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Ruhmeshalle The Verve - Urban Hymns

Mit diesem Album haben The Verve Geschichte geschrieben: Es ist ein Dokument nicht enden wollender Streitereien und beinhaltet mit "Bitter Sweet Symphony" den größten Hit der Band - der auch ihr größter finanzieller Flop wurde.

Von: Bettina Dunkel

Stand: 28.09.2012 | Archiv

Verve | Bild: Hut Recordings

Wenn ich tanze, dann tanze ich. Entweder raumübergreifend und latent überdreht. Oder aber in mich und die Musik versunken. Mitte der Neunziger bevorzuge ich die verhaltensauffällige Variante. Meine Helden heißen Tool, Deftones und Nine Inch Nails, Emotionen sind Eruptionen. Und The Verve? Machen das komplette Gegenteil.

"Bitter Sweet Symphony", die erste Single aus dem Album "Urban Hymns", ist für mich Musik gewordene Entschleunigung. Bin ich im einen Moment noch mit 180 über die Tanzfläche gefegt, haut mir die Ballade bei voller Fahrt die Handbremse rein. Ein akustischer Powerslide, der mich erstmals bewusst Richtung Britpop katapultiert. Denn der ist Mitte der Neunziger das eigentliche große Ding. "Wonderwall" und Co. waren mir bis dahin ziemlich egal, für mich geht nichts über Alternative Rock. "Urban Hymns" jedoch lässt mich schwanken.

Wie Phoenix aus der Asche

Cover The Verve - Urban Hymns (Cover)

Wen wundert's? Das dritte Studioalbum von The Verve ist eine zeitlose Sammlung großer Popmomente. Eine Kombination aus hymnischem Songwriting und elegischen Streicherarrangements, zutiefst melancholisch und dennoch erhebend. Wäre "Urban Hymns" ein Film, wäre es eine jener tragischen Hollywoodromanzen, die es trotz beziehungsweise gerade wegen dem fehlendem Happy End in die Liste der ewigen Favoriten schafft.

Dabei hätte es das Album fast nicht gegeben. Zwei Jahre zuvor trennen sich The Verve im Streit. Gut, mach ich eben solo weiter, denkt sich Sänger Richard Ashcroft, und schreibt die Songs von "Urban Hymns" im Alleingang. Nur mit der Umsetzung will es nicht so recht klappen. Also überredet er die Band zu einem Neuanfang und holt noch einen zweiten Gitarristen an Bord. Gemeinsam schaffen sie einen majestätischen und einzigartigen Sound, der auf dem schmalen Grat zwischen Selbstbewusstsein und Zerbrechlichkeit balanciert. Und der Band den großen Durchbruch verschafft.

Ein Hit, der keinen müden Cent einbringt

Ein Erfolg, der nur von kurzer Dauer ist. Obwohl sie die Hitparaden stürmen und frenetisch gefeiert werden, zerstreiten sich The Verve erneut. Keine zwölf Monate, nachdem "Urban Hymns" erschienen ist, verlässt Leadgitarrist Nick McCabe die Band. Und dann ist da noch dieser legendäre Rechtsstreit: Weil "Bitter Sweet Symphony" ein nicht genehmigtes Sample von den Rolling Stones enthält, landen sämtliche Einnahmen aus dem Singleverkauf auf deren Konto. The Verve verdienen mit ihrem größten Hit also keinen einzigen Cent. Und trennen sich im April 1999 zum zweiten Mal.

So tragisch die Geschichte für The Verve ausgegangen ist: Für mich war "Bitter Sweet Symphony" ein Glücksfall. Denn der DJ in meinem Lieblingsclub legte den Song vor allem auf, um mir beim Tanzen zuzuschauen. Das hat er mir verraten, als wir irgendwann tatsächlich zusammenkamen. Und diese Liebe hält bis heute.


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