Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Bayerische Bibliotheken Geistige Tankstellen

Bayerns Bibliotheken sind weit mehr als nur Aufbewahrungsorte für Bücher. Sie sind geistige Tankstellen und gleichzeitig Orte der Begegnung mit steil nach oben zeigenden Besucher- und Ausleihzahlen.

Von: Birgit Fürst

Stand: 19.12.2016 | Archiv

Fotograf Gerald Raab steht in einem finsteren Keller der Bamberger Residenz. Vor ihm glänzt im Licht der Scheinwerfer ein strahlender Schatz: ein handtellergroßes Bild der Weihnachtsgeschichte in einem alten Buch. Maria, Josef, das Kind in prächtigen Gewändern mit viel Gold und Silber, alles mindestens tausend Jahre alt.

"Das ist auch für mich immer noch faszinierend, wenn ich umblättere und sage: wow, da strahlt mir irgendwas entgegen. Also es ist wirklich faszinierend, wenn man so ein Buch öffnet und es betrachten darf."

Gerald Raab, Fotograf

Der Fotograf der Staatsbibliothek Bamberg digitalisiert mit die wertvollsten Bücher, die es in Bayern gibt. Kaiser Heinrich II hat dem von ihm gegründeten Bistum eine theologische Grundausstattung mit 165 Handschriften gestiftet. Das ist die weltweit einzige, weitgehend geschlossen erhaltene kaiserliche Bibliothek des Frühmittelalters.

"Ich hab eine enorme Hochachtung vor einem Mönch, der vor 1000 Jahren in einem dunklen Raum, der möglicherweise zugig war, bei Kerzenschein so ein filigranes Kunstwerk geschaffen hat, obwohl der Rücken schmerzt. Man muss sich so einen Menschen am Pult vorstellen, hinten zwickts und ist kalt und vorne muss er sich trotzdem konzentrieren und die filigrane Arbeit verrichten."

Gerald Raab, Fotograf

Die staatliche Bibliothek Regensburg. Hier hat man in Zusammenarbeit mit Google bereits 70.000 Bücher digitalisieren lassen. Der gesamte urheberrechtsfreie Bestand der dortigen staatlichen Bibliothek, also alle Bücher, deren Autoren länger als 70 Jahre tot sind, wurden einfach eingescannt. Einfaches Scannen, keine Fotografenkunst wie in Bamberg. Und das auch noch in Zusammenarbeit mit dem Internetgiganten Google? Der Direktor der Staatlichen Bibliothek Regensburg Bernhard Lübbers ist trotzdem äußerst zufrieden:

"Das is ned die Heilsarmee. Die wollen ganz klar Traffic, wie man neudeutsch sagt. Bibliotheken san Schätze, was da an Wörtern in diesen Büchern drin steckt und das wollen die durchsuchbar haben. Das ist uns völlig bewusst. Aber wer hätte diese gewaltige Summe für eine relativ kleine Bibliothek in die Hand genommen? Das ging nur auf diesem Weg. Für uns hat es mehrere Vorteile gehabt. erstens samma unserem Traum, den Bibliotheken seit 5.000 Jahren anhängen, näher gekommen,  alles immer verfügbar zu haben für den Nutzer. Zweitens ist dieser Bestand, der digitalisiert wurde, dadurch geschont. Das heißt man muss die Originale weniger bewegen. Und wir können feststellen, dass seitdem alle klassischen Parameter explodieren."

Bernhard Lübbers, Direktor der Staatlichen Bibliothek Regensburg

Die Anfragen, die Ausleihzahlen, die Benutzerzahlen - alles geht seit der großen Digitalisierungsaktion 2015 nach oben. Und das in sämtlichen bayerischen Regionalbibliotheken, die alle rund 200 Jahre alt sind. Die Säkularisation war die Geburtsstunde der regionalen Bibliotheksstruktur. Das Wissen der Zeit, das bis dahin hinter Klostermauern lagerte, sollte allen Bürgern des neuen Staates zur Verfügung stehen. Bestehende Bibliotheken wie in Bamberg, Regensburg oder Passau wurden zu Regionalbibliotheken. In Straubing, Amberg und Neuburg ließ König Max I. Joseph neue Provinzialbibliotheken einrichten. Ein Drama für die Klöster, deren Bibliotheken oft zerschlagen werden. Die wertvollsten Bücher kamen nach München in die Hofbibliothek, die heutige Bayerische Staatsbibliothek. In Neuburg aber sollte die Martinskirche neuer Standort für Bücher werden. Ein repräsentatives Bibliotheksgestühl dafür war schnell gefunden - im ehemaligen Zisterzienserkloster Kaisheim nämlich:

"Das ist auf Pferdefuhrwerken nach Donauwörth geschafft worden und dann auf Schiffen auf der Donau nach Neuburg und ist hier in diesen Raum eingepasst worden. Ich sag bewusst eingepasst, weil der Kaisheimer Saal deutlich größer ist als der Neuburger. Und dass eigentlich dieses Bibliotheksgestühl gar nicht in diesen Raum reinpasst."

Bibliotheksleiter Gerhard Robold

Der Freistaat Bayern investiert beträchtliche Summen in seine Regionalbibliotheken. Teuerstes Einzelprojekt derzeit ist ein 24-Millionen-Neubau in Augsburg. Und das aus gutem Grund: Bayerns Bibliotheken sind weit mehr als nur Aufbewahrungsorte für Bücher. Sie sind geistige Tankstellen und gleichzeitig Orte der Begegnung. Darüber hinaus hat jede einzelne von ihnen neben ihrer ganz eigenen Geschichte unterhaltsame und spannende Geschichten zu erzählen, denen Birgit Fürst in ihrem Zeit-für-Bayern-Feature nachspürt.


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