Kommentar zu Stealthing Unbemerkt beim Sex das Kondom zu entfernen ist kein Witz, sondern ein Verbrechen

Im Netz beratschlagen sich Männer, wie sie während dem Sex am besten unbemerkt das Kondom loswerden können. Dieser "Trick" heißt "Stealthing". Ob Stealthing als Vergewaltigung gilt, ist unklar.

Von: Linda Becker

Stand: 20.12.2018 | Archiv

Stealthing | Bild: BR

"Stealthing" bedeutet, dass Männer beim Sex unbemerkt das Kondom vom Penis entfernen, um dann ungeschützt in der Frau zu kommen.

Es ist die widerlichste und übergriffigste Idee, von der ich gelesen habe, seit dem ähnlich dämlichen Hype um die "Pickup-Artists".

Aber die Idee scheint im Netz so gut anzukommen, dass sich mittlerweile Männer sogar über die besten Tipps fürs Stealthing austauschen. Man könne zum Beispiel erst ein bisschen mit Kondom anteasern und es dann im Eifer des Gefechts entfernen, so dass die Frau es nicht merkt. Idealerweise sei sie dabei betrunken und am besten gehe das von hinten. Oder man ziehe das Kondom direkt so grob auf, dass es reißt.

Über das Recht seinen Samen zu verteilen

Ein Typ, der sich "One Sick Mind" nennt, schreibt in seinem Stealthing-Blog zum Beispiel:

"I developed my own little tricks and techniques at achieving my main objective ANY time i had sex, making sure i shot my load deep inside the girls unsuspecting ****."

One Sick Mind.

Ja, super Typ! #Lifegoal. Einfach mal überall seinen Samen verteilen – ohne Kondom, versteht sich. Ob sie das will oder nicht, ist egal – sobald er gekommen ist, ist das Ziel ja erreicht.

"You've filled her full of *** when she thought you had a condom on your ****! Wtf do you care if she knows now."

One Sick Mind.

Andere User, wie "stjartalskare" feiern denn Mann auch noch für seine Haltung:

"Well said, it's a mans right to shoot his load in her."

stjartalskare

Genau, es ist das Recht des Mannes seinen Samen in Frauen zu verteilen. Es ist das biologische Recht des Mannes, findet "stjartalskare".

Der Stealthing-Blog von One Sick Mind feiert sich aber nicht nur selbst, er gibt auch Ratschläge, was zu tun ist, wenn die Frau das fehlende Kondom bemerkt und alles andere als begeistert ist. Am besten, meint er, funktioniert die Was-regste-dich-so-auf-Masche.

"Of course you can always try the, what's wrong? I thought you knew it was off? You mean you didn't feel it? I thought you knew!! approach which for me has had a surprisingly high success rate."

One Sick Mind.

Stealthing ist kein harmloser Witz, sondern ein Verbrechen

Ein Gericht in der Schweiz hatte hinsichtlich "Stealthing" bereits 2017 ein Exempel statuiert: Im Frühjahr 2017 hatte in Lausanne eine Frau einen Mann über Tinder kennengelernt. Sie hatten zunächst einvernehmlichen Sex, der Mann entfernte jedoch währenddessen das Kondom unbemerkt. Erst nach dem Sex bemerkte die Frau das fehlende Kondom und zeigte ihn an. Der Gerichtshof in Lausanne entschied, dass ungewollter Sex ohne Kondom den Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt.

In Deutschland liegt seit 2018 ein ähnlicher Fall vor. Ein Bundespolizist wurde wegen "Stealthing" zunächst zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt und musste 3095,59 Euro an die geschädigte Frau zahlen.

Das Gericht entschied im Dezember 2018, dass es sich bei dem Übergriff nicht um eine Vergewaltigung handele, da der Akt an sich freiwillig geschah. Das unbemerkte Weglassen des Kondoms wurde als "unerlaubte sexuelle Handlung" eingestuft.

Der Bundespolizist ging trotz des milden Urteils vor dem Berliner Landgericht in Berufung. Das Urteil fiel vor einigen Tagen: An der Bewährungsstrafe wurde zwar festgehalten, aber von acht auf sechs Monate Bewährungsstrafe heruntergestuft.

In Deutschland ist "Stealthing" bisher nicht strafrechtlich erfasst. Das heißt, ob "Stealthing" als sexueller Missbrauch gilt oder nicht, muss von Fall zu Fall neu entschieden werden.

Alexandra Brodsky, die eine Studie über "Stealthing" im Columbia Journal of Gender and Law verfasst hat, beklagt, dass der Begriff "Stealthing" die Tat absolut verharmlost.

"I think that term really trivializes the harm; it obscures the violence and makes it sound sneaky and maybe regrettable but ultimately an inevitable part of sex, and that's not true. We deserve better than that."

Alexandra Brodsky.

Unbemerkt und ungewollt das Kondom beim Sex zu entfernen und damit Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft zu riskieren, ist in höchstem Maß respektlos und falsch. Es ist kein harmloser Witz und auch keine aufregende Sexerfahrung, wie es in den Foren dargestellt wird.

Und bevor mir jetzt hier einer mit "Aber das machen ja nicht alle Männer und Frauen können auch gemein sein!" kommt – das ist nicht der Punkt. Würden Frauen beim Sex ohne Einwilligung das Kondom entfernen oder es präparieren, um schwanger zu werden, wäre das genauso falsch und respektlos. Sexuell übergriffig zu handeln, ist immer falsch. Das gilt für beide Geschlechter. Und das ist der Punkt.