Die erste Agri-PV-Anlage weltweit für Hopfen hat ein Landwirt in der Hallertau gebaut.
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Die erste Agri-PV-Anlage weltweit für Hopfen hat ein Landwirt in der Hallertau gebaut.

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Pilotprojekt mit Erfolg: Agri-PV im Hopfengarten rechnet sich

Seit knapp einem Jahr fließt aus einem Hopfengarten in der Hallertau Strom ins Netz. Oben Solarmodule, unten Hopfen: Das ist Agri-PV. Die Anlage ist bundesweit die erste dieser Art. Nun zeigt eine Studie, wie gut die Doppelernte funktioniert.

Über dieses Thema berichtet: BR24 vor Ort am .

Josef Wimmer strahlt. Der Hopfenpflanzer in vierter Generation steht in seinem Hopfengarten nahe Au in der Hallertau und blickt auf die PV-Anlage sechs Meter hoch über ihm. Er hat enorm viel investiert: Zeit, Geld und Nerven. Seit fast einem Jahr speist er mit seiner bundesweit ersten Agri-PV-Anlage in einem Hopfengarten Strom ins Netz. Unter der Konstruktion für die Solarpaneele wächst der Hopfen. Die große Frage war: Wie entwickelt sich der Hopfen unter den Solarmodulen? Die Landesanstalt für Landwirtschaft [externer Link], abgekürzt LfL, die das bislang einmalige Modell von Anfang an begleitet und hat nun eine Zwischenbilanz veröffentlicht - und die zeigt Wimmer: Er hat Zeit, Geld und Nerven gut investiert. BR24 vor Ort gibt detaillierte Infos zu dem Projekt.

Investition hat sich gelohnt

Hopfenpflanzer Wimmer und sein Partner, der Stromunternehmer Bernhard Gruber vom Hallertauer Handelshaus, sind zufrieden: Ihre Rechnung ist aufgegangen. Die 1,3 Hektar große Anlage hat in ihrem ersten Jahr fünf Stürme und eine große Schneelast überstanden. Der Bau war kompliziert. Denn mit sechs Meter Höhe ist die Anlage deutlich höher als alle anderen bislang installierten Freiflächenanlagen. Modelle dafür gab es nicht; die Anlage hat Wimmer selbst zusammengeschweißt. Die erste Agri-PV-Anlage in einem Hopfengarten hat sich so bewährt, dass die Geschäftspartner Wimmer und Gruber ihr Modell nun massiv ausdehnen wollen. Gemeinsam haben die Partner die Firma AgrarEnergie gegründet. Innerhalb kürzester Zeit wollen sie nun die zehnfache Fläche an Hopfengärten mit PV-Anlagen ausrüsten.

Solar-Pioniere haben belastbare Zahlen

In die Entwicklung und den Aufbau der Pilot-Anlage haben Wimmer und Gruber nicht nur Zeit und Nerven, sondern auch gut eine Million Euro investiert. Weil es die erste Anlage dieser Art war, musste Landwirt Wimmer auf seinem Hof jede einzelne Gerüststange mit dem Schweißgerät nachbearbeiten. Seit September 2023 läuft die Anlage solide. Nun haben die Solar-Pioniere belastbare Zahlen: Auf einem Hektar liefert die Solaranlage neben der Hopfenernte bei einer Maximalleistung von 0,7 Megawatt im Jahresschnitt rund 840 MWh.

Die Agri-PV-Pioniere wissen: Die nun geplante Klein-Serie wird deutlich günstiger als das Pilot-Modell. Jeder weitere der geplanten 13 neuen PV-Hektar im Hopfengarten kostet "nur" noch rund eine halbe Million Euro und amortisiert sich schon nach rund neun Jahren. Eine gute Perspektive, denn eine PV-Anlage habe eine Laufzeit von mindestens 25 Jahren, so Solarunternehmer Bernhard Gruber.

Begleitstudie der Landesanstalt für Landwirtschaft: Beim Hopfen lohnt sich Agri-PV

Auch aus Sicht von Wissenschaftler und Landwirt Manuel Riedl ergibt eine PV-Anlage im Hopfen Sinn. Der Student der Landwirtschaft an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf hat über das bundesweit relevante Agri-PV-Pilot-Projekt seine Bachelorarbeit geschrieben. Ein Jahr lang hat er in Wimmers Hopfengarten zahlreiche Daten erhoben. Seit Projektbeginn hat Riedl vor Ort die Temperatur und Feuchtigkeit in der Luft und in verschiedenen Bodentiefen gemessen, dazu die Entwicklung der Pflanzen dokumentiert und im Labor die Qualität der Hopfendolden untersucht.

Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit der LfL. Nach Riedls Worten ist PV im Hopfengarten ein Erfolg: "Für den Landwirt ist es ein zusätzliches Standbein. Man hat dann zwei Einnahmequellen. Je nach Hopfensorte hat man zwar beim Hopfen Ertragseinbußen bis 20 Prozent, dafür aber zusätzlich die Stromernte." Das bestätigt auch Landwirt Wimmer: "Am Strom verdiene ich doppelt bis dreimal so viel wie am Hopfen."

Keine Qualitätseinbußen bei der Brauqualität

Genau hat Riedl untersucht, ob die Solaranlage die Brauqualität des Hopfens beeinflusst. Die kurze Antwort: Das tut sie nicht. "Das wichtigste Qualitätsmerkmal ist die Alphasäure. Und bei der Alphasäure haben wir glücklicherweise keine Einbußen gehabt."

Doch nicht jede Hopfensorte reagiert gleich auf die Schatten spendenden Solarpaneele, berichtet Wissenschaftler Riedl: "Die Sorte Hallertauer Tradition reagiert nicht so sensibel auf die Beschattung, sondern profitiert eher ein bisschen davon, dass sie weniger Sonnenbrand bekommen hat. Und das ist halt auch ein Qualitätsmerkmal. Die Sorte Herkules hat hingegen schon ein bisschen höhere Ertragseinbußen gehabt." Riedl begleitet das Agri-PV-Projekt noch weitere drei Jahre. Jetzt allerdings nicht mehr als Student, sondern als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Agri-PV-Anlage leistet Anpassung an Klimawandel

Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) erwartet, dass derartige Agri-PV-Anlagen einen Beitrag bei der Anpassung an den Klimawandel leisten werden. Die Daten der Behörde (externer Link) zeigen, dass die zunehmende Hitze die Region um den Landkreis Pfaffenhofen besonders trifft. Noch stärker vom Klimawandel betroffen ist demnach in Bayern nur Unterfranken. Bis 2050 könnten sich die Hitzetage im Vergleich zu 1985 in der Hallertau mehr als verdoppeln. Dann müsste der Hopfen an bis zu 16 Tagen Temperaturen über 30 Grad aushalten. Nach diesen Modellberechnungen der LfU wird sich in diesem Zeitraum die Niederschlagsmenge kaum verändern; allerdings gehen die Prognosen davon aus, dass es mehr Starkregenereignisse geben wird. Für den Hopfen ist das schlecht, denn die Pflanze braucht regelmäßig Wasser. Bei Starkregen läuft das Regenwasser jedoch vor allem oberirdisch ab. Da könnte die PV-Anlage im Hopfengarten weitere Vorteile bringen.

Vorteile der Beschattung: Mehr Feuchtigkeit im Boden

Dem Starkregen-Effekt kann eine Agri-PV-Anlage entgegenwirken, denn die Solarpaneele senken die Verdunstung. "Das Wasser bleibt länger auf der Fläche. Es ist in diesem Bestand länger feucht als in den anderen Beständen", hat Josef Wimmer im vergangenen Jahr beobachtet. Diese Einschätzung dokumentiert Wissenschaftler Riedl mit seinen Messdaten: "Man hat es in der Bachelorarbeit optisch gesehen, dass es in den beschatteten Bereichen deutlich feuchtere Bodenstellen gab."

Die erhöhte Bodenfeuchtigkeit unter dem Solar-Dach interessiert die Hopfenpflanzer, denn sie müssen sich zunehmend Gedanken um zusätzliche Bewässerung machen. "Dadurch, dass das Wasser unter der PV-Anlage langsamer verdunstet, könnte ich eventuell zwischen 30 und 40 Prozent Wasser sparen", hofft Landwirt Wimmer. Zwischen den Reihen der PV-Anlage ist Platz, so dass Sonne und Wasser durchkommen. Zwischen 25 und 35 Prozent der Fläche sind damit beschattet. Wie groß der Befeuchtungseffekt der Agri-PV-Anlage langfristig ist, wird Wissenschaftler Riedl in seiner Anschlussstudie in den nächsten Jahren weiterverfolgen.

