Symbolbild: Kamera am Zaun des Chinesischen Generalkonsulats in Frankfurt am Main
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Weitere Festnahme: Spionierte AfD-Mitarbeiter für China?

Die Polizei hat einen weiteren Mann wegen des Verdachts der Spionage für China festgenommen. Es handelt sich um einen Mitarbeiter des AfD-EU-Spitzenkandidaten, Maximilian Krah.

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Ein Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, ist wegen des Verdachts der Spionage für China festgenommen worden. Über die Festnahme am Vorabend in Dresden berichtete der Generalbundesanwalt (GBA) heute – ohne Krah namentlich zu nennen.

Der deutsche Staatsangehörige Jian G. soll Mitarbeiter eines chinesischen Geheimdienstes sein. Seit 2019 soll er für ein deutsches Mitglied des Europäischen Parlaments gearbeitet haben, nach ARD-Informationen schon damals für Krah. Seit vergangenem Januar soll er laut Generalbundesanwalt wiederholt Informationen über Verhandlungen und Entscheidungen im Europaparlament weitergegeben haben. Zudem habe er für den Nachrichtendienst chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht.

Geheimdienstexperte "nicht überrascht"

Der deutsche Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom zeigt sich im Gespräch mit BR24 angesichts mehrerer Fälle von Industrie- und Politspionage in der letzten Zeit von den drei aktuellen Fällen "nicht überrascht".

China betreibe Spionage - insbesondere Wirtschaftsspionage - in Deutschland schon seit Jahren mit großem Erfolg; als Beispiel verweist Schmidt-Eenboom auf VW. Dazu versuche Peking in letzter Zeit vermehrt, Spione etwa unter chinesischen Staatsbürgern an deutschen Universitäten zu rekrutieren.

"Nur die Spitze des Eisbergs"

Noch dramatischer sei die Zunahme der Agententätigkeit von Seiten der Russen. Zusätzlich zur hybriden Kriegsführung Moskaus (siehe unten) gegen westliche Staaten sei seit dem Ukrainekrieg und den Sanktionen auch ein "Informationshunger" der Russen auf deutsches High-Tech-Wissen zu beobachten. Gezielt würden dabei Putin-treue und Russland-affine Personen im Umfeld der AfD angeworben.

"Was wir nun sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs", so Schmidt-Eenboom. Die deutschen Kapazitäten zur Spionageabwehr seien angesichts zusätzlicher Bedrohung durch Rechts- und Linksextremisten weiter begrenzt, so Schmidt-Eenboom. Zwar gebe es in diesem Bereich 600 neue Planstellen; die Ausbildung aber sei langwierig, die Gefahr, durch Doppelagenten infiltriert zu werden, hoch. Gut laufe hingegen die Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Diensten wie der NSA.

Verdächtiger war für Maximilian Krah tätig

Bei dem EU-Abgeordneten, für den G. tätig ist, handelt es sich um den AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah. Auf der EU-Parlamentswebsite von Maximilian Krah wird Jian G. als akkreditierter Assistent aufgeführt.

Jian G. hatte sich den ARD-Recherchen zufolge bereits vor rund zehn Jahren deutschen Behörden als Informant angeboten. Er sei damals allerdings als unzuverlässig eingestuft worden. Es habe der Verdacht bestanden, dass er ein Doppelagent Chinas sein könnte.

Abgeordneter zeigt sich überrascht - Mitarbeiter suspendiert

Maximilian Krah zeigte sich überrascht über die Festnahme eines Mitarbeiters. Weitere Informationen lägen ihm nicht vor. Der Vorwurf von Spionage für ein anderes Land sei "eine schwerwiegende Anschuldigung", erklärte Krah und fügte hinzu: "Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, würde dies die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen." Inzwischen hat das EU-Parlament den Mitarbeiter aber bereits "mit sofortiger Wirkung suspendiert", wie eine Sprecherin mitteilte.

Vor gut einem Jahr hatte sich Krah auf der Plattform X hinter seinen in China geborenen Mitarbeiter gestellt und geschrieben, dieser sei deutscher Staatsbürger, AfD-Mitglied, habe in Dresden studiert und spreche fließend Deutsch und Englisch. Die Organisation Lobbycontrol warf Krah vor, schon damals sei der Spionageverdacht gegen seinen Mitarbeiter bekannt gewesen, Krah habe aber "keine Konsequenzen" gezogen.

AfD fordert Beweise

Ein AfD-Sprecher bezeichnete die Meldungen über die Festnahme als "sehr beunruhigend". Da derzeit noch keine weiteren Informationen zu dem Fall vorlägen, müsse man nun "die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts abwarten".

