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Mathias Modica über Jaki Liebezeit "Er hat die Ästhetik vorweggenommen, die später Mainstream wurde"

Kanye West und Thom Yorke hielten ihn für ein Genie, sein Sound war Inspiration für viele Musikrichtungen: Jaki Liebezeit. Nun ist der Can-Drummer mit 78 Jahren verstorben. Mathias Modica war mit ihm noch im Dezember im Studio.

Von: Christina Wolf

Stand: 26.01.2017 | Archiv

mathias modica und jaki liebezeit | Bild: Mathias Modica

Seine Drum-Patterns waren legendär: Ob Kanye West, A Tribe Called Quest, Mos Def oder Spank Rock - die maschinengenauen Schlagzeug-Parts von Can-Drummer Jaki Liebezeit inspirierten innovative Rapper und Techno-Visonäre wie Kraftwerk gleichermaßen. Die Arbeit der "menschlichen Drum-Machine" ebnete den Weg für die Sampling-Orgien des Hip Hops und die Erfindung elektronischer Musik. Am Sonntag ist Jaki Liebezeit im Alter von 78 Jahren gestorben. Der letzte, der noch vor Kurzem mit ihm im Studio war, ist der Münchner Musiker Mathias Modica vom Gomma Label. Wir haben mit ihm über die gemeinsamen Sessions gesprochen.

PULS: Jaki Liebezeit wollte auf deinem neuen Album Schlagzeug spielen. Wie hast Du ihn denn im Studio erlebt?

Das ist ein erstaunlich unprätentiöser, ruhiger, wahnsinnig interessierter Mensch. Wir hatten zuerst viel über Telefon und Email kommuniziert und ich hatte ihm meine ganze Musik geschickt, die ich schon hatte. Ich bin da voller Ehrfurcht reingegangen: Das hätte ihm ja völlig egal sein können, stattdessen war er total mit dabei, hat Input gegeben. Er wollte sogar immer wissen, wie man das so findet, was er tut. Das war natürlich erschreckend: Da sitzt so ein kleiner Schüler wie ich vor dem großen Meister und ist erstaunt, dass da jemand mit so einem Background, mit so einer Historie, als Drummer in Hard Bop und Freejazz Bands, der mit Manfred Schoof und Chet Baker gespielt hat, nach deiner Meinung fragt. Das war natürlich ein unglaubliches Erlebnis und schön zu sehen, dass die wirklich guten Leute nicht riskieren abzuheben.

Was ist denn für Dich als studierter Musiker das Einzigartige an Liebezeit?

Die Bandmitglieder von Can kamen eigentlich aus fünf verschiedenen Musikrichtungen: Die einen waren arabisch orientiert, die anderen kamen aus dem Jazz, die nächsten hatten einen klassischen Background. Sie kamen zusammen und haben sich zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Karriere überlegt, von den afro-amerikanischen Einflüssen wegzugehen und auf ausladende Soli und Virtuosität zu verzichten. Sie wollten eine Band gründen und Musik machen, die sehr patternmäßig ist, die dahinfließt, die eher was mechanisches hat. Jakis Spiel hieß dann, dass er nicht mehr spielt wie ein funky Drummer oder ein Rock-Drummer, der im Moment Emotionen erzeugt und Dynamiken oft ändert, sondern wie eine Maschine. Sein Vorbild als Schlagzeuger war kein echter Drummer, sondern die Drum-Machine. Das ist rückblickend interessant, denn die gesamte Musik hat sich in Richtung Elektronik entwickelt. Es gibt kaum noch Musik, die nicht irgendwie Drum Machines benutzt. Zu einer Zeit, in der es noch gar keine Drum-Machines gab, da hat er schon so gespielt und damit die Ästhetik vorweggenommen, die dann zehn, zwanzig Jahre später Mainstream wurde.

Was hast Du für dich aus diesen Sessions mitgenommen?

Jaki Liebezeit

Also erstmal ist es natürlich das Menschliche. Die Möglichkeit mit so jemandem zu sprechen und seine radikalen Positionen hinterfragen zu können. Für mich, der ursprünglich aus dem Jazz kommt, war das natürlich doppelt interessant, weil er selber auch ein Jazzschlagzeuger war, der mit Mitte 30 angefangen hat, radikal dieses Spiel und diese Vergangenheit zu verleugnen. Das Andere war, wenn man mit Leuten Musik macht, die sehr selbstbewusst sind und ihren eigenen Stil haben, ist das als Musiker immer interessant: der Austausch, die Konfrontation. Man hat dann die Chance etwas Neues zu schaffen. Was schwieriger ist, wenn sich zwei Leute hinsetzen, die das Gleiche gut und schlecht finden. So ist die Reibungszone geringer und das Ergebnis tendenziell weniger spannend, als wenn unterschiedliche Menschen mit starken Haltungen gemeinsam etwas schaffen.

Gabs denn den Plan, dein neues Album auf Tour zu bringen mit Liebezeit als Drummer?

Das war der Plan und Jaki wollte mitmachen. Es gab schon Planungen für Ende 2017, das wird natürlich in der Form leider nicht stattfinden können. Aber wir werden es sicher anders live präsentieren können.

Das ganze Interview findet ihr in unserem Podcastcenter