Ein Landwirt fährt abends mit einer Pestizid- und Düngerspritze über ein Feld
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Patrick Pleul

Einsatz von Pestiziden künftig EU-weit beschränkt?

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Sind bald deutlich weniger Pestizide in der EU erlaubt?

Dürfen Landwirte in der EU bald nur noch deutlich weniger Pestizide spritzen als bislang? Über diese umstrittene Frage stimmt das EU-Parlament ab. Worum es dabei genau geht – und wie Landwirte und Umweltschützer dazu stehen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Für die einen bedeutet es einen großen Einschnitt – für die anderen einen wichtigen Beitrag zu mehr Artenvielfalt und Biodiversität. An diesem Dienstag debattiert das EU-Parlament über Maßnahmen, die den Einsatz von Pestiziden enorm reduzieren sollen. Am morgigen Mittwoch soll abgestimmt werden. Während die EU-Kommission also erst vor wenigen Tagen angekündigt hat, den umstrittenen Wirkstoff Glyphosat unter Einschränkungen für weitere zehn Jahre zur Unkrautvernichtung zuzulassen, soll nun im Parlament darüber abgestimmt werden, den Einsatz von Pestiziden generell zu reduzieren.

Konkret geht es um einen Vorschlag der EU-Kommission, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel bis 2030 zu halbieren. Besonders drastische Einschnitte schlägt der Bericht in sensiblen Gebieten wie Naturschutzgebieten vor. Hier sollen Pestizide komplett verboten werden.

Umweltschützer begrüßen die geplanten Maßnahmen

Vonseiten bayerischer Umweltverbände gibt es Zuspruch zu den geplanten Maßnahmen. Norbert Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV Bayern) betont: Ein Verbot von Pestiziden in hochwertigen Schutzgebieten solle selbstverständlich sein, denn sie dienen schließlich dem Schutz der Natur. Er appelliert daher an die bayerische Staatsregierung: "Der CSU-Vorsitzende Markus Söder sollte seinen Parteikollegen Manfred Weber, der in Brüssel Partei- und Fraktionsvorsitzender der EVP im Europaparlament ist, auf Linie bringen."

Die bayerische Staatsregierung unter Söder hatte sich im Zuge des Volksbegehrens "Rettet die Bienen" das Ziel gesetzt, den Pestizid-Einsatz in Bayern bis 2028 zu halbieren. Solange Weber dieses Ziel auf europäischer Ebene bekämpfe, sei das widersprüchlich, sagt Schäffer.

Kritische Stimmen aus der Landwirtschaft

Kritisch äußern sich hingegen Vertreter der Landwirtschaft. So warnt der Verein "Landwirtschaft verbindet Bayern" vor einem Verbot von Pestiziden in Schutzgebieten. Hier würden Existenzen bedroht. Und auch der Bayerische Bauernverband kritisiert die geplanten Maßnahmen. Die Vorschläge würden die Erntemengen und die Qualität der Lebensmittel gefährden, sagt Bauernpräsident Günther Felßner. "Solange den Bäuerinnen und Bauern keine praxistauglichen Alternativen zur Verfügung stehen, darf es keine pauschalen Reduktionsziele beim Pflanzenschutz geben. Ansonsten werden Importe aus anderen Teilen der Erde, wo zu deutlich niedrigeren Standards produziert wird, die regionalen Erzeugnisse ersetzen."

Dem wiederum widerspricht der LBV Bayern. In der Ökolandwirtschaft könne auch ohne den Einsatz chemischer Pestizide eine hohe Qualität an Lebensmitteln erzeugt werden. Außerdem sagt Matthias Luy, Landwirtschaftsreferent des LBV: "Wenn Produktionsmengen durch weniger Pestizid-Einsatz zurückgehen, kann dies durch eine stärker pflanzenbetonte Ernährung und durch die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung kompensiert werden. Die Ernährungssicherheit ist dadurch nicht gefährdet."

Pestizid-Einsatz: Kritik an Ausgestaltung

Kritik gibt es allerdings auch noch an der Ausgestaltung der geplanten Maßnahmen. Ob der Pestizid-Einsatz bis 2030 wirklich halbiert wird, soll über die Verkaufsmenge der Mittel überprüft werden. Das kritisiert das Umweltbundesamt. Dieser Indikator sei wenig sinnvoll, da wirksamere und damit giftigere Pestizide in geringeren Mengen wirken und verkauft werden. Wirkstoffe natürlichen Ursprungs wiederum müssten in größeren Mengen eingesetzt werden, um zu wirken.

Ziel: Artenvielfalt erhalten

Die geplanten Maßnahmen gelten als wichtiges Instrument, um die Ziele des "Green Deals" zu erreichen – also die europäische Landwirtschaft naturverträglicher zu gestalten. Studien zufolge gefährden Pestizide die Artenvielfalt, wenn sie beispielsweise über Abschwemmungen in Gewässer gelangen.

Ob die Maßnahmen wirklich kommen, entscheidet nicht nur das EU-Parlament. Nach dem Parlament müssen auch die EU-Mitgliedsstaaten über ihre Position abstimmen, bevor dann die Verhandlungen zwischen Kommission, Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament beginnen.

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