Auf der Verpackung der Tortilla-Chips ist eine Chilischote mit weit aufgerissenen Augen abgebildet, offenem Mund mit herausgestreckter Zunge und einer Flamme vor dem Mund.
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Der Verzehr der extrem scharfen Tortilla-Chips kann zur lebensgefährlichen Mutprobe werden, warnen Behörden.

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"Hot Chip Challenge": Jetzt greifen Bayerns Behörden ein

Ein extrem scharfer Tortilla-Chip sorgt für Wirbel. Ihn zu essen, gilt als Challenge, weil der Körper heftig reagiert. Jetzt nimmt ihn eine Behörde in Bayern unter die Lupe – der "Hot Chip" sei vor allem für Kinder gefährlich. Kommt ein Verbot?

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

In sozialen Netzwerken kursieren Videos von Teenagern, die nach Luft schnappen, Hustenanfälle bekommen und nach Wasser rufen. Sie alle haben den "Hot Chip", einen extrem scharfen Tortilla-Chip, gegessen. Der ist in Deutschland längst auch in den Fokus der Behörden gerückt.

Bundesbehörde warnt vor Lebensgefahr

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist auf ernsthafte gesundheitliche Beeinträchtigungen hin: Übelkeit, Erbrechen, Bluthochdruck. Die Folgen könnten laut BfR lebensbedrohlich sein. Besonders Kinder reagierten empfindlich auf scharfe Chili-Produkte.

Das Problem heißt Capsaicin. Das ist der Stoff, der im Gewürz enthalten ist, mit dem die Chips verfeinert sind. 6.000 Milligramm Capsaicin pro ein Kilogramm Lebensmittel sieht das BfR als noch okay an. Eine viel höhere Dosis davon, wie beim "Hot Chip", kann die gefährlichen Nebenwirkungen auslösen.

In der Natur ist das ganz sinnvoll. Denn Capsaicin, so sagt Biologe und Physiologe Thorsten Schwerte von der Universität Innsbruck im Gespräch mit BR24, wird zum Beispiel von der Paprika produziert, damit Säugetiere sich vor Schärfe den Mund verbrennen, sollten sie die Pflanze fressen, bevor sich ihre Samen verbreitet haben. Das menschliche Gehirn kann sich im Gegensatz zu dem von Tieren aber entscheiden, eigentlich zu Scharfes trotzdem zu essen.

Bei der "Hot Chip Challenge" ist diese Überwindung Voraussetzung. Jugendliche werden in sozialen Netzwerken und von der "Hot Chip"-Firma dazu animiert, sich beim Essen der extrem scharfen Chips zu filmen und das mit anderen zu teilen. Zwei Mädchen aus Garmisch-Partenkirchen aßen den Chip und landeten daraufhin wegen Atemproblemen in der Klinik. Auch andernorts in Deutschland löste die fragwürdige Mutprobe schon Großeinsätze von Notärzten und Polizisten aus. In den USA starb kürzlich ein 14-Jähriger, nachdem er den scharfen Chip gegessen hatte.

Schärfe nicht mit Wasser bekämpfen

Biologe und Physiologe Thorsten Schwerte warnt, dass der Chip im schlimmsten Fall zum Atemstillstand führen könne. "Wenn Sie in so einen scharfen Tortilla-Chip beißen", beschreibt es der Wissenschaftler, "der dann im Mund zerstäubt, dann ist die erste Reaktion, weil der Körper eine starke Hitze fühlt, dass man mit Husten reagiert, um sich nicht zu verschlucken. Weil man aber auch atmen muss, kann der zerstäubte Chip in der Lunge landen", sagt Schwerte. Das könne lebensgefährliche Folgen haben.

Wem der Mund nach dem Verzehr brennt, der sollte lieber schnell für Linderung sorgen und dabei nichts falsch machen. Viele greifen eilig zu Wasser. Das Problem bei Capsaicin: Es ist Teil einer Fettsäure. Das heißt, es löst sich in Wasser nicht auf. Wasser mit Kohlensäure würde das Problem sogar noch verschlimmern, weil Kohlensäure die Blutgefäße weitet und somit die Kontaktfläche für den Scharfmacher noch einmal vergrößert, erklärt Schwerte. Besser sei es, Milch zu trinken, weil sich Fett darin löst.

Wer keine Luft mehr bekomme, massive Schmerzen in der Brust habe und deswegen das Gefühl, in Lebensgefahr zu sein, sollte auf jeden Fall den Rettungsdienst rufen, empfiehlt Christoph Hüser. Er arbeitet in der Universitätsklinik Köln unter anderem in der Notaufnahme.

Behörden prüfen Verbot von "Hot Chip"

Jetzt sind auch Behörden in Bayern dem "Hot Chip" auf der Spur. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) teilt BR24 mit, dass es aktuell Proben auf ihren Capsaicin-Gehalt untersucht. Wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass ein Produkt gesundheitsschädlich ist, dann werde die Behörde die Kommunen informieren, die dann wiederum Maßnahmen ergreifen. Das kann etwa ein Produktrückruf sein.

Auch das Verbraucherschutzministerium in Hessen hatte bereits Proben der "Hot Chips" untersucht und einen hohen Gehalt an Capsaicin und damit extreme Schärfe festgestellt. Für ein Verbot wartet es aber eine Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ab. Das Institut sichtet derzeit Literatur zu Capsaicin. Ob sich danach die Toxikologie neu einschätzen lasse, so das BfR zu BR24, lasse sich noch nicht abschätzen. "Das LGL steht bezüglich der Risikobewertung bereits länderübergreifend in Kontakt", teilt ein Sprecher mit. Die Verbraucherzentrale Bayern fordert die Behörden auf, ein Verbot zu prüfen. Zudem müssten Eltern mit ihren Kindern über die Gefahren der "Challenge" sprechen.

Scharfe Chilis mit Feuer im Hintergrund. Die Schärfe löst einen "Pepper-high" im Mund aus und kann süchtig machen.
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Für das brennende Gefühl im Mund sind Capsaicinoide verantwortlich. Nur Vorsicht: Chilis pur oder in Speisen machen glücklich, aber auch süchtig.

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