Der Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, forderte den Generalbundesanwalt auf, Beweise für eine Spionagetätigkeit vorzulegen. Solange diese fehlten, handele es sich um eine weitere Verdachts-Berichterstattung der Medien. "Wenn nichts dahinter ist, schadet uns das in einer Art und Weise, die politisch intendiert ist", so Baumann. Es sei bezeichnend, dass der Hinweis auf den Fall vom Verfassungsschutz gekommen sei.

Grüne: "AfD ist Partei der Diktaturen"

Die Grünen werteten die Vorwürfe gegen den Krah-Mitarbeiter als Beleg für eine Nähe der AfD zu diktatorischen Regimes. "Die AfD ist eine Partei der Diktaturen", sagte der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das sei "am Ende auch das Modell, das sie für Deutschland im Kopf hat". AfD-Politiker seien offensichtlich sehr anfällig für Einflussnahme und Steuerung aus China und Russland: "All das hat Struktur und betrifft die ganze Partei."

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sieht chaotische Zustände in der AfD. Der "Rheinischen Post" sagte er: "Erst die Vorwürfe schmieriger Geldzahlungen aus dem Kreml, jetzt mutmaßliche Spionage für China: Die AfD versinkt im Chaos von Vorwürfen des Geheimnisverrats und kriminellen Machenschaften."

Politiker verschiedener Parteien forderten den Rücktritt Krahs als AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl. Der CDU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei sagte der "Rheinischen Post", es sei "absolut indiskutabel, einen Spitzenkandidaten zu haben, der sich mit derartigen Vorwürfen auseinanderzusetzen hat".

Faeser fordert Aufklärung - Peking sieht "Verleumdung"

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die neuen Spionagevorwürfe als "äußerst schwerwiegend". Es gehe um einen "Angriff von innen auf die europäische Demokratie". Faeser machte den AfD-Politiker Krah für den Fall mitverantwortlich. "Wer einen solchen Mitarbeiter beschäftigt, trägt dafür auch Verantwortung", betonte sie. Der Fall müsse genauestens aufgeklärt und "alle Verbindungen und Hintergründe ausgeleuchtet werden".

Peking wies die Spionagevorwürfe im Zusammenhang mit der neuen Festnahme und weiteren Fällen hingegen zurück. Die Anschuldigungen dienten dazu, "China zu verleumden und zu unterdrücken", erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Wang Wenbin. Es gehe darum, "die Atmosphäre der Zusammenarbeit zwischen China und Europa zu zerstören". Die Fälle würden manipulativ "aufgebauscht", das sei klar ersichtlich.

Drei Festnahmen am Montag – zwei Männer in U-Haft

Erst am Montag waren in Hessen und Nordrhein-Westfalen drei Deutsche wegen des Vorwurfs geheimdienstlicher Tätigkeit für China festgenommen worden. Einem der Beschuldigten wirft die Bundesanwaltschaft vor, in chinesischem Auftrag Informationen zu innovativen, militärisch nutzbaren Technologien beschafft zu haben. Dazu soll er sich der Eheleute bedient haben. Allen drei Personen werden geheimdienstliche Agententätigkeit und ein Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz vorgeworfen.

Die beiden Männer kamen noch am Montag in Untersuchungshaft. Wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Abend mitteilte, setzte der Ermittlungsrichter die Haftbefehle in Vollzug. Die festgenommene Frau sollte am Dienstag dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden.

Chinas Botschaft spricht von Diffamierung

Auch in diesen Fällen wies die chinesische Seite jede Verantwortung von sich und beschuldigte Deutschland, mit den Vorwürfen dem Ansehen Pekings schaden zu wollen. "Wir fordern die deutsche Seite auf, die Spionagevorwürfe nicht weiter auszunutzen, um das Bild Chinas politisch zu manipulieren und China zu diffamieren", erklärte die chinesische Botschaft in Berlin gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua.

Kiesewetter: Festnahmen sind nur "ein Anfang"

Der CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter erklärte im "Handelsblatt", dass die Festnahmen vom Montag "lediglich ein Anfang und kleiner Ermittlungserfolg der Behörden" seien, es werde "etliche weiterer solcher Fälle geben". Ähnlich wie Russland habe China "ein regelrechtes Netzwerk in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft" aufgebaut und finde dort "Personen und Unternehmen, die sich zum Werkzeug chinesischer Einflussoperationen und hybrider Kriegsführung machen".

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte Kiesewetter, der auch Vize-Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist, welches die Nachrichtendienste kontrolliert: "Deutschland ist gegen hybride Angriffe auch durch nachrichtendienstliche Operationen schlecht gewappnet und sehr vulnerabel. China hat also ein eher leichtes Spiel in Deutschland." Gerade in der Wissenschaft und Wirtschaft fehle die Sensibilisierung für Risiken.

Mit Informationen von dpa und AFP

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