Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Schnitzer beim BR-Sonntagsstammtisch.
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Man habe Investitionen in neue Technologien "erst verschlafen und jetzt werden wir ausgebremst", so die Wirtschaftsweise Schnitzer.

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Wirtschaftsweise: Deutschland ist "der alternde Mann Europas"

Deutschlands Wirtschaft schwächelt im Vergleich zu anderen Industrienationen. Am Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen erklärt die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, was man dagegen tun könnte.

Über dieses Thema berichtet: Der Sonntags-Stammtisch am .

Ob Deutschland der kranke Mann Europas sei, das fragte im vergangenen Herbst das britische Magazin "The Economist". Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte "Nein" entgegnet – die deutsche Wirtschaft sei lediglich "außer Form" geraten. Die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer sagte im BR Sonntags-Stammtisch: "Sind wir jetzt der kranke Mann Europas? Nein, wir sind der alternde Mann Europas."

Schnitzer: Wirtschaft zukunftsfähig aufstellen

Die Bevölkerung wird älter – das werde zum Problem in der Rente. Aber auch Maschinen und die Unternehmensstrukturen altern, sagte Schnitzer. Wichtig wäre es, die Wirtschaft stattdessen zukunftsfähig aufzustellen, etwa im Bereich Elektromobilität. "Aber da werden wir rechts und links von Tesla und China überholt", so Schnitzer. Man habe Investitionen in neue Technologien "erst verschlafen und jetzt werden wir ausgebremst".

Dass in Ostdeutschland mithilfe von staatlichen Geldern nun Computerchip-Fabriken gebaut werden, findet sie längst überfällig – auch wenn es dafür allein zehn Milliarden Euro an Steuergeldern braucht: Schließlich habe man auch "jahrzehntelang den Bergbau unterstützt, wo wir wussten, das spielt in Zukunft keine Rolle mehr", sagte die Wirtschaftsweise am Stammtisch.

"Politiker denken nur an die nächste Wahlperiode"

Die Frage, die man sich jetzt stellen müsste, sei: "Wo wollen wir in 20 Jahren stehen, womit wollen wir da unser Geld verdienen?" Doch dieses langfristige Denken vermisse sie in der Politik, wo oft "nur an die nächste Wahlperiode" gedacht wird, so Schnitzer.

Dieses Problem betreffe auch die Raumfahrt, sagte die Astrophysikerin Suzanna Randall, die ebenfalls am Sonntags-Stammtisch zu Gast war. Auch hier fehlten Investitionen – sie selbst etwa will hauptsächlich mithilfe privater Gelder die erste deutsche Astronautin auf der Raumstation ISS werden.

Bei ihrem Vorhaben würde sie sich mehr Unterstützung von politischer Seite wünschen. Sie warf der Politik mangelnde Risikobereitschaft vor. Deutschland sei nicht so innovativ und mutig wie China oder die USA. "Dieses 'Wir wollen den Status Quo auf alle Fälle erhalten', das bremst uns auf alle Fälle aus", sagte Randall.

Lieferkettengesetz: Deutschland "blamiert sich"

Im weiteren Verlauf der Sendung kritisierte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer, dass die FDP ihr Veto gegen das EU-Lieferkettengesetz eingelegt hat. Die Liberalen nämlich hatten kurz vor der anstehenden Abstimmung im Rat der EU-Mitgliedsstaaten in dieser Woche eine als sicher angenommene Zustimmung wieder zurückgezogen. Die Abstimmung war daher kurzfristig verschoben worden.

"Ich ärgere mich, dass, wenn es in der EU um lange verhandelte Themen geht, Deutschland sich sperrt, weil eine Partei, die FDP, blockiert", so Schnitzer. Dabei bezog sich die Wirtschaftsweise auch auf andere als vermeintlich beschlossen angesehene Vorhaben, etwa die Verschärfung des Sexualstrafrechtes auf EU-Ebene. "Deutschland blamiert sich, indem es ständig Sachen blockiert, über die man vorher mitverhandelt hat und dann sagt, nein", so Schnitzer.

Für die deutsche Wirtschaft sei das jetzt "ein echtes Problem": In Deutschland gilt ein nationales Lieferkettengesetz bereits seit 2023, nun hätte es auf die gesamte EU ausgedehnt werden sollen. Nach dem Nein der FDP und der verschobenen Abstimmung im Rat der EU-Mitgliedsstaaten muss Deutschland den bürokratischen Mehraufwand aufgrund des Gesetzes weiterhin allein stemmen.

Das nationale Gesetz verpflichtet Unternehmen, ihre Lieferketten auf die Einhaltung von Standards zu Menschenrechten und Umweltverträglichkeit zu prüfen.

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