357

Interview // Anne Wizorek "Ablehnung gibt es, seit es Feminismus gibt"

Ob Reddit oder Twitter, nach frauenfeindlichen Hass muss man nicht lange suchen im Netz. Der Hate landet leider auch oft im Postfach von Anne Wizorek. Wie die #Aufschrei-Aktivistin damit umgeht, hat sie uns im Interview verraten.

Von: Juliane Frisse

Stand: 30.08.2015 | Archiv |Bildnachweis

Social-Media-Beraterin Anne Wizorek (#aufschrei) | Bild: Anne Wizorek

PULS: Wann hast Du zum ersten Mal in deiner „Feministinnenlaufbahn“ so richtig Ablehnung erlebt?

Anne Wizorek: Ich habe damals zu den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Julian Assange gebloggt. Da waren sehr viele der Meinung, dass es gar nicht geht, wenn ich für die Anklägerinnen eintrete und sage: "Wenn im Zweifel gilt, dass er erst mal unschuldig ist, dann gilt das für sie aber auch" Da gab es heftige Gegenreaktionen.

Haben Beleidigungen, Hass und Drohungen gegenüber Feministinnen in den letzten Jahren zugenommen?

Diese Drohungen und die Ablehnung gibt es, seit es Feminismus gibt. In einem Artikel für das "Missy Magazin" habe ich die Hasskommentare, die man heute bekommt, mit dem verglichen, was die Sufragetten erlebt haben, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts für das Wahlrecht für Frauen eingesetzt haben. Auf sie wurden Ratten losgelassen oder sie wurden mit faulen Eiern beworfen. Das Netz schafft da natürlich einen neuen Raum und nochmal eine größere Angriffsfläche. Genauso wie sich dort Aktivisten und Aktivistinnen vernetzen können, können das diese Hass-Mobs auch.

Wo im Netz gibt es denn besonders viel Frauenfeindlichkeit?

Das sammelt sich natürlich unter den Artikeln von Online-Medien, die irgendwie Geschlechtergerechtigkeit oder frauenpolitische Themen aufgreifen. Aber es gibt auch konzentrierte Orte, wo sich zum Beispiel die so genannten Maskulisten treffen, die Männerrechtsbewegung. Diese setzt sich leider überhaupt nicht für Männerrechte ein, sondern nur, wenn es gleichzeitig gegen Frauenrechte geht. Und dann gibt es natürlich Plattformen wie Reddit, die Hasskommentare als Meinungsfreiheit verteidigen. Twitter und Facebook sind auch immer mehr in den Fokus der Diskussion gerückt. Besonders Twitter, weil es dort spätestens seit Gamergate sehr drastisch zugeht. Twitter hat mittlerweile Schritte eingeleitet, um den Meldeprozess von Hasskommentaren zu verbessern. Aber da geht definitiv noch mehr.

Stichwort Reddit: Denkst du da an bestimmte Subreddits?

Also da gibt es ja diverse Subreddits, die wirklich mehr als zweifelhaft sind. Einer zum Beispiel, in dem Männer Bilder gepostet haben, auf denen sie Frauen ohne deren Wissen unter den Rock fotografiert haben. Neulich wurde auf einen aufmerksam gemacht, der RapeWomen heißt, da muss man, glaube ich, nicht großartig erklären, worum es da geht.

Findet man so etwas Ähnliches auch im deutschsprachigen Internet?

Die maskulistischen Foren sind da natürlich ganz weit vorne, so wie "Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land?" zum Beispiel. Dann gibt's noch die deutsche Variante von 4Chan, KrautChan, wo auch regelmäßig gegen feministische Aktivistinnen gehetzt wird. Solche Plattformen gibt es hier also auch.

Hast du mal über jemanden rausgefunden, der dich im Internet beschimpft hat, was das für ein Mensch war?

Es gab 2013 den Fall, dass eine junge Frau sich auf Twitter gegen die Aktivistinnen aus dem #Aufschrei-Umfeld besonders stark hervorgetan hat, also auch gegen mich. Weil es eine Frau war, die über Feminismus schimpfte, bekam das sehr viel Zuspruch von Männern. Als ihre Anfeindungen immer krasser wurden, recherchierte man zu ihr und es wurde herausgefunden, dass das ein Maskulist war, der sich diese Identität einer jungen Frau angeeignet hat, inklusive gestohlener Fotos. Er hatte eine komplette Online-Persona aufgebaut. Mit einem eigenen Blog, einer eigenen Biografie. Er benutzte diese Figur der jungen Frau also absichtlich, um verstärkt gegen Feministinnen hetzen zu können.

