Das Beben hatte eine Stärke von 6,9. Die meisten Opfer werden laut Behörden aus der Stadt Marrakesch gemeldet. Das Epizentrum lag etwa 70 Kilometer entfernt im Atlas Gebirge. Es liegt auf der Grenze zwischen zwei Erdplatten und ist daher für Erdbeben anfällig.
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Das Beben hatte eine Stärke von 6,9. Die meisten Opfer werden laut Behörden aus der Stadt Marrakesch gemeldet.

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Erdbeben in Marokko: Zahl der Toten steigt auf über 1.300

In Marokko hat sich ein schweres Erdbeben ereignet. Behörden berichten von über 1.300 Toten und noch mehr Verletzten. Das Erdbeben ist laut Experten das stärkste seit einem Jahrhundert. Die Deutsche Botschaft richtete eine Notrufnummer ein.

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Bei einem schweren Erdbeben in Marokko sind nach bisherigem Stand der Behörden mindestens 1.305 Menschen ums Leben gekommen, 1.832 wurden verletzt. Das teilte die marokkanische Regierung am Samstag mit.

Ein Großteil der Toten wurde aus den Provinzen Al Haouz und Taroudant gemeldet. Weitere Opfer gab es laut dem Innenministerium in den Provinzen Ouarzazate, Chichaoua, Azilal und Youssoufia sowie in Marrakesch, Agadir und in der Region Casablanca.

Dreitägige Staatstrauer ausgerufen

Vor diesem Hintergrund hat das nordafrikanische Land eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Wie der Königspalast am Samstag mitteilte, sollen während dieser Zeit die Fahnen an öffentlichen Gebäuden auf halbmast gesetzt werden. Laut der Erklärung, die von der staatlichen Nachrichtenagentur MAP verbreitet wurde, hatte König Mohammed VI. zuvor eine Krisensitzung geleitet.

Zahlreiche Bergdörfer nicht erreichbar

Die Opferzahl dürfte noch weiter steigen, wenn Helfer abgelegenere Gegenden erreichen. Örtliche Medien berichteten, dass Zufahrtsstraßen in betroffene Bergdörfer durch herabgestürzte Felsen versperrt und vielerorts Staus das Durchkommen für die Einsatzkräfte erschwerten.

Erdbeben kam am späten Abend

Die US-Erdbebenwarte USGS teilte mit, das Beben habe eine Stärke von 6,8 gehabt und sich in einer Tiefe von 18,5 Kilometern gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch und 60 Kilometer nordöstlich der Stadt Taroudant ereignet. Das Epizentrum habe im Atlasgebirge gelegen. Das Geophon des Helmholtz-Zentrums Potsdam gab die Stärke des Bebens mit 6,9 an. Kurze Zeit später meldete die US-Behörde ein Nachbeben der Stärke 4,9. Das Beben ereignete sich am späten Abend gegen 23 Uhr (Ortszeit).

Unesco-Weltkulturerbe in Marrakesch beschädigt

Marokkanische Medien berichteten, dass die berühmte Koutoubia-Moschee in Marrakesch beschädigt worden sei. Die Moschee stammt aus dem 12. Jahrhundert. Wie schwer sie beschädigt wurde, blieb aber unklar. Marokkaner posteten im Internet auch Videos von Schäden an der roten Mauer rund um die Stadt - ein Unesco-Weltkulturerbe.

Der Regionalleiter des marokkanischen Kulturministeriums, Hassan Hernan, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag, dass die Gebäude der Medina von Marrakesch teilweise beschädigt worden seien. Einige der historischen Gebäude wiesen Risse auf. "Das Bild wird erst in 48 Stunden vollständig sein, aber sicher ist, dass der Schaden an wichtigen historischen Stätten in der Altstadt bisher gering ist", sagte Hernan.

Die Medina - die Altstadt -, die für ihre engen Gassen und vielen Händler bekannt ist, ist normalerweise ein beliebtes Ziel von Touristen. Nach dem Beben soll sie voller Trümmer gewesen sein. Aufnahmen im marokkanischen Fernsehen zeigten außerdem große Risse und eingestürzte Teile in einem Abschnitt der mittelalterlichen Stadtmauer. Hernan zufolge arbeiten das Kulturministerium und die örtlichen Behörden daran, eine umfassende Bewertung der Schäden an allen Häusern und Denkmälern in der Stadt vorzunehmen.

Panik in mehreren Städten

Nach Augenzeugenberichten war zudem unter den Bewohnern von Marrakesch, Agadir und anderen Städten Panik ausgebrochen. Wie die Zeitung "Le Matin" berichtete, war das Beben auch in Rabat und Casablanca zu spüren.

Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, bestätigte, dass die Nachbeben weniger stark seien. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte er der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei.

