Schlagzeuger Christian Lillinger.
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Schlagzeuger Christian Lillinger.

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Schlagzeuger Christian Lillinger: "Überall ist Rhythmus"

Christian Lillinger ist auf fast 100 Tonträgern präsent, leitet Bands, ein Label und beeindruckt am Schlagzeug mit Mikrotiming und Obertönen. Derzeit ist er in der Villa Waldberta zu Gast - und plant im September einen Konzertzyklus in München.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Krumme, gegenläufige und sich permanent kreuzende Takte sind Christian Lillingers Markenzeichen. Der Weltklasse-Schlagzeuger hat sich schon lange von der bloßen Taktung verabschiedet. Seine Rhythmen sind keine Begleitung. Eher abstrahierte Metren, bei denen der Grundrhythmus allenfalls mitschwingt, permanent umspielt wird. Mitwippen zwecklos!

Das Gegenteil von Urbanität

Im Moment ist der 39-Jährige einer von fünf Stipendiaten in der Villa Waldberta in Feldafing, dem internationalen Künstlerhaus der Landeshauptstadt München. Und hat damit einen der schönsten Arbeitsplätze in Bayern. Denn wenn er aus dem Fenster schaut, liegt der Starnberger See unter ihm. Bei gutem Wetter begrenzt durch den blau schimmernden Alpenzug dahinter.

"Feldafing ist inspirierend, der Ort gibt eine gewisse Ruhe, was ich in der Urbanität gar nicht habe. Ich komme aus Berlin, das ist komplett das Gegenteil zu dem, was man hier erwartet, nämlich: Man erwartet nichts, man fängt mit null an und das ist super. Es ist eine andere Art von Natürlichkeit, die ich hier erfahre und das finde ich für mich sehr interessant und wahnsinnig inspirierend."

Seit Langem empfindet sich Christian Lillinger nicht allein als Schlagzeuger – als reiner Jazzer schon gar nicht. Seine Musik siedelt er gerne zwischen den Stilen und Genres an. Gerade sitzt er am Computer. Hier kann er nach Belieben sampeln, kann musikalisch vom Hundertsten ins Tausendste kommen. Kann Tonspuren mischen, Soundschnipsel einfügen, tolldreiste Rhythmen erfinden und so nach Unerhörtem fahnden. Als Grundlage benennt er seine unbändige Neugierde: "Das Unbekannte ist mir sehr, sehr wichtig. Ich war immer fasziniert von dem, was ich nicht verstanden habe, soundmäßig, technisch. Alles das, was ich nicht greifen konnte, war das Spannende für mich."

Permanenter Rhythmus

Mit dem Schlagzeugspielen hat er früh begonnen. Die permanent sich steigernde Lust am Üben, die schnellen Erfolgserlebnisse am Instrument, haben Lillinger ein Stück weit in der Pubertät gerettet. In der er – nach eigenem Bekunden – ziemlich viel Mist gebaut hat, aus purer Langeweile. Und dann kam der Tag der offenen Tür an der Hochschule für Musik in Dresden, wo er sich – von den Eltern nach vorne geschoben – dann doch ans Schlagzeug setzte und anfing zu spielen. Man nahm ihn auf, ohne das vorgeschriebene Abitur. Günter "Baby" Sommer, die Schlagzeuglegende aus der ehemaligen DDR, war auf der Hochschule sein Pate.

"Was mich an diesem Instrument hält und überhaupt am Schlagzeug, ist halt schon der permanente Rhythmus", sagt Lillinger, "beim Laufen zum Beispiel, überall ist Rhythmus, wenn du genau zuhörst."