Szene in einer Schulklasse (Symbolbild)
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Weniger Teilzeit bei Bayerns Lehrkräften: Was würde das bringen?

Strengere Teilzeitregeln für Lehrkräfte: Diese Idee von Bayerns Ministerpräsident Söder stößt auf Kritik – auch das Kultusministerium reagiert auf BR24-Anfrage sehr zurückhaltend. Wie viel würde das Aufstocken gegen den Lehrkräftemangel helfen?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Wer in Bayern als Lehrerin oder Lehrer arbeitet, kann das in vielen Fällen problemlos in Teilzeit tun. Fast die Hälfte der Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen macht davon im Freistaat Gebrauch: Im vergangenen Schuljahr waren es rund 45 Prozent, Tendenz im Vergleich zum Jahr davor steigend. Insgesamt sind deutlich mehr Lehrerinnen in Teilzeit als Lehrer.

Lehrkräfte in Teilzeit: Was Söders Ideen bringen würden

Viele Lehrkräfte wären also betroffen vom jüngsten Vorstoß des bayerischen Ministerpräsidenten. Als Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel ruft Markus Söder schon länger diskutierte Ideen in Erinnerung, um die Teilzeitquote zu reduzieren: 1. Die Familienarbeitszeit ans Alter der Kinder knüpfen. 2. Beamte nicht gleich zu Beginn ihrer Dienstzeit in Teilzeit gehen lassen, sondern erst "eine gewisse Zeit in Vollzeit" vorschreiben. 3. Eine Höchstdauer von Teilzeitjahren festlegen.

Wie viel würde das wirklich bringen, um den Lehrkräftemangel in Bayern zumindest abzumildern? Konkrete Rechnungen dazu teilt das bayerische Kultusministerium auf BR24-Anfrage nicht mit. "Um den Lehrkräftebedarf nicht nur kurzfristig decken zu können, verfolgen wir eine ganzheitliche Strategie mit vielen Einzelmaßnahmen", erklärt eine Ministeriumssprecherin. "Die Simulationen nur auf eine pauschale Erhöhung des Teilzeitmaßes zu beschränken, halten wir für zu kurz gedacht, da viele Parameter hier nicht beeinflussbar sind."

War Söders Vorstoß mit dem Ministerium abgesprochen?

Entschieden ist noch nichts. Söder selbst wägt seine Worte mit Bedacht, spricht von Freiwilligkeit statt Zwang, von der Einladung zu einem "Diskussionsprozess". Konkrete Zahlen, welche durchschnittliche Aufstockung wie viel gegen den Lehrkräftemangel helfen würde, nennt er bisher nicht.

Von verschiedenen Seiten ist zu hören, dass sein Teilzeit-Vorstoß nicht mit dem Kultusministerium abgesprochen war. Das Kultusministerium beantwortet die entsprechende Nachfrage wie folgt: Natürlich werde innerhalb der Staatsregierung "auch über mögliche Erhöhungen der Teilzeitquoten im Lehramt" gesprochen. "Der Ansatz der Kultusministerin Anna Stolz ist es dabei jedoch stets, mit allen Beteiligten in den Dialog zu treten und vor allem Anreize für eine freiwillige Erhöhung des Teilzeitmaßes zu setzen."

Auch eine kleine Spitze gegen den Ministerpräsidenten enthält die Antwort der Ministeriumssprecherin: "Aktuell hat der Ministerpräsident genau das angekündigt: über diese Fragen in einem 'Dialogprozess' sprechen zu wollen. Kultusministerin Stolz hat diesen Dialogprozess längst angestoßen und befindet sich mit sämtlichen Akteuren schon im intensiven Austausch."

BLLV drängt auf "Vereinbarkeit von Familie und Beruf"

Klar ist: Söders Anregungen ernten bisher viel Kritik, besonders von den Lehrerverbänden. Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), legt an diesem Dienstag nochmal nach: "Teilzeit ist für viele Lehrerinnen das Versprechen von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf", betont sie. Wenn eine Frau mit drei eigenen Kindern und einem zu pflegenden Opa höre, dass sie längerfristig nicht mit ihrer Teilzeit-Stundenzahl arbeiten könne, führt das laut Fleischmann zu großen Problemen: "Dann wird es einige Frauen geben – und solche Familien haben wir hier in Bayern – die sagen: 'Dann komme ich gar nicht.'"

Klar ist: Wenn das so käme, blieben nach einer verschärften Teilzeitregelung womöglich in Summe weniger Unterrichtsstunden übrig als davor. Der BLLV weist zudem darauf hin, dass nicht an allen Schulen zu wenig Lehrkräfte seien. Statt einer pauschalen Verschärfung für alle, müsse man individuell pro Schule schauen, welche Teilzeitmodelle für alle Beteiligten sinnvoll seien - also für Lehrkraft und Schulleitung. "Der Rektor, die Rektorin an der Schule wissen doch oft viel besser, welche Lehrkraft mehr arbeiten kann", sagt Fleischmann.

Lehrkräfte: Warum oft nicht in Vollzeit?

Eigene Kinder, zu pflegende Angehörige, andere familiäre Verpflichtungen, ein Ehrenamt – das ist nur ein Teil der Gründe, warum viele Lehrkräfte in Teilzeit arbeiten. Auch Stress und der Schutz vor Überlastung im oft anstrengenden Schulalltag spielen laut BLLV eine Rolle.

Darauf weist auch der Bayerische Philologenverband hin, der die Interessen von Gymnasial- und Hochschullehrern vertritt. Laut dem Verbandsvorsitzenden Michael Schwägerl würden viele Teilzeit-Lehrkräfte mehr unterrichten, wenn die Arbeitsumstände das zuließen. Allerdings hätten die Aufgaben neben dem Unterrichten dermaßen zugenommen, "dass für nicht wenige Teilzeit ein Selbstschutz vor Überlastung ist". Schwägerl fordert deshalb eine massive Entlastung: "Bürokratie abbauen, Unterstützungskräfte einstellen und ein Stopp bei neuen Konzepten, Vorhaben und Projekten".

Und dann gibt es sicher auch Lehrkräfte, die gerne etwas weniger verdienen und dafür mehr Zeit für ihr Privatleben haben. Ministerpräsident Söder sieht das kritisch: "Der Trend geht zu immer weniger Arbeit, mehr Teilzeit und Work-Life-Balance. Ob damit unser Wohlstand zu erhalten ist, wage ich zu bezweifeln."

Lehrerverbände: Beruf würde unattraktiver

Die Lehrerverbände haben noch einen Kritikpunkt, der gegen strengere Teilzeitregeln spricht. Denn selbst wenn weniger Teilzeit kurzfristig gegen den Lehrkräftemangel helfen würde: Langfristig würde der Beruf deutlich unattraktiver, für alle jungen Menschen und besonders für junge Frauen mit Kinderwunsch. Und schon jetzt ist es nicht einfach, genug junge Menschen zu motivieren, Lehrerin oder Lehrer zu werden.

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