Organisationen bereiten sich auf möglichen Einsatz in Marokko vor

Das Technische Hilfswerk (THW) bereitet sich derweil darauf vor, möglicherweise in dem Katastrophengebiet Hilfe zu leisten. "Wir beobachten die Lage und bereiten uns gerade auf einen möglichen Einsatz vor", sagte ein THW-Sprecher. Es liege aber noch kein Hilfegesuch aus dem nordafrikanischen Land vor.

Das Gesuch müsste demnach an die EU oder direkt an Deutschland gerichtet werden. Mit welchen Einsatzkräften und Geräten das THW in dem Fall ausrückt, ist den Angaben zufolge davon abhängig, was konkret aus Marokko angefordert wird. Neben Bergungsteams sind etwa Wasseraufbereitungsanlagen denkbar. Ähnlich äußerte sich auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser: "Sobald wir mehr Informationen haben, welche Hilfe konkret benötigt wird, können wir unsere Spezialisten nach Marokko entsenden."

Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen nahmen nach eigenen Angaben Kontakt zu den marokkanischen Behörden auf, um Teams in das Katastrophengebiet zu entsenden. "Feststeht, die Menschen in den Katastrophenregionen brauchen nun dringend humanitäre Hilfe", sagte Christian Reuter, Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes (DRK).

Bayerisches Rotes Kreuz hält sich bereit

Auch das Bayerische Rote Kreuz (BRK) hält sich bereit, um im Bedarfsfall schnell nach Marokko entsendet zu werden. "Hilfeleistungen im internationalen Kontext müssen immer gut koordiniert sein. Das BRK wird daher nicht eigenständig aktiv, sondern als Mitgliedsverband des Deutschen Roten Kreuzes im Bedarfsfall zur Hilfeleistung entsendet", teilte BRK-Sprecher Sohrab Taheri-Sohi mit. Das BRK stehe in engem Austausch mit den zuständigen Stellen im Generalsekretariat. "Bei Bedarf können wir sehr kurzfristig und effizient Hilfe leisten", so der BRK-Sprecher.

Das Bayerische Rote Kreuz hält spezielle Einheiten bereit, die für den Einsatz in Erdbebengebieten ausgebildet sind. Hierzu gehören beispielsweise Rettungshunde der BRK-Bereitschaften, die für die Trümmersuche spezialisiert sind und zusammen mit ihren Rettungshundeführern ein intensives Ausbildungs- und Trainingsprogramm durchlaufen haben.

Notrufnummer der deutschen Botschaft

Die deutsche Botschaft hat inzwischen in der Hauptstadt Rabat einen Krisenstab eingerichtet. "Unsere wichtigste Aufgabe ist es nun, dafür zu sorgen, dass Verletzte und Opfer schnellstmöglich betreut werden", hieß es am Samstag auf der Internetseite der Botschaft. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte, es sei eine Notfallnummer eingerichtet worden. Unter der können sich ihren Angaben zufolge betroffene Deutsche melden. Sie würden konsularisch unterstützt. Das Auswärtige Amt stehe zur Lage nach der Naturkatastrophe mit Hunderten Toten in engem Austausch mit den örtlichen Behörden.

Weiter hieß es am Samstagnachmittag, dass noch geprüft werde, ob sich Deutsche unter den Opfern befänden. Derzeit lägen jedoch keine Kenntnisse darüber vor. Die Lage in dem Erdbebengebiet in dem nordafrikanischen Land sei aber in Teilen noch sehr unübersichtlich. Man stehe in Kontakt mit den lokalen Behörden und Reiseveranstaltern und verfolge die Lage intensiv.

Marokkos Nationalspieler und Trainer spenden Blut

Derweilen haben Marokkos Fußball-Nationalspieler und auch die Trainer zur Unterstützung Blut gespendet. In einer Story auf dem Instagram-Kanal der nordafrikanischen Auswahl wurden am Samstag diverse Profis kurz gezeigt, wie ihnen mit einer Kanüle im Arm Blut abgenommen wird. Auch Trainer Walid Regragui spendete Blut. 

"Im Moment geht es darum, diejenigen mit Blut zu versorgen, die sich in einer kritischen Lage befinden", hieß es in einem Instagram-Beitrag der Stiftung des ehemaligen Bundesliga-Spielers Achraf Hakimi. "Blut zu spenden, ist die Verantwortung eines jeden, um so vielen Menschen wie möglich das Leben zu retten. Eure Hilfe ist unverzichtbar", hieß es weiter. 

Der Ex-Dortmunder Hakimi hatte zuvor bereits zum Zusammenhalt aufgerufen und den Opfern sein Mitgefühl ausgesprochen. "Wir erleben einen schwierigen Moment für unsere Landsleute. Es ist Zeit, sich gegenseitig zu helfen, um so viele Leben wie möglich zu retten", hatte der 24 Jahre alte Profi von Paris Saint-Germain geschrieben. 

