"Facebook-Gesetz" Ein Gesetz, das die Freiheit im Netz beschneiden könnte

Seit dem 1. Januar gilt das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Eigentlich sollte es ein Gesetz gegen menschenfeindliche Hetze im Internet werden. Aber Experten sehen dadurch die Anonymität im Netz in Gefahr.

Von: Paul Schedelbeck, Miriam Harner, Jasmin Körber

Stand: 02.01.2018 | Archiv

H wie Hatespeech | Bild: BR

Zum 1. Januar ist eines der miesesten Zungenbrecher-Gesetze in Deutschland in Kraft getreten, das der Bundestag seit langem verabschiedet hat: das Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder kurz "NetzDG". Damit sollen Hate Speech und Fake News auf Social Media bekämpft werden, daher auch manchmal einfach der Name "Facebook-Gesetz".

Aber so konsequent geil, wie es auf den ersten Blick scheint, finden das Gesetz die wenigsten. Auch Volker Tripp, der politische Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft. Er spricht sogar von einem "Netzzensurgesetz".

Bußgelder auch bei Pornos

Zensur deshalb, weil es nicht mehr nur um menschenfeindliche Hetze in sozialen Netzwerken gehen soll. Laut dem neuen Entwurf sollen Facebook, Twitter und YouTube zum Beispiel auch Pornographie, Gewalt und terroristische Inhalte innerhalb kürzester Zeit löschen. Wenn ein Unternehmen gegen diese Regeln verstößt, drohen Strafen von bis zu 50 Millionen Euro.

"Es wird zu einem allgemeinen Gesetz zur Bekämpfung von Inhalten, die offenbar nach Auffassung des Ministeriums nicht in soziale Netzwerke gehören."

Volker Tripp, politischer Geschäftsführer Digitale Gesellschaft e.V.

Viele kritisieren außerdem, dass mit dem NetzDG Internetkonzerne die Aufgaben unseres Rechtsstaats übernehmen sollen. In Zukunft entscheidet kein Richter mehr darüber, was rechtswidrig ist und was nicht – sondern irgendein Typ in irgendeiner Abteilung irgendwo in Facebooks Firmennexus. Und das ist ein Problem, meint Markus Reuter von Netzpolitik.org.

"Soziale Netzwerke müssen innerhalb von 24 Stunden entscheiden, was gelöscht wird und was nicht. Und wenn ich es unter diesem Druck dieser Geldstrafte entscheiden muss, dann entscheidet sich ein Unternehmen eher für's Löschen."

  Markus Reuter, Netzpolitik.org.

In Zukunft könnten also immer mehr Posts verschwinden. Dann wird es auch irgendwann schwierig mit der Meinungsfreiheit.

"Klarnamenzwang durch die Hintertür"

Ein weiterer kritischer Punkt im NetzDG betrifft die Anonymität in sozialen Netzwerken. Jeder, der der Meinung ist, dass er im Netz unrechtmäßig beleidigt oder verunglimpft worden ist, soll den echten Namen und die Adresse des mutmaßlichen Täters erfahren dürfen. Und zwar direkt, also beispielsweise von Facebook. Auch hier befürchten die Kritiker, dass soziale Netzwerke überfordert sein könnten. Bevor es ein Bußgeld kassiert, mutmaßt Volker Tripp, gibt das Unternehmen vielleicht lieber die Bestandsdaten raus, auch wenn es eventuell gar keine Straftat gibt.

Eine offene und demokratische Gesellschaft?

Die Idee hinter dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist es, die freie, offene und demokratische Gesellschaft zu schützen. Aber Experten wie Volker Tripp befürchten das Gegenteil. Sie sehen unsere Freiheit im Netz durch das Gesetz gefährdet. Schließlich ist Anonymität eine dieser Freiheiten. Immer noch werden Menschen angefeindet, wegen ihrer Religion, ihres Geschlechts oder ihrer Sexualität. Ob sie sich weiter offen äußern können, wenn sie jeden Tag damit rechnen müssen, dass jemand ihr Pseudonym aufdeckt?

Sendung: Filter, 02.01.2018 ab 15 Uhr