ARCHIV (12.04.23): Turbinen eines A380 am Münchner Flughafen nah - Symbolbild Feinstaubbelastung am Flughafen München
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Hohe Ultrafeinstaubwerte am Münchner Flughafen

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Hohe Ultrafeinstaubwerte am Münchner Flughafen

Ultrafeinstaub ist der kleine Bruder des Feinstaubs - trotz der geringen Größe ist er noch gesundheitsschädlicher. Umweltschutzverbände haben Monate am Münchner Flughafen gemessen. Die Werte liegen über den von der WHO als hoch eingestuften Werten.

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Die Ergebnisse sind erschreckend. Das sagen zumindest Vertreter des Bürgervereins Freising, des Bund Naturschutz und des Bündnis AufgeMUCkt. Die Ultrafeinstaubwerte, die die Freiwilligen von Januar bis März 2024 an 51 Tagen gemessen haben, liegen größtenteils deutlich über den von der WHO als hoch eingestuften Werten.

Bürgerverein Freising: Schlechte Luft am Flughafen

Es seien extrem hohe Ultrafeinstaubwerte bei ihren Messungen festgestellt worden, sagten die Vertreter von Bund Naturschutz, dem Bündnis Aufgemuckt und dem Bürgerverein Freising bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz. An den 51 Tagen, die sie die Partikelkonzentration nahe dem Flughafen gemessen haben, wurden nahezu täglich (97 Prozent der Tage) die von der WHO vorgegebenen Grenzwerte von 10.000 Partikeln pro Kubikzentimeter im Tagesdurchschnitt überschritten. Am 19. Februar wurde sogar ein Spitzenwert von 140.000 Partikeln gemessen.

Hirntumorrisiko wächst durch Ultrafeinstaub

Die Umweltverbände warnten vor den gesundheitlichen Folgen der Überschreitungen. Die ultrafeinen Partikel (UFP) führten laut Studien zu Lungenerkrankungen wie Asthma, COPD und Lungenkrebs. Laut einer Studie aus der Umgebung des Flughafens von Los Angeles ist dort das Risiko an einem bösartigen Hirntumor zu erkranken in den letzten Jahren um 12 Prozent gestiegen. Das Risiko, durch den Ultrafeinstaub zu erkranken, sei vor allem bei Flughafenmitarbeitern auf dem Rollfeld erhöht, weil diese völlig ungeschützt die Triebwerksabgase einatmeten. Darüber hinaus seien Fluggäste, Besucher der Flughafen-Wintermärkte, des Besucherhügels und Kinder in der flughafeneigenen Kindertagesstätte betroffen. Zudem würden auch höhere UFP-Werte in Gemeinden rund um den Münchner Flughafen gemessen.

Forderung nach Verbesserungen am Flughafen

Die Umweltverbände forderten die Bayerische Staatsregierung, die 51 Prozent am Flughafen hält, dazu auf, möglichst schnell zu reagieren - auch wenn es bislang keine gesetzlichen Vorgaben für UFP-Grenzwerte gebe. Zu den Forderungen gehört unter anderem die Einführung von schwefel- und aromatenarmem Kerosin, Schleppen der Flugzeuge statt autarkem Rollen nach der Landung und der Verzicht auf Ausbau- und Umbaupläne. Außerdem appellierte der Bürgerverein Freising an die Gewerkschaften, sich um die gesundheitlichen Risiken der Rollfeldmitarbeiter zu kümmern.

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Bürgerverein Freising, Bund Naturschutz und Bündnis AufgeMUCkt stellen nahe dem Flughafen München eine mobile Messanlage für Ultrafeinstaub auf

Messgerät direkt auf Flughafen-Gelände

Auf einer Wiese im Erdinger Moos am Vorfeld-Ost des Münchner Flughafens arbeiteten zwei Monate lang Dutzende Menschen. Das 1.000 Quadratmeter große Grundstück gehört dem BUND Naturschutz und nicht dem Flughafen. Genau hier hatte der Bürgerverein Freising von Janaur bis März zusammen mit dem BUND Naturschutz und dem Aktionsbündnis aufgeMUCkt seine selbst-entwickelte Ultrafeinstaub (UFP)-Messstation aufgestellt.

In Bayern wird bereits an fünf Standorten Ultrafeinstaub gemessen. Direkt am Flughafen gibt es keine Messstation. Deswegen haben sich die Mitglieder des Freisinger Bürgervereins eine gebaut. Die Station besteht aus mehreren Klimaboxen, die die geforderten Temperatur-Bedingungen für die Messinstrumente schaffen.

Letztes "Gallisches Dorf"

Das Grundstück wurde 1973 vom BUND Naturschutz als eines von drei sogenannten Sperrgrundstücken auf dem späteren Flughafengelände erworben. Während die zwei anderen Grundstücke mittlerweile vom Munich Airport Center (MAC) und der südlichen Landebahn belegt sind, ist das, auf dem die Messstation nun eingerichtet wurde, immer noch eine Wiese. Das Vorfeld-Ost wurde um das Grundstück herum gebaut. Die Mitglieder, die die Wiese bewirtschaften, sprechen deswegen in Anlehnung an Asterix und Obelix gerne auch von ihrem "Gallischen Dorf". Die grüne Aussparung ist sogar in der Satellitenansicht von Google Maps erkennbar. Wer hier steht, hört ständig das Surren von Flugzeugturbinen und riecht Abgase.