Israel will Hilfe leisten

Israel hat bereits angeboten, Marokko humanitäre Hilfe zu leisten und Suchtrupps zu schicken. Alle Ministerien seien angewiesen worden, die Entsendung einer Hilfsdelegation vorzubereiten, meldeten israelische Medien unter Berufung auf das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Samstag. Demnach wies zudem Verteidigungsminister Joaw Galant die Armee an, die Entsendung von Such- und Rettungseinheiten vorzubereiten.

Auch Erdogan drückt Bedauern aus

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sein Mitgefühl ausgedrückt. "Wir stehen unseren marokkanischen Geschwistern an diesem schweren Tag mit allen Mitteln zur Seite", schrieb Erdoğan auf Twitter. Er drückte sein Bedauern angesichts der vielen Toten aus und wünschte den Verletzten schnelle Genesung.

Die Türkei war erst Anfang Februar von schweren Erdbeben im Süden des Landes getroffen worden – mehr als 50.000 Menschen kamen dabei ums Leben.

UN-Generalsekretär zeigt sich bestürzt

Ebenso äußerte sich UN-Generalsekretär António Guterres bestürzt. Der Generalsekretär sei "tief traurig", teilte ein Sprecher mit. Er spreche der Regierung und dem Volk Marokkos seine Solidarität in diesen schweren Zeiten und den Familien der Opfer sein Beileid aus. Den Verletzten wünsche Guterres eine rasche Genesung. Die Vereinten Nationen stünden bereit, die Regierung Marokkos in ihren Bemühungen zu unterstützen, der betroffenen Bevölkerung zu helfen.

Scholz drückt sein Mitgefühl aus

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) drückte sein Mitgefühl aus. "Das sind schlimme Nachrichten aus Marokko", erklärte der SPD-Politiker auf der Plattform X (früher Twitter). "In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens. Unser Mitgefühl gilt allen Betroffenen dieser Naturkatastrophe." Scholz hält sich derzeit wegen des G20-Gipfels in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi auf.

EU bietet Hilfe an

Die Europäische Union bot Marokko Hilfe an. "Die EU ist bereit, Marokko in diesen schwierigen Momenten zu unterstützen", schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel über den Kurznachrichtendienst X. Die Nachrichten aus dem Land seien schrecklich. Er sei in Gedanken bei allen, die von der Tragödie betroffen seien, und bei den Rettungskräften. Michel äußerte sich ebenfalls vom G20-Gipfel.

Erdbeben in Nordafrika sind relativ selten. 1960 hatte sich laut dem Sender Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben kamen.

Marokko liegt auf der sogenannten Afrikanischen Platte, die weltweit eine der größten Kontinentalplatten ist. Dem Seismologen Torsten Dahm vom GeoForschungsZentrum Potsdam (GFZ) zufolge gibt es in der betroffenen Region besonders viele geologische Schwächezonen in der Erdkruste, die unter Umständen aktiviert werden können - sogenannte Verwerfungen. "Jedes Erdbeben findet auf einer Verwerfung statt", erklärte der Wissenschaftler.

Experten erklären die Hintergründe es Erdbebens

Beim Erdbeben in Marokko hätten sich Schollen der Afrikanischen und der Eurasischen Platte, die nördlich davon liegt, ruckartig gegeneinander bewegt. Das Zusammenstoßen an sich ist nach Angaben von Dahm ein ständiger und langsamer Vorgang, der dazu führt, dass die Platten sich verbiegen und Spannung aufbauen. Diese könne sich wie in der Nacht zum Samstag ruckartig entladen.

Erdbeben ähnlich dem in Marokko ereignen sich dem Seismologen Fabrice Cotton vom GFZ zufolge weltweit etwa zehnmal pro Jahr. Nach GFZ-Daten hatte es eine Stärke von 6,9. "Für Marokko war es das größte Erdbeben des 20. und 21. Jahrhunderts", sagte der Wissenschaftler.

Trotzdem sei das jüngste Erdbeben bereits ein «Desaster», auch wenn es nicht das gleiche Ausmaß wie das schwere Erdbeben in der Türkei und in Syrien von Anfang Februar habe. Die Länder wurden damals von einem Erdbeben mit einer Stärke von 7,8 getroffen - allein in der Türkei kamen dabei mehr als 50.000 Menschen ums Leben. Cotton zufolge gibt es in Marokko kein offizielles Warnmeldesystem für Erdbeben. Die einzige Möglichkeit, um Menschen zu schützen, bestehe aber ohnehin darin, erdbebensichere Gebäude zu bauen. "Es sind die Gebäude, die die Menschen töten, nicht das Erdbeben an sich."

Mit Informationen von dpa, AP, AFP und Reuters

Im Audio: Stärke von 6,8 - Mehr als 630 Tote

Zerstörungen an der historischen Moschee von Marakkesch
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Zerstörungen an der historischen Moschee von Marakkesch

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