Künstler Andreas Knitz stellt das temporäre Kunstwerk auf dem Hugenottenplatz auf
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Für ein Jahr erinnert das Denkmal der grauen Busse in Erlangen an die NS-Krankenmorde.

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Bus aus Beton erinnert in Erlangen an NS-Krankenmorde

Während der NS-Zeit wurden zehntausende Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung umgebracht. Fast 2.000 kamen aus Erlangen. Dort erinnert nun für ein Jahr ein Kunstwerk an die NS-Krankenmorde: ein grauer Bus aus Beton.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Normalerweise starten am Hugenottenplatz mitten in Erlangen die Stadtbusse. Doch für knapp ein Jahr ist eine der Haltestellen blockiert: durch einen Bus aus Beton. Das temporäre "Denkmal der grauen Busse" macht in der Uni-Stadt Station. Es erinnert an die NS-Krankenmorde.

Aus der Erlanger Heil- und Pflegeanstalt, der sogenannten HuPfla, wurden 905 Patientinnen und Patienten weggebracht und ermordet. Insgesamt starben nach Angaben der Stadt Erlangen in der HuPfla zwischen 1939 und 1945 mehr als 1.900 Menschen, viele davon an den Folgen mangelhafter Ernährung und gezielter Vernachlässigung. Das ist ein Teil der Stadtgeschichte, der erst seit den vergangenen Jahren aufgearbeitet wird.

Erstes mobiles Denkmal der Kunstgeschichte

Einen Beitrag zur Aufarbeitung dazu soll das "Denkmal der grauen Busse" leisten. "Ein Professor hat mir einmal gesagt, dass das das erste mobile Denkmal in der Kunstgeschichte ist", erzählt Künstler Andreas Knitze. Er ist dabei, als die drei Sattelschlepper mit den Teilen des Denkmals und ein Autokran in der Erlanger Innenstadt ankommen. Insgesamt wiegt die Skulptur rund 75 Tonnen. Sie besteht aus mehreren Teilen. Besucher können zwischen den vier Segmenten hindurchgehen, die den Bus nachbilden.

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Das Vorbild: Mit diesen Bussen wurden Patienten in die NS-Tötungsanstalten transportiert, hier aus der Diakonissenanstalt Bruckberg.

Im Jahr 2006 gossen Knitze und sein Kollege Horst Hoheisel den grauen Bus in vier Teilen aus Beton. Es ist laut Knitz ein Autobus aus den 1940er-Jahren: ein "Mercedes Benz MBO 375. Mit solchen Bussen wurden Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen in Tötungsanstalten gebracht. Die grau lackierten Busse wurden im Rahmen der NS-Euthanasie-Aktion eingesetzt.

Erlangen 21. Denkmal-Ort

"Wir machen das sichtbar, was 1940 und 1941 klammheimlich passierte: dass Menschen, die als unnütze Esser, als lebensunwert galten, mit solchen Autobussen deportiert wurden." Das sei für alle sichtbar gewesen. "Aber man hat darüber geschwiegen, wenn man sich das genau anschaut, eigentlich bis heute", sagt Knitz. Erlangen ist der 21. Ort in Deutschland, in dem das temporäre Denkmal steht.

Die 905 Patientinnen und Patienten aus Erlangen, die in den Tötungsanstalten Pirna-Sonnenstein und Hartheim bei Linz ermordet wurden, wurden nach Erkenntnissen des Stadtarchivs jedoch nicht mit den Bussen abtransportiert, sondern mit Zügen vom Erlanger Hauptbahnhof. Bis Ende des Jahres will die Stadt Erlangen mit dem Denkmal mitten in der Stadt an die Opfer der NS-Krankenmorde erinnern.

Konzept für Erinnerungsort "HuPfla" im Entstehen

Derzeit erarbeitet die Stadt zusammen mit der Friedrich-Alexander-Universität ein Konzept für einen Erinnerungs- und Zukunftsort. Er soll bis zum Jahr 2028 im Mittelbau des Patiententrakts der HuPfla entstehen. Der Rest des 166 Meter langen, denkmalgeschützten Gebäudes war in den vergangenen Jahren im Zug der Erweiterung der Erlanger Universitätsklinik abgerissen worden. Das sorgte auch überregional für Kritik.

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