Streetart in Palästina Ist Banksys Kunst auf der Grenzmauer ein Fail?
Mit seinen Stencils lockt Banksy viele Touristen ins Grenzgebiet von Israel und Palästina. Eigentlich will er damit auf die miese Lage der Menschen aufmerksam machen. Ob das klappt? Viele Leute in Bethlehem sind sich nicht sicher.
Moodi ist Streetart-Tourguide in Bethlehem. Er zeigt den Touristen die vielen Stencils und Graffitis auf der riesigen, grauen Mauer. Der Mauer, die Israel und Palästina trennt. Portraits von Freiheitskämpfern oder Schriftzüge wie "Freedom for Palestine" - diese Kunst ist eindeutig politisch. Sie kommt von Aktivisten aus der Gegend, aber auch von internationalen Stars wie Banksy.
Ein Aktivist, der statt Steinen mit einem Blumenstrauß wirft oder eine Friedenstaube, die eine kugelsichere Weste trägt: der Künstler hat sich in den letzten zehn Jahren mehrmals auf dem Beton verewigt. In Bethlehem ist um die Streetart ein richtiger Hype entstanden. Angeblich kommen mittlerweile mehr Leute wegen Banksy, als wegen Jesus' Geburtsgrotte. Die vielen Besucher findet der Palästinenser Moodi - der selbst Sprayer ist - super. Nicht nur, weil er daran verdient:
"Wir verbreiten damit auf friedliche Weise unsere Botschaft. Wir möchten den Menschen zeigen, wie wir uns fühlen. Es gibt so viele Probleme wegen der Besatzung. Das können wir zwar nicht ändern, aber so können wir zumindest eine Botschaft vermitteln. Die Leute können hier her kommen, die Graffitis anschauen - und dann werden sie sehr gut verstehen, worum es hier geht."
Moodi, Streetart-Tourguide
Ob die Touristen durch die Spraykunst den Konflikt aber wirklich besser verstehen? Nicht alle sind so optimistisch wie Moodi. Das Problem: Die Graffiti-Touristen, die er herumführt, machen ihre Bilder von der Mauer - und düsen dann meist direkt wieder ab. Von den Lebensumständen der Bewohner bekommen sie dabei nur wenig mit. Auch nicht von der Geschichte, wie die Mauer entstanden ist. Doch genau das wollen die Bewohner: Dass diese Mauer nicht einfach als normal akzeptiert wird. Durch die Kunst wird sie eher verharmlost oder sogar noch beschönigt, kritisieren manche. Im schlimmsten Fall würde sie nur als Kunstobjekt in Erinnerung bleiben.
Jamil Khader ist Anglistikprofessor und Studiendekan an der Bethlehem University. Er beschäftigt sich wissenschaftlich mit Banksys Werken.
"Banksy hat angeblich selbst erzählt, wie er eines Tages die Mauer bemalte und ein alter Palästinenser vorbei gekommen ist und gefragt hat: Was machst du da? Banksy hat gesagt: Ich male auf die Mauer. Woraufhin der alte Mann ihn angeschaut und gesagt hat: Mach das nicht. Die Mauer ist hässlich. Mach sie nicht schön. Geh heim."
Jamil Khader, Anglistikprofessor und Studiendekan, Bethlehem University
Dass es Banksy nicht nur um schöne Bilder geht, stellt er auch mit seinem neuen Hotel klar. Es steht direkt an der Mauer und wirbt mit der schlechtesten Aussicht der Welt. Eine Dauerausstellung im Erdgeschoss zeigt die Geschichte Palästinas und das Leiden der Bevölkerung. Der Backpacker und Hotelgast Matthew aus Kanada glaubt, dass die Ausstellung Touristen erreichen kann, die sich sonst nicht so sehr für die Situation Palästinas interessieren würden. Trotzdem sollten Besucher auch vor die Tür gehen und ihre eigenen Erfahrungen machen, sagt er:
"Diese Location ist super. Aber man bekommt nicht mit, wie Palästina wirklich ist, wenn du hier drin bist. Ich glaube, darin liegt auch die Gefahr. Ich war in Museen in Israel, habe an Touren in Palästina teilgenommen, und Museen in Palästina besucht. Ich habe mit Leuten in Palästina gesprochen und mit Leuten in Israel. Ich halte es für sehr wichtig, sich so viele verschiedene Sichtweisen wie möglich anzuhören und sich dann seine eigene, unabhängige Meinung zu bilden."
Matthew, Backpacker
Tourguide Moodi findet, dass es jedem Besucher selbst überlassen ist: ob er sich nur für die Kunst - oder auch für Land, Leute und Geschichte interessiert:
"Wenn Leute hierher kommen und Geschichten über das Leben hier hören wollen, dann erzählen wir ihnen die. Wenn sie Graffiti sehen wollen, dann zeigen wir ihnen Graffiti. Und wenn jemand eine politische Tour machen möchte, dann bekommt er sie. Es hängt ganz von einem selbst ab."
Moodi, Streetart-Tourguide
Sendung: Filter, Montag 24.02.2017 ab 15 Uhr.