Nur 20 Meter vom "letzten Gallischen Dorf" des BUND Naturschutz entfernt werden die Maschinen abgefertigt. Insofern steht die vom BV Freising selbstgebaute Messstation ziemlich genau dort, wo nach Ansicht ihrer Mitglieder der meiste Ultrafeinstaub in der Region entsteht. Für die nächsten Monate soll die Messstation dort deswegen ihren Dienst verrichten.

Flughafen München: "Für Ultrafeinstaub existieren keine Maßstäbe für Beurteilung der Gefährdung menschlicher Gesundheit"

Der Münchner Flughafen sieht die Ergebnisse und Messungen des Bürgervereins und der Umweltverbände kritisch. Wie der Flughafen in einer Antwort auf eine Anfrage des Bayerischen Rundfunks schreibt, gäben weder die EU noch die WHO Grenzwerte für eine gesundheitliche Bewertung von UFP (Ultrafeine Partikel) vor. Es gebe zur Zeit an verschiedenen Standorten in verschiedenen Städten Messungen. Die von der Weltgesundheitsorganisation WHO genannten Werte für hohe und niedrige Konzentrationen seien lediglich dazu da, Messprogramme zu priorisieren. Sie dienten laut Flughafen aber nicht dazu, die Auswirkung des Ultrafeinstaubs auf den Menschen zu beurteilen.

Laut Flughafen München gehe es darum weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Es gebe noch keine einschlägigen Normen zur Messung des Ultrafeinstaubs, sondern lediglich eine Vornorm. Der Flughafen weist außerdem darauf hin, dass das Messgerät, das der Bürgerverein benutzt, eigentlich nur für Arbeitsschutzmessungen in Innenräumen gedacht sei.

Flughafen: Messungen der Umweltverbände nicht repräsentativ

Die Universität Bayreuth führt laut Flughafen im Auftrag des Bayerischen Umweltministeriums im direkten Umfeld des Flughafens Messungen durch: in der Gemeinde Hallbergmoos und in der Stadt Freising. Das Grundstück des BUND Naturschutz, auf dem gemessen werde, so die Kritik, liege dagegen direkt an einer Hauptverkehrsstraße und grenze unmittelbar an das Vorfeld des Flughafens. Dort gebe es auch keinerlei Wohnbebauung. Das Grundstück erfülle also nicht die Voraussetzungen, die das Bundesimmissionsschutzgesetz verlange, nämlich an Standorten zu messen, die repräsentativ für eine dauerhafte Aussetzung der Bevölkerung mit einem Schadstoff sind.

Die gewonnenen Daten der Umweltverbände hätten zudem Mängel, so der Vorwurf des Münchner Flughafens. Die Messungen der Uni Bayreuth zeigten nämlich ähnlich hohe Ultrafeinstaubwerte in der Nähe des Flughafens (7.800 Partikel pro Kubikzentimeter in Hallbergmoos, 8.400 in Freising) wie in Städten, die eher weitab von Flughäfen lägen: Augsburg kommt beispielsweise auf 7.400 und Regensburg auf 8.300 Partikel pro Kubikzentimeter.

Auch wenn die Flughafen München GmbH nicht selber messe, unterstütze man Messungen der Universität Bayreuth mit einer mobilen Luftgütemessstation am Standort Hallbergmoos und gebe Daten zum Flugverkehr heraus. An anderen Flughäfen in Deutschland (Frankfurt, Berlin) werde auch durch externe Institutionen gemessen.

Flughafen versucht Ultrafeinstaubpartikel-Ausstoß zu senken

Auch wenn das Thema Messung und Bewertung von Ultrafeinpartikeln laut Flughafen zurzeit immer noch ein Forschungsthema ist, gebe es bereits eine Reihe von Maßnahmen, um die Belastung zu senken. Beispielsweise werde der Einsatz von Hilfsturbinen immer weiter reduziert, Fahrzeuge führen mit regenerativen Treibstoffen und Initiativen für Sustainable Aviation (Nachhaltiger Luftfahrttreibstoff aus beispielsweise Forstabfällen und Haushaltsmüll) würden ausgebaut.

Ultrafeinstaub: Partikel sind kleiner als Feinstaub

Ultrafeinstaub steht im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Besonders an Flughäfen wird laut Umweltbundesamt von einer hohen UFP-Belastung ausgegangen. Ultrafeinstaub besteht aus Partikeln, die viel kleiner sind als der reguläre Feinstaub, der beispielsweise am Mittleren Ring in München und auch am Flughafen gemessen wird. Deswegen wird laut dem bayerischen Umweltministerium stark davon ausgegangen, dass Ultrafeinstaubteilchen viel leichter in den menschlichen Blutkreislauf kommen und dadurch Folgen für die Gesundheit haben können.

Welche Folgen genau Ultrafeinstaub für die menschliche Gesundheit hat, kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Dafür sei die Studienlage noch zu begrenzt, so das Umweltbundesamt. Deswegen gibt es auch noch keine gesetzlichen Grenzwerte. Allerdings hat die Weltgesundheitsorganisation Empfehlungen ausgesprochen.

Turbinen-Abgase Hauptursache

Besonders an Flughäfen und deren Umfeld ist es laut Umweltbundesamt erwiesen, dass die Ultrafeinstaub-Belastung deutlich erhöht ist. Als Hauptquelle dafür gelten Turbinen-Abgase am Boden. Der im Kerosin enthaltene Schwefel sorge bei der Verbrennung für die Entstehung von Ultrafeinstaub.

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