hat gemerkt, dass ich sauer auf sie bin, und verzieht das Gesicht.
Ich halte ihr einfach die Jacke hin. Sie schlüpft rein und rennt sofort zum Stuhl im Flur. Auf den setzt sie sich, damit ich ihr die Schuhe anziehe und zubinde.
"Weggehen", sage ich.
"Da", sagt sie und freut sich. Schade, dass ich nicht wenigstens manchmal mit ihr reden kann. Richtig reden, meine ich. Aber sie schafft eben nicht mehr als ein paar Wörter.
Auf der Treppe poltert sie mächtig. "Psst", mache ich. Die Nachbarn beschweren sich nämlich, wenn sie laut ist. Claudia kann sich einfach nicht merken, dass sie das nicht sein soll. Und dann sind wir draußen, meine kleine große Schwester und ich.
Jenny spielt am Hauseingang gegenüber. Eigentlich ist sie meine beste Freundin. Sie sieht mich und rennt zu mir. "Hallo", sagt sie. "Kommst du nachher mit?"
"Geht heute nicht", sage ich.
"Musst du wieder aufpassen?", stöhnt Jenny, und ich nicke. Es ist komisch, wie sie Claudia ansieht. Sie versteht irgendwie nicht, dass meine Schwester kaum was reden kann. Das passt einfach nicht in Jennys Kopf.
"Tschüs", sagt Jenny.
"Tschüs", sage ich, und weg ist sie.
Plötzlich guckt mich Claudia an. Sie verzieht ihr Gesicht, als würde sie sich anstrengen, und sagt: "Jenny ...", zwar undeutlich, aber ich versteh's. Sie hat Jenny gesagt. Zum ersten Mal. Die kennt sie ja auch, hat sie schon oft gesehen.
Am liebsten möchte ich hinter Jenny herrennen und ihr erzählen: Claudia sagt Jenny. Aber für Jenny ist das sicher nichts Besonderes, für mich schon. Und meine Eltern werden sich riesig freuen, wenn sie das hören. Ein ganzes neues Wort hat Claudia gelernt!
Vor zwei Jahren dachten wir nie, dass sie überhaupt mal Wörter sprechen könnte. Ich möchte 'n Purzelbaum schlagen auf dem Asphalt und tu's natürlich nicht. Dafür tipp' ich Claudia gegen die Schulter. "Jenny", sage ich, damit sie ihr neues Wort nicht vergisst.
"Jenny", sagt sie. Und jetzt freu' ich mich riesig, dass ich bei ihr geblieben bin.
Jenny. Ein tolles Claudiawort. Dabei ist es eigentlich schwer zu sprechen: Jenny. Das Wort klingt für mich, als hätte es 'ne kleine Sonne in sich. Ich fass' Claudia an der Hand. Hoffentlich vergisst sie ihr neues Wort nicht. "Jenny", sage ich. "Jenny", sagt sie. Ganz laut und fast deutlich.
Mit freundlicher Genehmigung des Autors Achim Bröger aus "Der bunte Hund 1", Weinheim 1981.