Gute Ergebnisse mit Agri-PV auch bei Sonderkulturen wie Himbeeren

Mit Blick auf die hohen Kosten bei der Installation der Paneele rechnet sich Agri-PV nicht für jede Art der Landwirtschaft. Wissenschaftler Riedl sieht den Nutzen solcher Anlagen deshalb vor allem bei Sonderkulturen. "Der Hopfen braucht sowieso die Gerüstanlagen. Das gilt auch für den Anbau von Obst und Wein. Beim großflächigen Ackerbauer sind die Investitionskosten aktuell noch zu hoch." Auch mit dem Anbau von Beeren lassen sich Solaranlagen wirtschaftlich gut kombinieren. Ein Projekt der BayWa auf einer etwa drei Hektar großen Himbeerplantage zeigt laut dem Unternehmen gute Ergebnisse. Hier sorgen die Solarmodule für ein günstiges Klima mit niedrigeren Temperaturen und schützen gleichzeitig die Himbeeren vor Witterungseinflüssen. Auch hier führt die Stromernte zu einem zusätzlichem Einkommen.

Viele Interessenten für weitere Agri-PV-Anlagen

Doppelt so viel Einkommen aus Strom wie aus Hopfen, dazu noch eine verbesserte Bodenfeuchtigkeit: Diese neuen Möglichkeiten interessieren viele Hopfenbauern in der Hallertau. Immer mehr von ihnen überlegen, ob Agri-PV auch für sie eine Option sein könnte. Mittlerweile hat Solarunternehmer Bernhard Gruber "Interessenten für weitere 80 Hektar Agri-PV im Hopfen".

Das ist zwar nur ein Bruchteil der insgesamt über 17.000 Hektar Hopfengärten. Doch schon für diese Zahl der Interessenten, so Gruber, "reicht die Netzkapazität in der Hallertau nicht aus. Kurz: So viel Solarstrom kann das Netz im Augenblick nicht aufnehmen. Bis sich das ändert, vergehen Jahre."

Limitierender Faktor: beschränkte Netzkapazität in der Hallertau

Den Standort für ihre Pilotanlage hatten Wimmer und Gruber ganz bewusst gewählt. Dieser Hopfengarten liegt direkt neben Wimmers Hof an einem Netzverknüpfungspunkt. "Da mussten wir nur wenige Meter bis zur Straße: eine kurze Leitung, kaum Kosten."

Für die Erweiterung der Anlage braucht es eine andere Einspeisemöglichkeit. Die liegt sieben Kilometer entfernt in Au; hier müssen die Betreiber der Agri-PV-Anlage auf eigene Kosten eine lange Leitung legen lassen; das kostet rund 400.000 Euro.

Noch schwieriger, teuer und langwieriger wird es, wenn nach der laufenden 13 Hektar-Erweiterung weitere Agri-PV-Projekte folgen sollen. Dann liegt der nächste Netzverknüpfungspunkt wohl rund 30 Kilometer entfernt, schätzt Solarunternehmer Bernhard Gruber und "das Netz ist eigentlich schon jetzt überlastet".

Wirtschaftsministerium bestätigt: Zu wenig Netzkapazität

Die Netzkapazität ist der "beschränkende Faktor". Das bestätigt auch das Wirtschaftsministerium (externer Link). Die Behörde konstatiert, "dass im Zuge des starken Ausbaus von Erneuerbare-Energien-Anlagen (EEA) die Verteilnetzbetreiber vor großen Herausforderungen stehen. Die Verteilnetze auf Hoch-, Mittel- und Niederspannungsebene sind in erheblichem Maße auszubauen, um die erneuerbaren Energien netztechnisch einzubinden und den geänderten Anforderungen im Zuge der Energiewende gerecht zu werden." Wie das Wirtschaftsministerium weiter anmerkt, brauche es auch noch "eine Vielzahl an neuen Umspannwerken als Bindeglied zwischen den Netzebenen".

Netzausbau vielfach noch in der Planungsphase

Bis die Netzstruktur in der Hallertau deutlich mehr Hopfen-Strom aufnehmen kann, wird es noch Jahre dauern. Denn die meisten Netz-Projekte stecken erst noch in der Planungsphase. Das Wirtschaftsministerium beschreibt das wie folgt: "Für die Region Hallertau befinden sich in der Hochspannungsebene einige Vorhaben in konkreter Planung oder sind vorgesehen. Ebenso befindet sich bereits ein Umspannwerk zwischen der Hoch- und Mittelspannung in Bau, weitere Umspannwerke werden konkret geplant oder sind vorgesehen." Dennoch wertet die Behörde diesen Zwischenstand positiv. "Die Vielzahl an Maßnahmen zeigt, dass der Netzbetreiber von einem Anhalten des starken EEA-Ausbaus ausgeht und die infrastrukturellen Grundlagen schaffen möchte, um möglichst viele Anlagen anschließen zu können."

