Leinwand am Geschwister-Scholl-Platz mit Aufnahmen vom 7. Oktober.
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Leinwand an Uni München zeigt Hamas-Verbrechen

Am Geschwister-Scholl-Platz gibt es gegenüber dem "Pro-Palästina-Camp" jetzt eine Leinwand, auf der die Gewaltverbrechen der Hamas gezeigt werden. Der geschichtsträchtige Ort solle damit nicht nur einem Narrativ überlassen werden, so der Organisator.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Die Videos auf der großen Leinwand gegenüber dem "Pro Palästina Camp" an der Universität München haben keinen Ton. Abgespielt werden zwei Versionen: Einmal sind Aufnahmen der von der Hamas entführten Geiseln zu sehen. Das andere Video zeigt zusammengeschnittene Szenen vom 7. Oktober 2023: Wie Terroristen der Hamas auf offener Straße auf Menschen zielen. Oder wie eine junge Frau am Nova-Festival mit blutverschmierter Kleidung in einen Pick-up gezogen wird.

"Diskurs nicht einseitig dem Pro-Palästina-Narrativ überlassen"

Student Gerald Hetzel aus Passau hat die Leinwand organisiert und steht nun zusammen mit anderen Studierenden aus München am Platz vor der Uni, um Fragen zu beantworten. Zu seiner Motivation sagt er, dass er "so einen historischen Ort nicht einseitig dem Pro-Palästina-Narrativ" überlassen wolle. "Daher war meine Idee, mit der Video-Leinwand Passanten den Grund des Gaza-Krieges, das brutale Massaker der Hamas am 7. Oktober, wieder ins Bewusstsein zu rücken". Schließlich habe Israel den Krieg nicht gewollt, so Hetzel, und sei durch den Angriff der Hamas dazu gezwungen worden.

Gerald Hetzel ist Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Die Leinwand habe er jedoch privat organisiert, mithilfe von Spenden. "Stand jetzt ist die Finanzierung bis Sonntag gesichert. Ein Tag kostet mehr als 1.000 Euro für die Leihgebühr der Leinwand und die anderen Geräte."

Außer der Videoinstallation, umrahmt von israelischen Flaggen, gibt es am Geschwister-Scholl-Platz sonst nichts zu sehen. Keine Banner oder Plakate mit Aufschriften. Hetzel sagt, dass es ihm persönlich ein wichtiges Anliegen sei, mit dem Video auch auf die Freilassung der rund 130 Geiseln aufmerksam zu machen, "die wahrscheinlich unter schrecklichen Bedingungen gefangen gehalten werden", so der angehende Rechtsreferendar.

Videoinstallation direkt gegenüber "Pro Palästina Camp"

Die Videoinstallation befindet sich direkt gegenüber vom "Pro Palästina Camp". Von der Seite am Geschwister-Scholl-Platz aus ist eine große Palästina-Flagge zu sehen mit der Aufschrift: "End Israeli Apartheid. Free Palestine". Auf einem Banner steht "Ceasefire now", also die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand. Plakate, die das Handeln der Hamas kritisieren, sind nicht zu sehen.

Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte am Dienstag eine Entscheidung des Münchner Verwaltungsgerichts und lehnte eine Beschwerde des Münchner Kreisverwaltungsreferats ab. Das Protestcamp darf seitdem in unmittelbarer Nähe zur Universität stattfinden. BR24 war am Dienstag vor Ort und hat ein umfassendes Stimmungsbild eingefangen.

"Wir zeigen nur Bilder, die auch in den Nachrichten zu sehen waren"

Auf der Social-Media-Plattform "X" löst die Aktion mit der Leinwand viele Reaktionen aus und wird von einem Großteil der Menschen positiv beurteilt. "Das ist außergewöhnlich. Danke, München", schreibt etwa die Journalistin Mirjam Fischer. "Das ist eine sehr gute Idee, ich hoffe, es wird endlich mal den Leuten die Augen öffnen, die die Hamas so sehr feiern", kommentiert YulYu.

Andere, wie etwa "Collet Liz", geben zu bedenken, ob die gezeigten Szenen nicht zu grausam seien, um Passanten im öffentlichen Raum unvermittelt damit zu konfrontieren. Sie kommentiert auf X: "Dem Pro-Palästina-Camp deutlich etwas entgegenzusetzen, mutet reflexartig richtig, wichtig und auch unübersehbar deutlich geboten an. Im ersten Moment. Doch die Frage kommt dahinter: Wie kann es sein, dass die schrecklichen Bilder im öffentlichen Raum damit auch Kindern gezeigt werden, die dort allein oder mit Erwachsenen unterwegs sind, mitten in der Stadt, an belebter Ludwigstrasse?"

Organisator Hetzel betont, dass bei der Auswahl der Bilder darauf geachtet wurde, eine "Light-Version" zu zeigen. Ohne Leichen, ohne direkt zu sehende Erschießungen. "Wir zeigen nur Bilder, die auch in den Nachrichten zu sehen waren", so der Aktivist.

KVR: Videos müssen "informativen Charakter" haben

Das Kreisverwaltungsreferat hat die Leinwand-Aktion an der Münchner Uni bis 26. Mai "geregelt und bestätigt", so die Behörde auf BR-Anfrage. Diese Regelung schließe eine Verlängerung nicht aus. Etwa, wenn auch das Camp gegenüber länger bestehen bleibe.

