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Andi Scheuer CPC 02.05.24

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Krimi des Ex-Sprechers von Andi Scheuer – alles nur Fiktion?

Scheuers ehemaliger Sprecher Wolfgang Ainetter hat einen Krimi geschrieben, in dem ein fiktiver Minister Frauen belästigt und seine Mitarbeiter schlecht behandelt. Eine Abrechnung sei das aber nicht, sagt der Autor.

Über dieses Thema berichtet: Die Welt am Morgen am .

Berlin Mitte. Ein Nobelrestaurant, weiß gedeckte Tische, teurer Wein. Ein "unverfängliches" Abendessen zwischen einem Spitzenbeamten, seiner Frau und zwei Lobbyisten. Plötzlich: ein Anruf. Der Beamte tritt aus dem Restaurant auf die Straße - und kehrt nicht zurück. So beginnt der "Ministeriumskrimi": mit der Entführung des Hauptabteilungsleiters im Verkehrsministerium, Hans-Joachim Lörr. Ein Berliner Kommissar mit Wiener Wurzeln beginnt zu ermitteln und erfährt dabei allerhand pikante Details über Mobbing, Misswirtschaft und den Chef des Entführten, einen weinerlichen Minister. Das Ganze ist deshalb so amüsant zu verfolgen, weil das Buch "Geheimnisse, Lügen und andere Währungen" nicht irgendwer geschrieben hat. Wolfgang Ainetter war drei Jahre lang der Pressesprecher des damaligen Verkehrsministers Andreas Scheuer - der mit dem Buch natürlich rein gar nichts zu tun hat, so der Autor.

Überdeutliche Spuren

"Für mich ist dieses Buch einfach ein rein fiktionales Buch." Deswegen heiße es schon im ersten Satz: "Diese Geschichte ist ebenso wahr wie die Lebensläufe von Abgeordneten", sagt Ainetter im Gespräch mit dem BR. Ach ja? Ainetter streut seine Spuren wie – sehr große – Brotkrumen im Wald: Das Ministerium, angesiedelt in der Versehrten-, statt der Invalidenstraße. Ein übereifriger junger CDU-Abgeordneter namens "Flip Dammtor". Eine Ministerin, die alle nur die "Weinkönigin" nennen, weil sie so viele Mitarbeiter zum Weinen bringt. Und ein Minister, der Millionen an Steuergeldern verschleudert hat. Also, ist es das: eine Abrechnung?

"Abrechnung wäre zu billig", sagt Ainetter, "Abrechnung ist auch keine Literatur. Das klingt so nach Bitterkeit, nach Bitternis. Mir war es wichtig, dass dieses Buch eine Leichtigkeit hat und eine Süffisanz, einen Humor, eine Ironie. Abrechnung gehört ins Tagebuch." Tagebuch, gutes Stichwort: Hauptverdächtiger im Entführungsfall ist schnell der abgetauchte ehemalige Pressesprecher! Die Polizei findet ein abgetipptes "Gedächtnisprotokoll", und darin finden sich Dinge, die einem doch sehr bekannt vorkommen: "Der Chef ist zu Gast bei Markus Lanz. Der ZDF-Moderator grillt den Minister bei 290 Grad, höchste Flamme." Einen solchen Auftritt hatte auch Andreas Scheuer, es ging um das Maut-Debakel.

Machtanspruch vor Allgemeinwohl

Im Roman brüllt der Minister den Pressesprecher bei einer dreistündigen Autofahrt nieder. Der stellt sich für den Rest der Fahrt schlafend. Ist das wirklich passiert? "Ich kann mich nicht erinnern, um Olaf Scholz zu zitieren", sagt Ainetter. Alles erfunden also. Das Buch ist dann vor allem eine Charakterstudie des entführten Abteilungsleiters Hans-Joachim Lörr. Er handelt rein nach eigenen Interessen, intrigiert, mobbt, zerstört Karrieren. Ein Sadist. "Ich finde, dass solche Leute wie dieser Lörr einfach extrem viel Schaden anrichten. Denen geht es eben nicht um das Allgemeinwohl, sondern denen geht es einzig und allein um die eigene Macht, um die eigene Herrlichkeit, um die eigenen Essenseinladungen, um die eigene Wichtigkeit", findet Ainetter. "Es gibt super engagierte Politikerinnen und Politiker, die tatsächlich alles tun für dieses Land. Aber die kommen niemals ganz nach oben. Das liegt vielleicht daran, dass sie, ja: Vor allem an andere denken und nicht an sich."

Veraltete Strukturen, gepaart mit Sexismus

In seinem letzten Jahr als Scheuers Pressesprecher, zum Zeitpunkt des Untersuchungsausschusses zur Pkw-Maut, sammelte Ainetter 860 Überstunden, kämpfte mit bis zu 1.800 Presseanfragen pro Woche. Und kündigte. Er sagt: Es sei nicht mehr zu bewältigen gewesen. Sein Krimi ist einfach geschrieben, ist aber eine durchaus unterhaltsame Innensicht aus einem völlig überdrehten Politikbetrieb mit veralteten Machtstrukturen und einer nicht überraschenden Portion Sexismus. Von einem, der dabei war. Und unweigerlich fragt man sich: War in Wirklichkeit also alles viel schlimmer?

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