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Pro und Contra Filterbubble Angenehm in der Komfortzone oder blind hinter Scheuklappen?

Überall im Netz werden wir analysiert. Ergebnis: Wir kriegen nur bestimmte Themen angezeigt. Die Filterbubble macht's möglich. Praktisch? Vielleicht. Aber auch nervig. Ein Pro und Contra.

Von: Anne Hemmes

Stand: 09.06.2015 | Archiv

Filterbubble Do not Track | Bild: BR

Welche Seiten wir im Netz gerne ansurfen, welche sozialen Netzwerke wir nutzen, mit wem wir viel kommunizieren: Anhand von all diesen Infos filtern Algorithmen für uns Informationen. Das Ergebnis: Wir bekommen nur bestimmte Themen und Angebote präsentiert. Praktisch? Vielleicht. Aber dafür werden manche Dinge auch komplett ausgeblendet, wir nehmen sie also erst gar nicht wahr. Ist es nicht langweilig und vielleicht sogar auch nicht ungefährlich, wenn wir immer nur das sehen, wofür wir uns sowieso interessieren und keine Meinung abseits der eigenen zu lesen kriegen?

Andererseits: Im realen Leben gibt es auch eine Filterbubble - sie entsteht durch den Freundeskreis, den wir selbst auswählen, die Zeitungen, die wir lesen, das Radio, das wir hören. Die Filterbubble ist also nicht nur ein digitales Problem. Trotzdem sorgt sie immer wieder für Diskussionen. PULS hat zwei Leute auf der freundlichen Internetkonferenz "nebenan" in Hamburg getroffen und nach dem PRO und CONTRA der Filterbubble gefragt.

CONTRA


Katharina Köth ist 27 Jahre alt und arbeitet für die Werbeagentur Jung von Matt als Online-Konzeptionerin. Ihre Eltern kommen aus Leipzig und waren zur Zeit der Wende bei den Montagsdemos dabei. Für sie war es eine krasse Erfahrung, plötzlich die BRD zu erleben. Sie ist damit groß geworden und freut sich, diese Freiheit zu erleben - deshalb ist sie gegen zurechtgezimmerte Filterblasen.

"Ich persönlich finde es eigentlich schön, dass das Internet uns die Möglichkeit gibt, nicht immer nur gefiltert Informationen zu bekommen. Für mich ist deswegen Twitter auch so ein schöner Kanal, weil es eben nicht gefiltert ist. Nicht wie bei Facebook, die mir sagen: Von all den Sachen, die deine Freunde und Verwandten posten, das ist das, was dich jetzt interessiert und was für dich richtig ist. Oder wie bei Google, wenn ich irgendetwas suche, dass mir dann die für mich passenden Ergebnissen gezeigt werden.
Bei Twitter habe ich die Möglichkeit, mit der ganzen Masse konfrontiert zu werden, die es da draußen an Meinungen gibt. Natürlich ist es nicht so komfortabel, und gerade auf Kanälen wie Twitter passiert so viel, dass man überhaupt erstmal lernen muss, damit umzugehen - mit der Masse, für sich zu sortieren oder sich eben auch wieder zu beschränken auf weniger Leute. Aber ich finde, es ist die große Errungenschaft des Internets, eben genau keine Vorfilterung zu bekommen."

Katharina Köth

PRO


Jürgen Geuter, im Netz @Tante genannt, ist 35 Jahre alt, Diplom-Informatiker, unabhängiger Forscher und Kolumnist bei Wired. Für ihn ist es kein Problem, wenn Algorithmen Suchergebnisse vorformen und damit unser digitales Leben vereinfachen. Aber Jürgen ist auch für einen sinnvolleren Dialog zwischen Mensch und Algorithmus. Sein Vorschlag: Post vom Algorithmus: "Das, lieber Nutzer, habe ich dir diese Woche nicht angezeigt."

"Die Filterbubble bestimmt, was ich direkt an mich herranlassen möchte. Die Bubble gab es übrigens auch schon vor dem Internet. Denn ich habe ja früher auch entschieden, welche Tageszeitungen ich abonniere - das ist auch eine Filterbubble, man hat ja nicht alle Tageszeitungen abonniert, um alle Perspektiven zu sehen. Genauso können wir Leute nicht zwingen, in ihrem Online-Leben möglichst viele Quellen auf sich einwirken zu lassen. Wir haben alle nur 24 Stunden am Tag. Wir müssen uns entscheiden, was für uns relevant ist, womit wir uns beschäftigen wollen und womit nicht.
Ich interessiere mich zum Beispiel nicht für Dressurreiten, das ist eine Welt, die an mir vorbeigeht. Das ist außerhalb meiner Filterbubble und das ist auch okay so. Es ist okay, wenn Leute das sehen wollen, ich will das aber nicht. Und ich halte es für völlig zentral für jede Person, sich die eigene Welt wirklich bewusst zu konstruieren. Ich glaube, dass es sogar sehr gesund ist, erstmal ganz bewusst von den eigenen Interessen auszugehen und auch von einem Bereich auszugehen, in dem man sich wohlfühlt. Diese digitale Welt kann auch sehr kontrovers sein und sehr schnell - damit muss man umgehen lernen, und da ist eine Filterbubble, in der man sich sehr wohlfühlt, weil man mit den Themen vertraut ist und weil man nicht diese Kontroverse hat, sogar sehr angenehm. Um seinen eigenen Weg zu finden, um dann vielleicht zu entscheiden, jetzt möchte ich in so eine Debatte auch tiefer einsteigen."

Jürgen Geuter

Fest steht: Die Filterbubble ist etwas sehr persönliches. Genauso wie die Meinung, die man zu ihr hat. Manche nerven die Algorithmen, andere finden sie praktisch. Abseits des Persönlichen gibt es aber noch die Wirkung fürs "große Ganze". Was es für unsere Gesellschaft bedeutet, wenn jeder von uns nur noch personalisierte Infos angezeigt bekommt, damit hat sich auch die Webdoku-Reihe "Do not track" beschäftigt.


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Tteo, Mittwoch, 10.Juni 2015, 16:08 Uhr

1.

Der Vergleich mit den Tageszeitungen hinkt aber gewaltig...
Schließlich kann ich selbst entscheiden, welche Zeitung ich nun abonniere und welche nicht. Die Mechanik der jeweiligen Filterbubble dagegen kann ich kaum beeinflussen. Sie wird mir von großen Konzernen aufoktruiert. Man stelle sich vor, die großen Medienhäuser würden entscheiden, welche Tageszeitung ich zu abonnieren habe - dann, und nur dann wären wir offline bei einer vergleichbaren Filterbubble wie online.
So in etwa sähe das dann aus: "Ah, dieser Leser hat im Wartezimmer seines Zahnarztes mal die Bunte aufgeschlagen... Unbefristetes Abo, Juche!"