Ein Flugzeug im Landeanflug ist über der A8 zu sehen.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Marijan Murat

Ein Flugzeug im Landeanflug ist über der A8 zu sehen.

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Weg mit den Sektorzielen - Was bedeutet das neue Klimagesetz?

Das geplante neue Klimaschutzgesetz soll flexibler werden. Die bisher geltenden Sektorziele sollen aufgelöst werden. Heißt: Wenn ein Bereich die Klimaziele verfehlt, kann ein anderer ausgleichen. Was das für den Klimaschutz bedeutet, ist umstritten.

Über dieses Thema berichtet: Die Welt am Morgen am .

Politisch herrscht Erleichterung, die Ampel hat sich auf ein neues Klimaschutzgesetz geeinigt. Doch wissenschaftliche gibt es große Zweifel, ob dieses Gesetz seine erwünschte Wirkung entfalten wird. Kern der Änderung: Die CO2-Reduzierung muss nicht mehr nach verschiedenen Sektoren nachgewiesen werden. Es sind die Bereiche Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfall und Landnutzung. Wenn ein Sektor die vorgeschriebenen Klimaziele nicht erreicht, dann kann das durch die anderen Bereich ausgeglichen werden. Wichtig ist: Die Gesamtbilanz muss stimmen.

Verkehrssektor zum dritten Mal in Folge nicht im Plan

Der Verkehrssektor hat im Jahr 2023 zum dritten Mal in Folge die zulässigen Jahres-Emissionsmengen überschritten. Statt der erlaubten 133 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente stieß der Verkehrssektor im vergangenen Jahr 146 Millionen Tonnen Treibhausgase aus. So veröffentlichte es der Expertenrat Klima gerade und bestätigte damit die Berechnungen des Umweltbundesamtes. Das wiederum hätte eigentlich bedeutet, dass Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) einen Notfallplan hätte vorlegen müssen. Nach dem nun geplanten Gesetz können die Überschreitungen im Verkehr aber durch andere Sektoren ausgeglichen werden. Eine Änderung, die PD Dr. Patrick Plötz vom Fraunhofer Institut für System – und Innovationsforschung (ISI) für gefährlich hält. Er befürchtet, dass "indem es keine sektorscharfen Ziele mehr gibt, die Diskrepanz zwischen Zielen und tatsächlichen Emissionen im Verkehr tendenziell weiter ansteigen wird."

Emissionen im Verkehrssektor sinken besonders langsam

Stefan Gössling ist Professor für Tourismus an der School of Business and Economics an der Linnaeus University im schwedischen Kalmar. Er erklärt, wissenschaftlich sei schon vor vielen Jahren darauf hingewiesen worden, "dass wir uns in einer Richtung bewegen, die mit den Klimazielen nicht vereinbar ist." Ein Problem sei, dass immer mehr PKW und Nutzfahrzeuge im Einsatz seien. Allein im vergangenen Jahr sei die Fahrzeugflotte um 688.000 Fahrzeuge gewachsen. Außerdem gebe es immer schwerer und höher motorisierte Fahrzeuge, so Gössling. Dadurch würden die Emissionen steigen oder "sich im besten Fall stabilisieren".

"Sehen gerade keine Verkehrswende"

Peter Kasten vom Öko-Institut ist noch drastischer in seiner Kritik der aktuellen Verkehrspolitik. "Wir sehen gerade überhaupt keine Verkehrswende." Erklärt der Experte für nachhaltige Mobilität. Es fehlten die politischen Rahmenbedingungen, um eine Verkehrsverlagerung zu fördern, so Kasten.

Forderung: Klimaschädliche Subventionen abbauen

Der Energieexperte Patrick Plötz (ISI) fordert daher dringend den "Umbau klimaschädlicher Subventionen" wie etwa eine höhere Dieselsteuer, und die Abschaffung der Entfernungspauschale und das Dienstwagenprivileg. Diese Maßnahmen wirkten eher mittel- bis langfristig. Könnten aber, so Plötz, "in wenigen Jahren schon je nach Ausgestaltung einige Megatonnen CO2 Minderung einbringen". Langfristig sei das ein sehr großer Hebel, "um uns aus dieser fossilen Welt rauszubringen und uns auf den klaren langfristigen Pfad klimaneutraler Verkehr zu bringen."

Tempolimit hätte positiven Effekt

Einig sind sich die Energieexperten, dass ein Tempolimit einen positiven Effekt auf die Emissionen hätte. Mobilitätsexperte Stefan Gössling verweist auf die Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA), wonach Tempo 30km/h in Innenstädten, Tempo 80km/h auf Landstraßen sowie 120km/h auf Autobahnen zu einer CO2-Einsparung von acht Millionen Tonnen im Jahr führen würde, das entspräche fünf Prozent der derzeitigen Emissionen. Er verweist auf das Positivbeispiel Frankreich, wo auch die Unfallgefahr durch ein Tempolimit deutlich reduziert werden konnte.

Energieexperte Patrick Plötz sieht im Tempolimit "eine fantastische politische Maßnahme". Es koste kein Geld, es müsse nicht einmal ein Gesetz erlassen werden, lediglich die Straßenverkehrsordnung würde geändert werden. "Man hat gleichzeitig weniger Unfälle, einen besseren Verkehrsfluss, weniger Tote, weniger Schadstoffbelastung, alles kostenlos. Also ein Traum von einer Maßnahme."

Dieser Artikel ist erstmals am 19. April 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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