Silberlöffel
Bildrechte: Münchner Stadtmuseum

Der zu Unrecht entwendete Silberlöffel des Juristen Ludwig Feuchtwanger.

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Stadtmuseum gibt Silberlöffel an Neffen Feuchtwangers zurück

Die Nazis zwangen die Juden, ihre Wertgegenstände abzuliefern. Das Stadtmuseum gab jetzt einen unrechtmäßig entwendeten Silberlöffel an die Familie von Lion Feuchtwangers Bruder zurück. Künftig wird der Löffel die Geschichte der Enteignung erzählen.

Ein Silberlöffel erzählt Geschichte: Im Depot des Münchner Stadtmuseums befand sich ein Löffel des Juristen Ludwig Feuchtwanger, eines Bruders des berühmten Schriftstellers Lion Feuchtwanger (1884-1958). Der Löffel gehörte zu den Wertgegenständen, die Ludwig Feuchtwanger1939 zwangsweise an die Nazis abgeben musste.

Die sogenannte "Silberzwangsabgabe"

Regina Prinz, die Provenienzforscherin des Stadtmuseums, wollte den Löffel an den in England lebenden Sohn Ludwigs zurückgeben. Doch der Sohn, Historiker Edgar Feuchtwanger (Jahrgang 1924), überließ ihn ihr als Geschenk für das Museum. Der Wunsch der Familie Feuchtwanger ist es, die Familiengeschichte und die Begebenheiten rund um den Silberlöffel zu erzählen und künftig der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die Eckdaten der Geschichte sind schnell erzählt: Die Nationalsozialisten erließen 1939 die "Dritte Anordnung aufgrund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden". Sobald die Vermögen gelistet waren, begann die Enteignung, allein in München betraf der Zwang zur Abgabe 2.306 jüdische Familien. Das Münchner Stadtmuseum kaufte den silbernen Vorlegelöffel 1940 für 5,60 Reichsmark im Städtischen Leihamt.

Abgründe: Haft und Emigration nach England

Ludwig Feuchtwanger hatte schon einiges von den Nationalsozialisten einstecken müssen, bevor er gezwungen war, seine Wertgegenstände abzugeben - und hatte auch danach noch viele Erniedrigungen zu erleiden: Gleich 1933 hatte er seine Anstellung am Obersten Landgericht verloren und schließlich blieb dem Juristen nur noch eine Anstellung bei der Israelitischen Kultusgemeinde. Anders als sein Bruder Lion, der schon 1933 ins Exil nach Frankreich und dann in die USA floh, blieb Ludwig Feuchtwanger mit seiner Familie in München und engagierte sich für die Jüdische Gemeinde.

Dass das keine Zukunft hat, wurde ihm spätestens bei der Reichspogromnacht im November 1938 klar: Mit anderen jüdischen Männern wurde Ludwig Feuchtwanger ins Konzentrationslager Dachau verschleppt. Nach seiner Entlassung im Dezember bereitete er sofort die Emigration nach England vor. Zuerst schickte er seinen Sohn Edgar (mit nur 14 Jahren) allein nach England, im Frühjahr 1939 gelang der gesamten Familie die Flucht. Auch dort drohte ihm Ungemach: Gut ein Jahr, nachdem er sich mit seiner Familie in Winchester niedergelassen hatte, wurde er aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit inhaftiert. Nach seiner Freilassung arbeitete er als Übersetzer und Berater der englischen Armee. 1947 starb Ludwig Feuchtwanger im Alter von nur 61 Jahren.

Sohn erzählt: Abgabe von Leuchter kostete Vater die Beherrschung

Ludwig Feuchtwangers Sohn Edgar leistete von 1943 bis 1944 in England Kriegsdienst und wurde nach dem Krieg Historiker - mit Gastprofessuren auch in Deutschland. Er lebt nach wie vor in Winchester.

Als die Provenienzforscherin ihm dort den Silberlöffel übergeben wollte, erzählte er, dass unter den Zwangsabgaben auch eine silberne Menora war, ein siebenarmiger Leuchter, eines der wichtigsten Symbole der jüdischen Religion. Das habe damals den Vater die Beherrschung gekostet. Ludwig Feuchtwanger habe, wie Edgar der Provenzienz-Forscherin bei ihrem Besuch erzählte, den siebenarmigen Leuchter auf den Boden geworfen und zertreten.

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