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Fingierte Hilfskampagne Aktivisten rekrutieren Pflegeeltern

Die Meldung klang gut: Deutschland nimmt 55.000 syrische Kinder auf. Potentielle Pflegefamilien meldeten sich und wollten helfen. Allerdings waren sie einer Aktivistengruppe aufgesessen - dem "Zentrum für politische Schönheit".

Stand: 12.05.2014 | Archiv

Syrische Flagge | Bild: colourbox.com

55.000 syrische Kinder dürfen nach Deutschland kommen und hier in Pflegefamilien leben, bis der Krieg in ihrem Heimatland beendet ist. Das hat Familienministerin Manuela Schwesig angeblich bewilligt, mit einem neuen Hilfsprogramm der "Kindertransporthilfe des Bundes". Angeblich. Denn die Meldung stimmt nicht. Sie ist Teil einer Aktion der Künstler- und Menschenrechtsaktivisten-Gruppe "Zentrum für politische Schönheit".

In ihrer fingierten Kampagne sucht die Gruppe für die "Kindertransporthilfe des Bundes" mit einem aufwändigen Video nach Pflegefamilien für 55.000 Kinder. Und zwar so professionell, dass viele Leute auf die Kampagne reagieren, sagt Aktivistin Simone Kantala. Bei ihr haben seit der eingefädelten Falschmeldung viele Menschen angerufen, die syrische Kinder aufnehmen würden. Die Emotionen sind dabei so hochgekocht, dass die Menschenrechtler ihre Aktion abbrechen und aufklären mussten. Das ist eigentlich ein Bruch mit ihrer Strategie: Normalerweise zieht die Gruppe ihre politischen Aktionen komplett durch. Jeder bleibt in seiner Rolle und tut so, als ob das, was er sagt, die Realität ist.

Fokus zurück auf Syrien

Was tatsächlich real ist: 5,5 Millionen syrische Kinder brauchen nach Angaben von UNICEF Hilfe. Deutschland will 10.000 Flüchtlinge aufnehmen. Für die Aktivisten sind das viel zu wenig. In der fingierten Kampagne fahren sie die Strategie "1 aus 100". Das heißt konkrekt: 55.000 syrische Kinder nach Deutschland holen. Mit der Aktion will die Künstlergruppe den Fokus wieder stärker auf Syrien richten und Druck auf Deutschland ausüben, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die Regierung hat auf die Aktion noch nicht reagiert.

Simone hat versucht, mit dem Familienministerium zu telefonieren, wurde aber abgewimmelt. Jetzt warten die Aktivisten auf eine offizielle Antwort. Es geht den Menschenrechtlern aber nicht darum, etwas zu bekommen. "Viel wichtiger ist es, dass die Aktion zeigt, dass eine solche Kinderhilfe möglich ist." Die Transporte könnten tatsächlich stattfinden – und das hat es in dieser Form auch schon gegeben. Vor dem Zweiten Weltkrieg hat die britische Regierung knapp 10.000 jüdische Kinder aus Deutschland aufgenommen. Das ist die Vorbildaktion für die Aktivisten vom "Zentrum für politische Schönheit". Denn wenn das damals möglich war, sollte es heute erst recht machbar sein. Das Problembewusstsein dafür ist bei den Leuten da, jetzt muss die Politik reagieren.

Zentrum für Politische Schönheit

Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) beschreibt sich als "Sturmtruppe zur Errichtung moralischer Schönheit, politischer Poesie und menschlicher Großgesinntheit, entsprungen aus den Lehren des Holocaust".
Bekannt wurde die Gruppe mit einem "Thesen-Anschlag" auf den Bundestag. 2010 präsentierte das ZPS im Namen von 6.000 Überlebenden des Srebrenica-Genozids ein Mahnmal gegen die Vereinten Nationen: die Säulen der Schande. Immer wieder schaffen es die Aktivisten, mit ihren Aktionen breites Medienecho zu erzielen.


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