Ich habe gelesen, dass eine Vertrauensperson von Dir vorab deinen E-Mail-Eingang checkt, damit du nicht immer mit dem Hass konfrontiert wirst.

Es ist natürlich nicht schön, dass ich das überhaupt machen muss. Aber ich arbeite als Beraterin für digitale Medien und kann nicht einfach sagen, "Internet, lass ich jetzt mal sein", ich brauche das Netz schließlich für meine Arbeit. Und ich mag es ja auch immer noch! Das Netz ist ein Zuhause in vielerlei Hinsicht. Ich muss also Strategien entwickeln, damit ich mich weiter dort bewegen kann, ohne jedes Mal Angriffsfläche für ungefilterten Hass zu sein. Gerade wenn sowas über einen längeren Zeitraum passiert, ist das nicht gut für Menschen. Das kann man sich noch so rational alles erklären. Ich weiß, ich bin nicht dumm, ich bin nicht untervögelt und was da noch alles für Beschimpfungen und Drohungen kommen. Und trotzdem arbeiten diese Art Bemerkungen in einem Menschen weiter. So funktioniert auch Mobbing. Und es soll ja dazu führen, dass die attackierten Leute nicht mehr den Mund aufmachen. Für mich ist ganz klar, dass ich nicht möchte, dass die Hater gewinnen.

Was würdest du sonst im Umgang mit Hatern im Netz empfehlen?

Das ist schwierig, weil es da Abstufungen gibt. Es gibt die organisierte Seite, also die Maskulisten, dann gibt es die Leute, die sich mitreißen lassen von irgendwelchen falschen Behauptungen, die sie nicht prüfen, und deshalb Leute attackieren. Aber ich find es schon wichtig, auf diese Kommentare aufmerksam zu machen. Komplette Scheuklappen kann man nicht fahren. Dieses Mantra "Don’t feed the trolls", was ja immer noch im Netz herrscht, es funktioniert nicht, weil Probleme vom Ignorieren eben nicht weggehen. Wir halten so sonst auch einfach eine sehr toxische Online-Kultur aufrecht.

Manche antworten auf den Hass mit Ironie und Humor. Wie findest Du das?

Ich bin auch großer Fan davon, mit einem passenden GIF zu antworten und dann die Person zu blocken. Das kann man halt machen, wenn es ein ganz bescheuerter Angriff ist. Aber wenn dir jemand mit Vergewaltigung droht, dann ist das schon nochmal eine andere Ansage.

Dann muss man sich doch eigentlich überlegen, ob man da Anzeige erstattet, oder?

Definitiv, ja. Das ist aber leider sehr schwer, weil wir in Deutschland noch sehr am Anfang stehen, wie ernst die Behörden so etwas nehmen. Es gibt da leider auch immer noch den Spruch "Dann schreiben Sie halt nicht ins Internet, wenn sie solche Kommentare nicht lesen wollen". Und das kann natürlich keine Option sein. Es zeigt außerdem sehr gut wie Meinungsfreiheit durch Hasskommentare eingeschränkt wird.







357

Kommentieren

Alle Antworten einblenden

Benjamin Plasa, Samstag, 12.September 2015, 15:59 Uhr

4. Zur rhetorischen Frage der Gleichberechtigung im BR

Anne Wizorek also ist die selbsternannte Chefideologin einer neuen Sufragetten-Bewegung. "Gleichberechtigung" bedeutet jedoch im Zweifelsfall auch, von seinem Recht Gebrauch machen zu können, einen Standpunkt nicht zu teilen - ungeachtet seines Geschlechts. Die propagandistische "double bind"-Rhetorik einer Frau Wizorek ist sexistisch! Man sehe sich einige ihrer TV-Auftritte an. Diesen Sexismus abzulehnen, steht einer Frau ebenso zu wie einem Mann. Aus dieser Ablehnung im Fall der Frau "Selbsthass" und im Fall des Mannes "Frauenhass" abzuleiten, zeigt argumentative Diskursstrukturen, die an billige Hütchenspielerei erinnern und hoffentlich bald da enden, wo sie hingehören: im Mülleimer der Geschichte!

