Angehörige von durch die Hamas verschleppten israelischen Geiseln haben das Parlament gestürmt
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Angehörige von durch die Hamas verschleppten israelischen Geiseln haben das Parlament gestürmt (Standbild).

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Geisel-Angehörige stürmen Parlamentssitzung in Israel

Angehörige von Hamas-Geiseln haben das israelische Parlament gestürmt. Sie verlangten dort, die Regierung müsse mehr tun, um eine Freilassung der Verschleppten zu erreichen. Premier Netanjahu betont, es gebe kein "wirkliches" Angebot der Hamas.

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Dutzende Familienangehörige von in den Gazastreifen verschleppten Israelis haben eine Sitzung des Finanzausschusses im israelischen Parlament gestürmt. Sie riefen den Abgeordneten zu: "Ihr werdet hier nicht sitzen, während sie dort sterben!" Die Regierung müsse mehr tun als bisher, um die Geiseln nach Hause zu holen.

Mehr als 130 Menschen noch in Geiselhaft

Bei ihrem großangelegten Terrorangriff auf den Süden Israels am 7. Oktober hatten Kämpfer der militant-islamistischen Hamas und andere Extremisten etwa 1.200 Menschen ermordet und 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Etwas weniger als die Hälfte von ihnen kam während einer Feuerpause im November im Rahmen einer Vereinbarung frei, 132 Menschen befinden sich nach israelischen Angaben aber immer noch als Geiseln in der Gewalt der Hamas und weiterer Organisationen, 28 von ihnen sollen inzwischen tot sein.

"Wir lieben unsere Kinder mehr als wir die Hamas hassen"

Die Angehörigen der Verschleppten haben ihre Proteste in den vergangenen Tagen intensiviert. Am Sonntagabend hatten viele von ihnen bereits ein Protestzelt in Jerusalem errichtet und angekündigt, dort zu bleiben, bis die Regierung "einem Abkommen zur Rückgabe der Geiseln zustimmt".

"Wir rufen unsere Regierung auf, ihrer Rolle gerecht zu werden und ein Abkommen vorzuschlagen", forderte John Polin, einer der Demonstranten, in der Nacht zu Montag vor dem Amtssitz des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Polins Sohn Hersh Goldberg-Polin war am 7. Oktober bei dem Hamas-Überfall auf das Nova-Musikfestival schwer verletzt und entführt worden.

Viele der Protest-Teilnehmer forderten ein Ende der Kämpfe im Gazastreifen. Bei der Zelt-Aktion gab es Plakate und Schilder, auf denen laut der "Times of Israel" zu lesen war: "Wir lieben unsere Kinder mehr als wir die Hamas hassen."

Netanjahu: "Es gibt keinen wirklichen Vorschlag der Hamas"

Netanjahu trat daraufhin Spekulationen entgegen, es gebe ein Angebot der Hamas zu einer Freilassung weiterer Geiseln. "Es gibt keinen wirklichen Vorschlag der Hamas. Das ist nicht wahr", teilte Netanjahu laut einer Erklärung seines Büros Vertretern von Angehörigen der Geiseln mit. "Ich sage das so deutlich wie möglich, weil es so viele falsche Aussagen gibt, die Sie sicherlich quälen", fügte er hinzu.

Allerdings gebe es eine Initiative von israelischer Seite, auf die er jedoch nicht näher eingehen wolle. Am Sonntag hatte Netanjahu die Bedingungen der militant-islamistischen Palästinenser-Organisation für eine Freilassung der Geiseln abgelehnt. Die Forderung der Hamas nach einem Kriegsende, dem Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem Gazastreifen und der Freilassung gefangener Palästinenser sei nicht akzeptabel.

Regierungssprecher: Bedingungen der Hamas sind "lächerlich"

Ein israelischer Regierungssprecher bekräftigte ebenfalls die Ablehnung einer Vereinbarung über die Freilassung von Geiseln zu Bedingungen der Hamas. Die Terrororganisation habe "lächerliche" Forderungen wie einen vollständigen Abzug der Armee aus dem Gazastreifen und die Freilassung von "Vergewaltigern und Mördern" verlangt, die beim Überfall auf Israel am 7. Oktober Gräueltaten verübt hätten, sagte Sprecher Avi Hyman.

"Und als ob das noch nicht genug wäre, wurde uns gesagt, dass wir auch einen palästinensischen Staat etablieren müssten", fügte Hyman hinzu. Dies käme einer Kapitulation vor der Hamas, getarnt als "Friedensabkommen" gleich, sagte er. Für Israel sei es unumgänglich, "einen vollständigen Sieg" zu erringen und die Hamas zu zerstören, betonte der Sprecher. Er bekräftigte, nur militärischer Druck werde zum Erfolg führen - ebenso wie bei der Waffenruhe im November. Nur mit militärischem Druck habe Israel damals die Hamas "in die Knie gezwungen".

Internationale Vermittlungsbemühungen laufen

Auch international wächst jedoch der Druck auf Netanjahu, einem neuen Abkommen mit der Hamas zuzustimmen. Medien zufolge drängen derzeit die USA, Ägypten und Katar Israel und die Hamas zu einem Verhandlungsprozess, der zur Freilassung von Geiseln und dem Rückzug der israelischen Armee aus Gaza führen soll.

Laut einem Bericht der US-Zeitung "Wall Street Journal" vom Sonntag laufen Verhandlungen der Vermittler-Staaten mit Israel und der Hamas auf Hochtouren, um beide Seiten zu einer entsprechenden Einigung zu bewegen.

Die "New York Times" meldete unter Berufung auf US-Beamte, dass der US-Koordinator für den Nahen Osten, Brett McGurk, am Montag in Kairo mit hochrangigen Vertretern zusammentreffen und anschließend nach Katar weiterreisen werde, um mit Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani über Wege zu einem neuen Abkommen zu beraten.

Mit Informationen von AFP, dpa und AP

Im Audio: Angehörige demonstrieren, Diplomaten machen Druck

Geisel-Angehörige demonstrierten vordem Amtssitz von Premier Netanjahu
Bildrechte: pa/dpa/ Ilia Yefimovich
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Demonstration von Geisel-Angehörigen

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