Bayernwerk will aufrüsten, aber Ausbaupläne noch recht vage

Wie viel Solar-Strom in der Hallertau in das Netz eingespeist werden kann und wo es dort noch im Detail an Netzstruktur fehlt, kann das Wirtschaftsministerium nicht sagen. Es verweist hier an den "zuständigen Netzbetreiber". In der Hallertau ist das zu großen Teilen die Bayernwerk Netz GmbH (externer Link). Doch Bayernwerk hält sich bedeckt.

Ob und wie schnell sich dieser bremsende Engpass "Netzkapazität" beheben lässt, dazu äußert sich das Bayernwerk nicht. Der Netzbetreiber macht trotz mehrfacher Anfrage keine schriftlichen Angaben über die freien Netzkapazitäten und die aktuellen Grenzen der Netzkapazität.

Auch Zielvorgaben aus dem Wirtschaftsministerium gibt es nicht. Die Behörde gibt kein konkretes Ziel vor, wie viel die Landwirtschaft per Agri-PV zum Solar-Strom-Ziel des Freistaats beitragen soll: "Die bayerische Staatsregierung hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, die jährliche Solarstromerzeugung bis 2030 auf 40 TWh zu steigern. Für die Agri-PV gibt es kein spezifisches Ausbauziel."

Hohe Kosten: Solarunternehmer müssen Leitung bis zum Netzverknüpfungspunkt selbst zahlen

Für die Landwirte und Stromunternehmer, die in der Hallertau über einen Einstieg in das Hopfen-Strom-Business nachdenken, sind derartige Angaben sehr vage. Sie wünschen sich Planungssicherheit und belastbare zeitliche Rahmenbedingungen. Das Bayernwerk als Netzbetreiber dagegen verweist darauf, dass zuerst die potenziellen Betreiber einer Solar-Anlage aktiv werden müssen, wenn sie für ein konkretes Agri-PV-Projekt einen Netzanschluss wünschen: "Das Bayernwerk wird erst aktiv, wenn ein konkreter Antrag vom Anlagenbauer vorliegt." Erst dann würde geprüft, wo sich der nächstmögliche Verknüpfungspunkt findet. Der entscheidende Faktor ist die Höhe der Kosten, so ein Bayernwerk-Sprecher am Telefon. "Eine Netzverknüpfung bekommt jeder. Die Frage ist nur, ob es wirtschaftlich ist und wie weit der Weg ist. In der Regel zahlt der Anlagenbauer den Weg zur Netzverknüpfung."

So ist es auch beim nächsten Agri-PV-Projekt, das Landwirt Josef Wimmer und sein Unternehmenspartner Bernhard Gruber derzeit anpacken. Anders als bei ihrem Pilotprojekt liegt der Netzverknüpfungspunkt diesmal nicht so günstig gleich neben dem Hopfengarten an der Straße. Für ihr zweites Projekt, die aktuell geplanten 12 weiteren Hektar Agri-PV im Hopfen, müssen die Unternehmer auf eigene Kosten eine sieben Kilometer lange Leitung legen lassen - bis nach Au in der Hallertau. Das kostet sie rund 400.000 Euro.

Idee: Hopfen-Strom auch vor Ort in der Hallertau nutzen

Um möglichst viel Hopfen-Strom in der Hallertau selbst zu verbrauchen, tüfteln die Unternehmenspartner Wimmer und Gruber schon an einer weiteren Geschäftsidee: Sie denken dabei an eine energieintensivste Phase im Hopfenanbau, die ausgerechnet in den sonnenreichen August und September fällt. Nach der Ernte trocknen die Hopfenpflanzer auf ihren Höfen ihren Hopfen bis sechs Stunden lang bei 70 Grad in der sogenannten Hopfendarre.

Josef Wimmer weiß, wie energie- und damit auch kostenintensiv das ist. Um die Ernte aus einem Hektar Hopfengarten zu trocknen, braucht der Landwirt aktuell tausend Liter Heizöl. Das entspricht 8.500 KWh Strom pro Hektar, wenn hier die Wärmeerzeugung statt mit Öl durch Strom erfolgen soll. Allein mit dem Strom aus der Pilotanlage auf 1,3 Hektar ließe sich die Hopfenernte von 100 Hektar darren. Nutzt man bei der Darre zusätzlich Systeme zur Wärmerückgewinnung, könnte der Energieverbrauch noch deutlich sinken, so Energieexperte Gruber.

Bislang ist diese Hopfenstrom-Nutzung vor Ort allerdings noch Zukunftsmusik. Noch sind ungezählte Fragen offen, zum Beispiel wie sich der Solarstrom wirtschaftlich nahe beim Hopfengarten speichern ließe.

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