Die Wiesn als Wahlkampfveranstaltung? Ministerpräsident Markus Söder (CSU) testete beim Anstich die Grenzen und erhält Kritik.
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Die Wiesn als Wahlkampfveranstaltung? Ministerpräsident Markus Söder (CSU) testete beim Anstich die Grenzen und erhält Kritik.

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"Im Wahlkampf-Tunnel"? Söders Wiesn-Auftritt in der Diskussion

Die Wiesn soll keine politische Veranstaltung sein. Hat Ministerpräsident Markus Söder also eine Grenze überschritten, als er kurz vor dem Anzapfen Wahlkampfsprüche ins Schottenhamel-Zelt schmetterte? Das sind die Reaktionen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Eigentlich besteht Einigkeit: Das Oktoberfest soll frei von Politik, insbesondere von Wahlkampf sein. Doch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nutzte per Mikrofon kurz vor dem Anstich die Gelegenheit, seine Position zu einer möglichen Verlängerung der reduzierten Mehrwertsteuer für die Gastronomie in die Schottenhamel-Festhalle zu rufen: "Ich finde, Essen und Trinken ist eh schon zu teuer. Keine Erhöhung für Steuern auf Essen und Getränke". Applaus im Zelt.

Die Bundesregierung zögert hier bisher noch. Bund, Länder und Gemeinden müssten die Differenz von aktuell sieben Prozent Mehrwertsteuer auf 19 Prozent (wie vor der Corona-Zeit) auch gegenfinanzieren können, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor Kurzem betont. Söder will den Wirten entgegenkommen, die eine Erhöhung ablehnen, und fürchtet Preiserhöhungen für die Gäste.

OB Dieter Reiter sieht Söder "im Wahlkampftunnel"

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), der mit zwei Schlägen das Oktoberfest eröffnete, sagte dem BR mit Blick auf Söders Steuerforderung auf der Wiesn: "Wenn der Ministerpräsident meint, er soll einen Sidestep machen, soll er's machen. (…) Ich glaube nicht, dass man hier auf der Wiesn was bewegen kann, um ein Wahlergebnis am 8. Oktober zu verhindern – das ist eigentlich daneben, aber mei." Söder sei wohl "im Wahlkampf-Tunnel". Er selbst halte seine Wiesnauftritte wahlkampffrei, betonte Reiter. Am 8. Oktober ist Landtagswahl in Bayern.

Katharina Schulze: Söder zielt an Erwartungen vorbei

Die Grünen-Co-Vorsitzende in Bayern, Katharina Schulze, sagte dem BR, Söder müsse selbst wissen, ob er gegen den "Common Sense" einer politikfreien Wiesn verstoßen wolle. "Ich glaube, die Menschen im Zelt haben nicht unbedingt auf so eine Aussage gewartet. Die wollten, dass es endlich losgeht."

Söders in der Schottenhamel-Festhalle erneut vorgetragenes Wahlkampf-Mantra "Jeder darf essen, was er will", mit dem er den Grünen fälschlicherweise das Verbot von Speisen unterstelle, kann Schulze schon nicht mehr hören. Söder mache daraus geradezu einen Kulturkampf.

Wiesnchef Baumgärtner sieht keine politische Veranstaltung

Paragraf 46 der Betriebsvorschriften des Oktoberfests verbietet eindeutig "politische Veranstaltungen, einschließlich Wahlkampfveranstaltungen". Doch einzelne politische Aussagen fallen für Münchens Wirtschaftsreferenten und Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU) noch nicht darunter: "Der Konsens in diesen Zelten heißt: Wir machen keine Wahlkampfveranstaltung. Dass ein Ministerpräsident etwas zu seiner Politik sagt, das sei ihm gestattet", sagte Baumgärtner dem BR.

Söder betonte später, er habe das Thema angeschnitten, "weil es halt passt". "Die Wiesn ist eh schon teuer, aber sie soll noch für alle, für jeden normalen Bürger leistbar bleiben." Die Mehrwertsteuer auf Speisen und Getränke in der Gastronomie war im Zuge der Corona-Pandemie von 19 auf 7 Prozent gesenkt worden. Wegen der heraufziehenden Energiekrise wurde die Regelung bis Ende 2023 verlängert. Wie es dann weitergehen soll, ist noch offen.

Aiwanger: "Wichtig ist, dass die Leute ein Selfie machen wollen"

Im Schottenhamel-Zelt war auch Söders Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger zu Gast. Der Freie-Wähler-Chef entkorkte danach in "Bodo's Cafézelt" mit der fränkischen Weinkönigin eine Flasche Wein. Er werde derzeit so oft um Selfies gebeten "wie noch nie" - auch auf der Wiesn, sagte Aiwanger, der in den vergangenen Wochen wegen eines antisemitischen Flugblatts als Schüler in seiner Schultasche unter Beschuss gekommen war.

Eindrücke, wonach CSU-Politiker sich eher nicht gemeinsam mit ihm auf der Wiesn zeigen wollten, kommentierte Aiwanger am Samstag so: "Ob ein CSU'ler mit mir auf ein Foto will oder nicht", das interessiere ihn weniger. "Wichtig ist, dass die Leute ein Selfie machen wollen."

Reiter rügt IT-Referentin nach umstrittenem Post

Für Wirbel sorgte Laura Dornheim, die den Grünen angehört und das städtische IT-Referat leitet: Sie postete in den sozialen Netzwerken ein Selfie - im Hintergrund ist Aiwanger zu sehen. Dazu schrieb die 39-Jährige: "Nächstes Jahr pack ich mir einen 'Nazis raus' Button ans Dirndl." OB Reiter rügte die Referentin, laut "Süddeutscher Zeitung" sagte er: "Auch für Referent*innen gilt, dass die Wiesn eine politikfreie Zone ist."

Mit Informationen von dpa

Schalte mit BR-Reporter Moritz Steinbacher zum Wiesn-Auftakt.
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