Großwärmepumpe
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Solche Großwärmepumpen können Energie aus Flüssen und Bächen ziehen. In Rosenheim zum Beispiel passiert das bereits.

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Mit Wärme aus Flusswasser heizen: So groß ist Bayerns Potenzial

Bayern könnte einen großen Teil seines Wärmebedarfs künftig mit Wärmepumpen decken, die an Flüssen und Bächen installiert werden. Eine neue Studie zeigt, wo das Potenzial am größten ist. Ergänzt durch "Dein Argument".

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

In Rosenheim kann man die Zukunft schon besichtigen. Hier betreiben die Stadtwerke bereits drei Groß-Wärmepumpen, die Wärme aus dem Mühlbach abzweigen, um sie ins Rosenheimer Fernwärmenetz einzuspeisen. Rund zehn Prozent der Fernwärme in der Stadt stammen aus dieser Quelle.

Wärme für alle Haushalte – nur aus den Flüssen

Viele andere könnten das genauso machen. Die Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) hat im Auftrag mehrerer Verbände der Energiewirtschaft für ganz Bayern in einer Studie (externer Link) das Potenzial von Flusswärmepumpen abgeschätzt.

Das Ergebnis: 20 Prozent der Kommunen, vor allem entlang der großen Flüsse, könnten mit dieser Technik einen Großteil ihres Wärmebedarfes decken. Für ganz Bayern hätte die Technik theoretisch das Potenzial, den gesamten Wärmebedarf von Haushalten und Gewerbe zu decken. In Zahlen: Dieser Sektor verbraucht jährlich 142,5 Terawattstunden Wärmeenergie. Wenn man die geeigneten Flüsse und Bäche mit Wärmepumpen um 1,5 Grad abkühlen würde, ergäbe das ein theoretisches Potenzial von 171 Terawattstunden.

"Wir waren erstaunt, wie groß das Potenzial ist, das man aus den Flüssen für die Wärmewende heben kann", sagt Detlef Fischer vom Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). Die Daten aus der Studie werden jetzt den Stadt- und Gemeindewerken zur Verfügung gestellt, die im Zuge der kommunalen Wärmeplanung prüfen können, wo sie das Potenzial der Flusswärme heben.

Vorteile des Flusswassers für Wärmepumpen

Flusswasser ist ein gutes Medium, um es mit Wärmepumpen zu nutzen, betonen die Forscher der FfE: Die Energiedichte von Wasser ist hoch. Weil das Gewässer fließt, regeneriert sich die Temperatur ständig und die Wärmequelle erschöpft sich nicht. Und im Winter, wenn der Wärmebedarf hoch ist, bleiben die Wassertemperaturen höher als die der Luft.

Der Wirkungsgrad der Wärmepumpen hängt dabei nicht von der Größe ab: Eine Firma allein kann beispielsweise das Wasser eines angrenzenden Baches für sich nutzen – genauso wie eine Großstadt wie Mannheim das Wasser des Rheins. In Mannheim steht seit Oktober die größte Wärmepumpe Deutschlands. Die Stadt Neuburg an der Donau prüft, ob sie ein ähnliches Projekt startet.

Wasser darf durch die Wärmepumpe nicht gefrieren

💬 BR24-User "Camper22" und "SpiegelbildDerGesellschaft" haben in den Kommentaren angesprochen, wie sich Wassermangel im Zuge von Trockenperioden oder auch gefrierendes Wasser auswirken. Das Team von "Dein Argument"  hat ergänzt:

Klar ist: Wenn die Wärmepumpen dem Flusswasser Energie entziehen, darf es trotzdem nicht gefrieren. Die Temperatur des entnommenen Wassers und der Gewässer insgesamt muss immer über null bleiben. Das ist bei großen Flüssen kein Problem: Bei der Anlage in Mannheim etwa ist die Auswirkung auf die Temperatur des gesamten Rheins zu vernachlässigen. Bei kleinen Gewässern dagegen kann es zu Abschaltzeiten kommen: Die Anlage am Mühlbach in Rosenheim musste beispielsweise im ersten Winter zwei Wochen lang stillstehen, um zu verhindern, dass das Wasser den Gefrierpunkt erreicht. Dieser Effekt muss bei der Planung von Flusswärmepumpen berücksichtigt werden. Bei der Potenzialabschätzung der FfE ist jedoch ohnehin ein großer Teil der kleinen Gewässer noch nicht enthalten, weil dazu keine ausreichenden Messwerte verfügbar waren.

