Schwarz-Weiß-Aufnahme der Sängerin Joy Denalane, vom Cover ihres neuen Albums "Willpower"
Bildrechte: Four Music Local/Sony Music/dpa

Joy Denalane auf dem Cover ihres neuen Albums "Willpower"

Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

"Willpower" – Joy Denalane singt von Abschied und Neuanfang

Das neue Album von Joy Denalane ist einmal mehr eine Hommage an die Musik, die sie von Kindesbeinen an fasziniert: Soul, R&B und Jazz. Zugleich würdigt die Berliner Sängerin ihren Vater – und sorgt sich um die Situation der Kultur.

Über dieses Thema berichtet: Kulturjournal am .

"Willpower", das neue Album von Joy Denalane, enthält elf Songs und wurde vom Jazz-Pianisten Roberto die Gioia und von ihrem Ehemann Max Herre produziert. Einmal mehr orientiert sich die Sängerin an Soul, R&B und Jazz. Bezog sich der Vorgänger "Let Yourself Be Loved" - 2020 beim legendären Motown-Label erschienen - auf die 60er und 70er Jahre, sind nun Anklänge an die beiden folgenden Dekaden zu hören. Wobei die Kompositionen nicht historisieren, sondern klar in der Gegenwart verortet sind.

"Happy" – Lied für den Vater

"Ich habe ein Zugang zu Soul, R&B und Jazz und habe mich von klein auf mit dieser Musik identifizieren können", sagt die in Berlin lebende Sängerin im BR-Interview. Ihr Vater hatte eine große Plattensammlung, ging samstags allzu gerne in den Musikladen und ließ die Kinder beständig an seiner Liebe für Soul, Jazz und andere Genres teilhaben. Und begleitete später wiederum die musikalische Karriere seiner Tochter. "Er war für mich ein wichtiger Kompass. Er kam zu jeder meiner Shows in Berlin und hat mir auch gesagt, wenn ihm etwas nicht gefallen hat. Seine Kritik fand ich immer cool."

Der Song "Happy" - mit einem prägnanten Rhythmus eröffnet - ist ein Lied für den Vater und blickt zurück auf die letzten Jahre vor seinem Tod. "I’m happy for the loss" singt Joy Denalane. Die Textzeile will die Ambivalenz der Gefühle zum Ausdruck bringen: hier die große Trauer um den Tod eines nahen Menschen, dort die Dankbarkeit für eine intensive gemeinsame Zeit am Ende des Lebens. "Ich war elternlos mit dem Tod meines Vaters. Und ich hatte die Möglichkeit, die letzten drei Jahre seines Lebens so eng mit ihm zusammen zu sein - und eine Transformation, einen Rollentausch zu erleben." Sie habe gemerkt, sie sei als Kind in der Lage so vieles zurückzugeben. "Eine so schöne Erkenntnis und ein Privileg für mich."

"True (Soweto)" – Reflexion über Identität

"Willpower" enthält rhythmische, spannend arrangierte Songs und ebenso Balladen - atmosphärische Stücke, die viel Raum eröffnen können für Reflexion und Tiefe. Der elfte und letzte Song - "True (Soweto)" - erinnert an eine Township-Siedlung in Südafrika, dem Land, aus dem Joy Denalanes Vater stammte. Schon auf ihrem Debüt "Mamani" aus dem Jahr 2002 nahm die Sängerin Bezug auf die Musik aus Südafrika und anderen afrikanischen Ländern. Ebenso auf die Geschichte.

"Der Song 'Soweto' ist für mich eine introspektive Reise", sagt Joy Denalane. "Er ist Selbstgespräch und ein Resümee über meinen momentanen Lebensmoment. Ebenso darüber, dass meine Hautfarbe etwas ist, was immer wieder eine Reibung erzeugt in meinem Leben." Immer wieder müsse sie darüber sprechen und sich rechtfertigen. "Soweto steht sinnbildlich für die schwarze Hautfarbe." Im Song kommen die Gedanken in der Nacht und schildern die mit ihnen verbundene Unmöglichkeit, wieder einzuschlafen - die Komposition baut sich langsam auf. "Es war für mich musikalisch kompliziert, einen Zugang zu finden, die richtige Melodie zu finden, auch den richtigen Klang in meiner Stimme zu finden. Es ist so zerbrechlich und zart." Mit Roberto die Gioia habe sie einen schönen Weg gefunden.

Bildrechte: Sebastian Christoph Gollnow/dpa POOL/dpa
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Joy Denalane bei einem Auftritt in diesem Frühjahr zum 175. Jahrestag der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche

Große Sorge um die Kultur

Das Vorgänger-Album "Let Yourself Be Loved" erschien in der ersten Phase der Corona-Pandemie. Joy Denalane konnte nur ein paar Konzerte unter strengen Auflagen spielen, die geplante Tour wurde viermal verschoben und schließlich ganz abgesagt. "Der mit der Pandemie verbundene Einschnitt war sehr tief", meint die Sängerin. Viele Kolleginnen und Kollegen hätten sich Alternativen suchen müssen, da es keine Konzerte mehr gab. "Es ist wahnsinnig schwer jetzt für die Branche. Auch deshalb, weil das gesamte Equipment, dass man für eine Tour braucht, jetzt zum Teil doppelt so viel kostet. Es wird noch dauern, bis wir eine Realität schaffen können, die für alle gangbar ist."

Und generell sorgt sich Joy Denalane um die Kultur. Sie verweist auf die Streaming-Abrufe und die aus ihrer Sicht mit den Portalen verbundene Formatierung von Musik. "Das Geld, das man für eine Musikproduktion erhält, muss man wieder einspielen. Das geht aber nur, wenn man Sichtbarkeit kreiert - und das gelingt mittlerweile nur noch, wenn man in Play-Listen auftaucht." Ein schwieriger Kreislauf, denn in Play-Listen werde man wiederum nur aufgenommen, wenn man in Formatierungen auftaucht, die der Play-Liste gerecht werden. "Wir stehen vor dem großen Problem, dass die Kunst implodiert, weil sie sich selbst formatiert und damit das Individuelle verloren geht." Auch sei die Vergütung, die Künstlerinnen und Künstler für Streaming-Abrufe erhalten, minimal. Joy Denalanes Vorschlag: Anstatt nur zu streamen, sollten Musikfans immer wieder auch die Tonträger ihrer Lieblingskünstlerinnen und -künstler kaufen. "Der Abruf auf den Portalen reicht nicht."

Tour im November

Im November geht Joy Denalane auf Tour, um ihr neues Album "Willpower" live vorzustellen. Am 14. November spielt sie in der Münchner Theaterfabrik, präsentiert von Bayern 2. "Vor Tourneen bin ich immer aufgeregt“, sagt die Sängerin. "Dieses mal umso mehr." Die letzte normale Tour liegt sechs Jahre zurück, bedingt eben durch die Corona-Pandemie. "Ich glaube, es ist wie beim Fahrradfahren. Wenn man lange nicht Fahrrad fährt, ist der erste Meter etwas wackelig. Aber das ist in einem drin."

Joy Denalanes Album "Willpower" ist bei Four Music erschienen.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!