Die Bassistin Meshell Ndegeocello
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Die Bassistin Meshell Ndegeocello

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Meshell Ndegeocellos "The Omnichord Real Book": Kern des Jazz

Die US-Amerikanerin Meshell Ndegeocello war eine der ersten Künstlerinnen, die zu Beginn der Neunziger von Madonna unter Vertrag genommen wurden. Auch auf ihrem neuen Album widmet sich die Bass-Virtuosin dem Vermächtnis der afroamerikanischen Musik.

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Geboren wurde sie 1968 in Westberlin, aufgewachsen ist sie in den Staaten, radikalisiert hat sie sich, weil sie eine Person of Colour und eine Frau ist, die sich offen zu ihr Bisexualität bekennt. Plantation Lullaby, das Debutalbum von Meshell Ndegeocello wurde 1993 gleich für drei Grammies nominiert. Seitdem hat die Musikerin, Komponistin und Vokalistin mit so ziemlich jedem kooperiert, der Rang und Namen hat im US-Musikgeschäft, mit Madonna, mit Prince, Herbie Hancock und den Rolling Stones.

Ihr 13. Studioalbum ist das erste, das beim ehrwürdigen Blue Note-Label erscheint. The Omnichord Real Book ist eine extrem reduzierte Produktion, die sie mit zahlreichen handverlesenen Jazzkünstlerin und Künstlerinnen geschaffen hat.

Vorstoßen zum Wesenskern

Ndegeocellos frühe Funk-Alben waren brilliant, aber vollgestopft mit Tönen, Akkorden und pulsierenden Rhythmen, seit einigen Jahren versucht die Künstlerin diese Geflechte zu entwirren, einzelne Kraftlinien, wenn man so will, heraus zu präparieren, zum Wesenskern vorzustoßen. Behilflich sind dabei namhafte Kolleginnen und Kollegen, renommierte Künstler ihrer Generation wie Pianist Jason Moran, Trompetenvirtuose Ambrose Akinmusire, Gitarrist Jeff Parker, der Schlagzeuger Mark Guiliana sowie die Sängerin und Songschreiberin Joan As Police Woman, aber auch Nachwuchstalente wie Harfenistin Brandee Younger und Multiinstrumentalist Julius Rodriguez.

Wesensschau also betreibt die E-Bass-Virtuosin, die längst auch als Universitätsdozentin in den Staaten tätig ist, auf The Omnichord Real Book. Der Titel erinnert nicht von ungefähr an das "Real Book", die Bibel der Jazzkünstlerinnen und Jazzkünstler. Gemeint sind die Noten der Jazzstandards, die die Musiker verinnerlicht haben mussten wie früher Gläubige und Priester die Texte des Buches der Bücher.

Allerdings handelt es sich hier um Stücke der Komponistin Nedegeocello, die sie mit den Kolleginnen und Kollegen, die an der Aufnahme beteiligt waren, umgesetzt hat. Im Mittelpunkt steht das musikalische Vermächnis des schwarzen Amerika, das die Bassistin unter die Lupe nimmt, beschwört und, wenn man so will, dekonstruiert. Harmoniewechsel bricht sie auseinander, zerlegt sie liebevoll in Einzelteile. So klingt Material, das man schon hundert Mal gehört hat, wieder fremd, neu, unbekannt.

Liebe zum Detail

Im Verlauf des Albums wird die Instrumentierung immer dünner, ausgesparter, reduzierter. Ndegeocello lässt Raum, um sich mehr und mehr hineinversetzen zu können in Sounds und abstrakte Strukturen von Funk, Soul, Reggae und Afrobeat. Natürlich enthält das Album auch autobiographische Stücke. Virgo heißt etwa ein Stück, die englische Bezeichnung des Sternzeichens Jungfrau. Virgo steht wie die Künstlerin selbst für Ordnung, Übersichtlichkeit und die Liebe zum Detail.

Auf The Omnichord Real Book entwickelt die US-Meisterbassistin ein neues Kapitel ihres schillernden Werks. Auf diesem Album gehe es darum, alte Dinge anders zu betrachten, erklärt die Künstlerin.

"The Omnichord Real Book" von Meshell Ndegeocello erscheint am 16. Juni auf Blue Note Records.

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