Durch Klimawandel steht teils weniger Wasser zur Verfügung

Wichtig ist auch: Es muss für den Betrieb einer Flusswärmepumpe genügend Wasser vorhanden sein. Die Forscher haben in der Studie den Mittelwert aus den Wassermengen zwischen 1990 und 2022 genommen, um das Potenzial grob abzuschätzen. Wer ein konkretes Projekt plant, wird gut beraten sein, hier noch eine Sicherheitsmarge einzurechnen. Denn durch die Erderwärmung schwanken die Pegelstände der Gewässer stärker als früher und nehmen vielfach auch ab. Für die Wasserkraft prognostiziert das Umweltbundesamt deshalb in der Zukunft ein Ertragsminus von bis zu 15 Prozent.💬

Am besten geht es an Wasserkraftwerken

Studienautor Joachim Ferstl von der FfE empfiehlt, für Flusswärmepumpen in Bayern zunächst Orte ins Visier zu nehmen, an denen Infrastruktur für eine Wasserentnahme bereits vorhanden ist und idealerweise auch bereits die Genehmigung dafür. Vor allem Wasserkraftwerke innerhalb von Städten seien dafür interessant. Denn dort ist auch in räumlicher Nähe der Wärmebedarf oder ein Anschluss ans Fernwärmenetz vorhanden.

Klar sei aber auch, dass der Bau solcher Anlagen bisher nur mithilfe von Förderprogrammen wirtschaftlich ist. Aber trotzdem lohnen sich solche Investitionen, betont Detlef Fischer vom VBEW: "Wir müssen uns davon verabschieden, dass wir fortlaufend billige Energie aus irgendwelchen Schurkenstaaten importieren. Wir müssen unsere Energieversorgung resilienter aufstellen, und wir werden dafür viel investieren müssen." Dafür würden dann auf der anderen Seite nicht nur Treibhausgase, sondern auch Brennstoffkosten eingespart.

Wärmepumpen gleichen Schwankungen im Stromangebot aus

Klug eingesetzt, helfen Groß-Wärmepumpen auch dabei, im Stromsystem der Zukunft Angebot und Nachfrage besser ins Gleichgewicht zu bringen: Wenn sie vor allem dann laufen, wenn billiger Strom aus Wind und Sonne zur Verfügung steht. Der Chef der Stadtwerke Rosenheim, Götz Brühl, sagt schon jetzt: "Wenn das Stromangebot sehr hoch ist und der Preis entsprechend niedrig, lieben wir diese Anlage." Vor allem in Verbindung mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sei das möglich. Alternativ oder zusätzlich kann ein Stadtwerk auch große Wärmespeicher als Puffer für das Fernwärmenetz bauen – in Nürnberg etwa ist das bereits geschehen, in München in Planung.

Flüsse abkühlen ist weniger problematisch als erwärmen

Der Mühlbach in Rosenheim wird durch die Wärmepumpen um ungefähr ein halbes Grad abgekühlt. Die Studie über Flusswärmepumpen geht von einer Temperaturabsenkung von eineinhalb Grad in den Flüssen aus. Bis zu drei Grad könnten ökologisch unproblematisch sein – das muss aber in jedem Einzelfall untersucht und genehmigt werden. Prinzipiell leiden die Gewässer jedoch vor allem darunter, dass Erderwärmung, Industrie und konventionelle Kraftwerke sie aufheizen – da würden Flusswärmepumpen entgegenarbeiten.

Im Video: Potenzial von Flusswärmepumpen für Bayern

Münchner Wissenschaftler haben nun errechnet, welches Potenzial Flusswärmepumpen für Bayern hätten.
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Münchner Wissenschaftler haben nun errechnet, welches Potenzial Flusswärmepumpen für Bayern hätten.

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