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Wings University Online-Uni für Flüchtlinge

Für die meisten Flüchtlinge ist es extrem schwierig, sich an einer deutschen Hochschule einzuschreiben. Meist fehlen Dokumente oder die Sprachkenntnisse. Markus Kreßler und sein Team wollen das ändern.

Von: Frank Seibert

Stand: 03.05.2015 | Archiv

Markus Kressler will mit anderen eine Universität für Flüchtlinge aufbauen | Bild: Frank Seibert

Viele Flüchtlinge würden gerne studieren, dürfen oder können aber nicht, weil ihr Aufenthaltsstatus nicht geklärt ist oder Dokumente fehlen. "Das ist verschwendete Zeit. Die Leute brauchen einen Sinn im Leben", sagt Markus Kreßler. Und hat deshalb mit Freunden zusammen die Wings-University gegründet.

Bei der Wings-University ist einiges anders als an anderen Unis: Einschreiben kann sich jeder, ganz ohne Pass oder Schulzeugnisse. Erst am Ende des Studiums muss man für den Abschluss seine Identität nachweisen. Außerdem soll es keine Studiengebühren und Hürden wie den NC geben. Das Besondere: die Vorlesungen finden ausschließlich online statt und werden in kleine, inhaltliche Teile gegliedert, die man sich unterwegs oder Zuhause auf Smartphone und Rechner anschauen kann. "Das bedeutet, die Flüchtlinge können an jeder Stelle das Studium weiterführen oder ein neues aufnehmen", sagt Markus. Durch dieses Fernuni-Prinzip wird das Studium also überall möglich sein - ob nun in einer abgelegenen Unterkunft oder in einem der weltweiten Flüchtlingslager. Weiterer Vorteil: Die Kurse werden auf Englisch sein.

Kooperation mit anderen Unis

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Markus Kreßler und sein Team sind selbst noch Studenten. Er ist 25, studiert Psychologie und Wirtschaftskommunikation in Berlin. Inzwischen sind noch viele weitere Kommilitonen und Freunde bei dem Projekt dabei, auch zwei Flüchtlinge. Damit ihre Uni am Ende auch anerkannte Abschlüsse vergeben kann, planen sie, mit etablierten Universitäten zusammenzuarbeiten. "Gerade beginnen Gespräche mit deutschen, aber auch internationalen Universitäten", sagt Markus. Am ehesten hofft das Team auf Unterstützung durch die FU und UDK in Berlin. "Wenn wir mit anderen Unis zusammenarbeiten, könnten unsere Studenten komplett bei uns studieren und betreut werden, aber den Abschluss von einer staatlichen Uni bekommen." Für die Kosten setzen sie auf Investoren und staatliche Förderung.

Hedwig Fuß vom Projekt "Flüchtlinge in Beruf & Schule" der Münchner Volkshochschule findet die Idee der Wings-University grundsätzlich gut – denn der Bedarf sei da: "Ich würde sagen, dass fast alle Flüchtlinge, die in ihren Herkunftsländern eine akademische Ausbildung begonnen haben, hier weiter studieren wollen. Sie wollen an die Bildung aus dem Herkunftsland anknüpfen." Außerdem werde oft vernachlässigt, dass Flüchtlinge nicht nur für den Niedriglohn-Bereich interessant sind, sondern sehr viele wichtige Qualifikationen mitbringen.

Nur eine Übergangslösung?

Hedwig Fuß sieht aber auch Hindernisse: "Es scheitert oft an Kleinigkeiten. In der Regel haben Flüchtlinge keinen Laptop und keinen Zugang zum Computer." Außerdem bräuchten die Studenten Lernräume, in denen sie konzentriert arbeiten können – die gebe es aber kaum in den Flüchtlingsunterkünften. Und gerade Menschen, die neu ein einem Land sind, bräuchten Austausch und intensive Betreuung, um ein Studium auch durchzuhalten. Für Hedwig Fuß ist die Wings-University deshalb eher eine Übergangslösung: "Auch beim Angebot einer Online-Uni muss das Ziel sein, dass es Flüchtlingen ermöglicht wird, an regulären Universitäten zu studieren."

Die Idee, Flüchtlingen den Zugang zum Studium zu vereinfachen, ist nicht neu. Die Uni Bremen hat zum Beispiel im Sommersemester 2014 das Projekt "In Touch" gegründet. Hier können Flüchtlinge Vorlesungen zumindest als Gasthörer besuchen. Dafür brauchen sie keine Dokumente: Alle, die schon mal eine Universität besucht haben und gut Deutsch oder Englisch sprechen, können mitmachen. Der Unterschied zur Wings-University ist aber groß: Flüchtlinge bekommen an der Uni Bremen nur Zertifikate über den Besuch der Veranstaltung. Das sei zwar ein großer Motivationsschub für die jungen Leute, meint Jens Kemper vom International Office der Uni. Einen Abschluss können die Flüchtlinge damit aber nicht bekommen.

Schon über 3000 Anmeldungen

Bei der Wings-University stehen jetzt Gespräche mit der Politik an. Bisher sei das Feedback durchgängig positiv gewesen, sagt Markus Kreßler. Auch die Professoren, mit denen er gesprochen hat, seien alle bereit gewesen, das Projekt zu unterstützen. Das Wichtigste aber: Die Flüchtlinge sind begeistert. Mittlerweile sind über 3000 Anmeldungen und Anfragen aus der ganzen Welt eingetroffen.

Schon diesen Herbst, spätestens aber im Frühjahr 2016, sollen die ersten Studiengänge starten. Erstmal nur klassische Fächer wie BWL, Lehramt oder Architektur. "Das sind Studiengänge, die sowohl im Heimatland, als auch hier gut anwendbar sind", sagt Markus und ist optimistisch: "Einer muss es probieren. Und ich glaube, wenn wir es nicht schaffen, packt es keiner."


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Tom jering, Dienstag, 05.Mai 2015, 19:23 Uhr

2. Weitere infos?

Interessante projekt. Gibts schöne website oder irgendwo weiterführende informationen?

  • Antwort von PULS, Dienstag, 05.Mai, 23:49 Uhr

    Die Webseite ist oben im Text verlinkt.
    Oder einfach hier klicken: http://wings.university
    Da gibt es auch noch mehr Informationen!

jin, Dienstag, 05.Mai 2015, 11:00 Uhr

1. Online-Uni

ich finde diese Idee sehr super. Ich bin nicht Flüchling. Kann ich auch an diesem Projekt einschreiben?
(Mein Studium von Ausland wurde in Deutschland nicht anerkannt. Es hat meine Karierre sehr gehindert.)

Schöne Grüße

  • Antwort von PULS, Dienstag, 05.Mai, 23:48 Uhr

    Prinzipiell soll an der Wings-Uni jeder studieren können - also auch Nicht-Flüchtlinge.
    Antworten auf mögliche Fragen werden hier beantwortet: http://wings.university/faq/