Laut KVR wurden dem Organisator der Leinwand-Aktion vorab Auflagen erteilt: So dürfe es nicht zu Straftatbeständen kommen, beispielsweise durch das Zeigen von Gewalt oder Verletzungen von Persönlichkeitsrechten. "Der Veranstalter hat angekündigt, die Mitschnitte von den Geschehnissen um den 07.10.2023 ganz wesentlich zu entschärfen, ohne Ton abzuspielen und zu entpersonalisieren, sodass eher ein informativer Charakter entsteht", so Margarete Arlamowski vom KVR. "Die Einspielungen werden vor Ort von den Sicherheitsbehörden, auch unter Einbezug von jugendschutzrechtlichen Erwägungen, gesichtet und gegebenenfalls nachgesteuert".

Die Polizei München teilt auf BR-Anfrage mit, dass derzeit sechs bis zehn Einsatzkräfte rund um die Uhr an der Münchner Universität vor Ort sind, auch nachts.

Bei den Videos mit den Geiseln liege das Einverständnis der Opferfamilien vor, sagt Hetzel zu der KVR-Auflage, das die Persönlichkeitsrechte respektiert werden müssen: "Wir verwenden nur Material aus dem Forum der Opferfamilien".

LMU-Studentin aus Israel: "Kein Interesse an einer echten Diskussion"

Bei der Aktion am Geschwister-Scholl-Platz sind auch zwei Studierende aus Israel dabei. Die LMU-Studentin, die namentlich nicht erwähnt werden möchte, erklärt: "Wir sind hier und wir beantworten gerne Fragen". Sie wolle bei den Gesprächen auch nicht verschweigen, dass sie selbst in der israelischen Armee gewesen sei und vor ihrem Studium in München ihren Pflicht-Wehrdienst in Israel absolviert habe.

Nach dem ersten Tag fällt ihr Resümee allerdings ernüchternd aus: Sie berichtet, sie habe nicht das Gefühl, dass die Pro-Palästina-Aktivisten an einem Gespräch interessiert seien. Nur ein paar seien überhaupt rübergekommen", erzählt sie, "mit festen Ansichten und Meinungen". Sie lasse sich gerne auf Diskussionen ein, sagt sie weiter. Selbst werde sie aber nicht rübergehen.

Ihr israelischer Kommilitone Yishay Hazan hingegen war drüben im "Pro Palästina Camp". Sogar ein paar Mal. Überrascht habe ihn, dass er dort keine Menschen aus den palästinensischen Gebieten getroffen habe. Erreicht habe er nicht viel, meint er. Aber es sei auch nicht so gewesen, dass er Angst haben musste. "Sie haben eine vorgefertigte Meinung und vieles, was sie sagen, stimmt so nicht. Aber sie sind friedlich und tun uns nichts".

Muslimin: "Gute Idee, miteinander zu diskutieren"

Die Aktion wird nicht nur im Netz, sondern auch an der Münchner Uni kontrovers diskutiert. Mehrere Passantinnen und Passanten bleiben stehen und betonen, dass es wichtig sei, auch diese Bilder nicht zu vergessen. Andere stellen das gezeigte Material infrage. "Das wurde alles inszeniert von den Israelis, die wussten das doch vorher, dass es passieren wird", sagt ein etwa 45-jähriger Mann mit Wurzeln aus Marokko. Nach einem Wortgefecht mit dem Organisator verlässt er wütend den Platz. In Israel oder den palästinensischen Gebieten sei er selbst nie gewesen, räumt er ein.

Am späten Donnerstagabend kommen zwei muslimische Studentinnen mit bosnischen Wurzeln zufällig vorbei. "Was soll das?", fragt eine von ihnen und als ihr die israelische Studentin die Idee dahinter zu erklären versucht, fragt die junge Frau zurück: "Warum tötet ihr 30.000 Menschen und sogar Babys?"

Es entwickelt sich daraufhin eine lange und lebhafte Debatte zwischen der Muslimin und der israelischen Studentin. Ihre Begleiterin ist eher zurückhaltend, hört vor allem zu. Nach einer Weile sagt sie: "Es ist für beide Seiten schwer. Im Grunde ist das doch wie bei einem normalen Streit. Irgendwann muss man eine Lösung finden und nicht immer nur aufzählen, wer was in der Vergangenheit falsch gemacht hat".

Die vier jungen Leute, die israelischen und die bosnischen Studierenden, stehen lange beieinander und diskutieren. Es geht um die Berichterstattung zum Nahost-Krieg, um Zahlen über Getötete im Gazastreifen, um die Gründung des Staates Israel. Irgendwann fragen sie die jeweils anderen nach dem Alter und was sie studieren. Die Diskussion entspannt sich etwas. Nach etwa 45 Minuten sagt eine der beiden Musliminnen, dass es eine gute Idee war, stehenzubleiben und sich auszutauschen. Überhaupt sei es das erste Mal gewesen, dass sie mit Menschen aus Israel direkt gesprochen hätten.

Im Video (Archiv): Juristisches Tauziehen um das Pro-Palästina-Camp an der LMU

Aktivisten nehmen am propalästinensischen Protestcamp an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität am Professor-Huber-Platz teil.
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In München geht das juristisches Tauziehen um das Pro-Palästina-Camp an der Universität weiter.

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