Ein Kind hebt den Finger im Unterricht an einer Grundschule. Im Hintergrund sieht man eine Lehrerin an der Tafel stehen.
Bildrechte: pa/dpa/Bernd Weißbrod

Schulkinder nehmen am Unterricht in einer Grundschule teil. (Symbolbild)

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

500 Euro mehr in Bayern – lassen sich Lehrer mit Geld locken?

Um den Lehrermangel zu lindern, will Bayern Pädagogen besser bezahlen. In Baden-Württemberg fürchtet man die Konsequenzen, gerade in den Grenzregionen.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Warum in Baden-Württemberg arbeiten, wenn es in Bayern Hunderte Euro im Monat mehr gibt? "Das schreiben mir viele Lehrer", erzählt Monika Stein. Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Baden-Württemberg sorgt sich, dass Lehrkräfte beispielsweise von Ulm nach Neu-Ulm abwandern könnten. "Die Länder befinden sich in einem Wettstreit um die besten Köpfe", sagt sie und meint damit vor allem auch das Nachbarland Bayern.

Regionalprämie und höhere Besoldung

Die Staatsregierung will das Gehalt an Grund- und Mittelschulen Schritt für Schritt auf die Besoldungsgruppe A13 anheben, was bislang nur für weiterführende Schulen galt. Das Gehalt würde damit um rund 500 Euro steigen. Außerdem hat der Freistaat eine sogenannte Regionalprämie in Aussicht gestellt. 3.000 Euro brutto sollen fließen, wenn sich Pädagogen in einen Landkreis mit "erhöhtem Lehrkräftebedarf" versetzen lassen. In Bayern sind das vor allem Franken, die Oberpfalz und Schwaben. Im Landkreis Neu-Ulm etwa werden Lehrer für Grund- und Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien gesucht. Die Prämie bekommt, wer neu in den Staatsdienst eingestellt wird oder aus einem anderen Bundesland in den Freistaat zieht.

Weniger Förderung durch Lehrermangel

Landen könnten die Lehrkräfte zum Beispiel an der Mark-Twain Schule in Neu-Ulm. 290 Kinder werden hier in 14 Klassen unterrichtet. "Wir sind wie alle anderen Schularten vom Mangel betroffen und haben nicht genügend Lehrer. Wir müssen den Unterricht mit Quereinsteigern gewährleisten", sagt Schulleiter Thomas Brenner. Zwar habe jede Klasse ihren eigenen Lehrer, doch gezielte Förderung bleibe häufig auf der Strecke. "Gerade durch Corona gibt es noch Lernrückstände. Zudem haben wir viele Kinder mit Migrationshintergrund, die noch nicht so gut deutsch sprechen", sagt Konrektorin Lisa Maier. Dass der Freistaat mit A13 gerade auch Grundschullehrkräften mehr bezahlen will, sehen beide als Wertschätzung.

Studierende sind gespalten

Doch spricht der finanzielle Anreiz aus Bayern auch angehende Lehrer in Baden-Württemberg an? Nachfrage an der Pädagogischen Hochschule in Weingarten nahe Ravensburg. Einige der Studierenden betonen, dass sie gerne in ihrer Heimat bleiben möchte, gerade auch wegen des Netzwerkes an Freunden und Vereinen. Ein Umzug käme für sie vor allem der Liebe wegen in Frage. Ein anderer Teil zeigt sich aufgeschlossen und spricht von einem "attraktiven Angebot", das man durchaus in Betracht ziehen könnte.

Kritik aus Baden-Württemberg

Dass Bayern mit einer höheren Besoldung und einer Regionalprämie sein finanzielles Füllhorn ausschütten möchte, sorgt beim Kultusministerium in Baden-Württemberg nicht gerade für Begeisterung: "Bisher war es Konsens in der Kultusministerkonferenz, dass fairer Wettbewerb zwischen den Ländern herrscht. Abwerbungskampagnen haben dabei nach unserer Auffassung keinen Platz", so ein Pressesprecher. In der Tat hatten die Bundesländer bereits 2009 die Stralsunder Erklärung verabschiedet. Sie einigten sich auf eine "vertrauensvolle Abstimmung vor allem bei der Rekrutierung von Lehrerinnen und Lehrern aus anderen Ländern." Doch in der Vergangenheit hatte auch Baden-Württemberg versucht, in den Teichen anderer Bundesländer nach Lehrkräften zu fischen.

Erste Ergebnisse erst im September

Wie erfolgreich Bayerns Werben letztlich ist? Das Kultusministerium nennt auf Anfrage keine Zahlen und verweist darauf, mögliche Einstellungen aus anderen Bundesländern derzeit noch zu prüfen. Genaue Auskünfte soll es Anfang September im Rahmen einer Konferenz zum neuen Schuljahr geben, so eine Pressesprecherin. Kultusminister Piazolo betont, dass man den sogenannten Lehrermangel relativ sehen müsse: "Es gab noch nie so viele Lehrer wie jetzt, in den letzten Jahren wurden rund 20.000 Stellen neu geschaffen. Aber wir haben auch neue Herausforderungen wie viele Geflüchtete oder die Digitalisierung." Das Kultusministerium in Baden-Württemberg rechnet derweil nicht mit einem großen Exodus ins Nachbarland. Die Mobilität der Lehrkräfte sei schon innerhalb des Bundeslandes gering. Außerdem zahle Baden-Württemberg auch einen besonders hohen Familienzuschlag für Kinder und Lehrkräfte, so ein Pressesprecher.

Gewerkschaft: "Abwerben ist Flickschusterei"

Monika Stein von der Gewerkschaft GEW sieht die Lage nicht so entspannt: "Die Grenzregionen zu Bayern sind Gebiete, wo wir jetzt schon einen Mangel haben und da wirken sich solche Anreize fatal aus". Sie fordert, dass auch Baden-Württemberg mehr investiert und Lehrkräfte an Grundschulen auf A13 hochstuft. Die Kultusministerkonferenz geht davon aus, dass der Lehrermangel wahrscheinlich noch 20 Jahre bestehen bleibt. "In ganz Deutschland fehlen Lehrer, das müssen wir anerkennen. Durch das Abwerben aus anderen Ländern verschieben wir das Problem nur, das ist letztlich Flickschusterei", sagt Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. Ihrer Ansicht nach müsste der Beruf attraktiver werden, vor allem auch durch bessere Arbeitsbedingungen, damit sich mehr Abiturienten für ihn entscheiden.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!