nebenan Netzkonferenz Richtig teilen, besser bloggen, selber nähen
Wir bewegen uns im Netz wie Kaulquappen in einem Tümpel. Im Schwarm, von Instinkten gesteuert und in ständiger Entwicklung. Aber in welchem Stadium befinden wir uns gerade? Drei schlaue Gedanken zur Zukunft des Internets.
Auf der freundlichen Internetkonferenz nebenan, die dieses Jahr zum ersten Mal im Hamburger Coworkingspace Betahaus stattfand, sollten ursprünglich nur Leute zu Wort kommen, die auf der wichtigsten deutschen Netzkonferenz re:publica kein Panel bekommen hatten. Aber dann wollten sich die beiden Veranstalter Ole Reißmann und Ulrike Klode doch lieber von der #rp15 lösen und ihr eigenes Ding machen. Es hat sich gelohnt, denn es ging wirklich freundlich zu und ein paar schlaue Gedanken kamen dabei auch noch rum.
Teilen ist keine Einbahnstraße
Täglich teilen, twittern und posten wir Fotos, Videos oder Artikel, die uns irgendwie interessieren. Aber wann ist es eigentlich richtig, einen Inhalt zu teilen und wann nicht? Schließlich ist auch im Netz Kommunikation keine Einbahnstraße. Wer sich in der Sekunde, in der er irgendeinen Inhalt mit seinen Freunden, Followern oder dem Rest der Welt digital teilt, privat fühlt, weil er vielleicht gerade mit dem Smartphone auf dem Klo sitzt oder mit dem Rechner auf dem Schoß im Bett, ist es noch lange nicht. Wir sollten mehr darauf achten, was wir rausblasen, sagt der Informatiker, Autor und Philosoph Jürgen Geuter, im Netz als @tante bekannt.
"Der Schnitt an Facebook-Freunden liegt bei 200. Zu 200 Leuten spricht man einfach, wenn man da was reinschreibt, vielleicht sogar noch mehr, wenn es weitergeleitet wird. Das heißt, viele Leute haben eine Reichweite wie eine Lokalzeitung. Viele haben zum Beispiel IS-Bilder weitergeleitet und das, obwohl sie den IS natürlich überhaupt nicht unterstützen wollen, sondern weil sie schockiert waren. Damit haben sie aber die Bilder des IS übernommen und die Opfer sind nur noch Opfer. Die sind nur noch das Ding, das der IS aus ihnen gemacht hat, nicht die Person, die sie eigentlich waren."
Jürgen Geuter
Jürgen Geuter schlägt deshalb vor: Wir brauchen eine Ethik des Teilens. Das klingt kompliziert, er hat für seine Ethik aber eine einfache Frage formuliert: Bin ich der/die RICHTIGE um genau JETZT genau DIESEN INHALT von DIESER QUELLE auf genau DIESE ART UND WEISE mit MEINEN FOLLOWERN zu teilen?
Blogs sind im Mainstream angekommen
Dass Blogs Mainstream sind, stimmt, muss aber auch gleich wieder relativiert werden. Was von der Nische in den Mainstream wandert, wandert in der Regel auch bald ins Grab. Bei Blogs ist das aber anders. Die Masse der User hat bloggen zwar nicht mehr auf ihrer Liste "Dinge, die ich in meinem Online-Leben noch erledigen muss". In der Nische boomen Blogs aber trotzdem, nur eben für die Masse unsichtbar, sagt Webentwickler Felix Schwenzel.
Zwar vereinfachen Facebook und Twitter unsere Kommunikation im Netz, an schönen Alternativen dazu basteln aber Blogger der so genannten Indieweb-Bewegung. Die will das Bloggen zu einer ästhetisch und technisch innovativen Ausdrucksform machen. Manchmal kommt dabei unübersichtliches Chaos heraus, manchmal aber auch eine ziemlich geniale Idee, wie Felix Schwenzel auf der nebenan-Netzkonferenz mit einem Instagram-Foto demonstriert hat, das er innerhalb von Sekunden auf seinen Blog schubsen konnte.
Nähblogs tragen zur feministischen Selbstermächtigung bei
Für wen Stricktutorials, Nähblogs und die digitale Verbreitung aller weiteren Handarbeitsskills bislang zur Kategorie "rotes Tuch" und Mädchenzeug gehört haben, hat noch nicht Meike Rensch-Bergner aka @fraucraftlen, im Netz und auf ihrem Blog kennengelernt. Sie nennt sich nicht nur feministische Nähbloggerin, sie begründet das auch ziemlich gut: Selbstermächtigung bedeutet für sie in diesem Zusammenhang, etwas selbst zu können, also zum Beispiel DIY-mäßig Klamotten herstellen, um damit die eigene Welt mit den eigenen Händen zu gestalten.
"Die meisten Nähbloggerinnen arbeiten Vollzeit was anderes, um ihr Geld zu verdienen. Der Grund, in der Freizeit zu bloggen, ist oft, dass man selbst als Leserin viel von anderen Blogs bekommen hat und dann irgendwann Teil dieses Ganzen sein und was zurückgeben will."
Meike Rensch-Bergner
Das leidige Hobby, das mittlerweile keiner mehr haben will, weil schließlich der Job schon komplett erfüllend sein sollte, deutet sie einfach um: "Nenn es nicht Hobby, nenn es Leidenschaft."