Robert, Sonntag, 06.September 2015, 22:59 Uhr

3. Frauenhass

Hass gegen Frauen, vor allem gegen Frauenrechtler, den können wir leider tagtäglich im Internet lesen. Völlig fremde Frauen werden sogar auf offener Strasse angegriffen, nur weil es Frauen sind. Unfassbar. Bisher tat sich so gut wie nichts gegen diese Form der Gewaltdrohungen. Aber nun lese ich gerade, dass beim Thema Asylanten wegen krasser Gewaltaufforderungen gegen diese Menschen im Internet mit Worten wie: "Vergasen!" endlich Strafverfahren eröffnet wurden. Richtig!

Das sollte und wird hoffentlich (!) auch bald für alle Frauen- und Feminismushasser die Regel sein, die es für richtig halten, Frauen im Internet mit Mord, Totschlag und Vergewaltigung zu drohen, mit ihrem vollen Namen nach dem Motto: "Das Verbrechen siegt" Das Verbrechen darf aber nicht siegen! Bedrohungen mit Mord oder Vergewaltigung sind ein Verbrechen. Es ist wichtig, alles zu dokumentieren und immer zur Anzeige zu bringen. Dafür wünsche ich allen, die bedroht wurden, Kraft. Auch Ihnen, Frau Wizorek!

David Ehrgart, Freitag, 04.September 2015, 04:00 Uhr

2. Sehr geehrte PULS-Redaktion,

eine ganz schöne Latte an profeministischen Artikeln und Interviews habt Ihr da angesammelt. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit etwas von der anderen Seite, also einem Beitrag über die Belange von MÄNNERN oder einem Interview mit einem Männerrechtler?

So funktioniert das nämlich in einer demokratisch-pluralen Gesellschaft...

  • Antwort von Robert, Samstag, 05.September, 09:06 Uhr anzeigen

  • Antwort von David Ehrgart, Samstag, 05.September, 20:55 Uhr anzeigen

maSu, Donnerstag, 03.September 2015, 11:02 Uhr

1. Ablehnung des Feminismus ist nicht gleich Hetze!

Ich finde die einseitige Wahrnehmung der Frau Wizorek bedenklich. Ich erlebe als Mann ganz reale Benachteiligungen im Alltag. Ich darf weder Gleichstellungsbeauftragter werden, noch darf ich an der Wahl dazu teilnehmen, Männer haben ein deutlich höheres Risiko von Obdachlosigkeit und Suchtproblemen betroffen zu sein, Frauenhäuser sind im Falle von häuslicher Gewalt durch Männer eine großartige Sache, aber wo sind vergleichbare Angebote für Männer? Häusliche Gewalt geht nicht nur von Männern aus, sie ist sogar sehr gleich verteilt unter den Geschlechtern. Ich könnte noch viel mehr Punkte auflisten, wo Männer im Nachteil sind, aber: maximal 1000 Zeichen sind hier zulässig.

All diese Dinge müssen angesprochen werden dürfen, ohne dass das als Frauenhass oder Hetze aufgegriffen wird und genau das ist das Problem des aktuellen Feminismus: jedwede Kritik wird ungeachtet ihrer Argumente als Hass und Hetze diffamiert. Das schadet der Gleichberechtigung enorm.
Ich bitte das zu bedenken.
MfG

  • Antwort von Robert, Freitag, 04.September, 06:01 Uhr anzeigen

  • Antwort von maSu, Freitag, 04.September, 10:47 Uhr anzeigen

  • Antwort von David Ehrgart, Freitag, 04.September, 13:34 Uhr anzeigen

  • Antwort von Robert, Freitag, 04.September, 16:28 Uhr anzeigen

  • Antwort von David Ehrgart, Freitag, 04.September, 20:54 Uhr anzeigen

  • Antwort von David Ehrgart, Freitag, 04.September, 20:58 Uhr anzeigen

  • Antwort von maSu, Samstag, 05.September, 00:35 Uhr anzeigen

  • Antwort von Robert, Sonntag, 06.September, 02:06 Uhr anzeigen

  • Antwort von David Ehrgart, Mittwoch, 09.September, 15:31 Uhr anzeigen