Schulzentrum nach Tötung eines 14-Jährigen in Lohr am Main
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Schulzentrum nach Tötung eines 14-Jährigen in Lohr am Main

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Toter 14-Jähriger in Lohr am Main: Was bisher bekannt ist

Ein 14-Jähriger soll einen gleichaltrigen Mitschüler am 8. September in Lohr am Main erschossen haben. Die mutmaßliche Waffe entdeckten Ermittler in der Wohnung des Verdächtigen. Die Tat gestand der aber nicht. Was bisher bekannt ist.

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Am Ende der großen Ferien hatten sich Jugendliche auf dem Gelände ihrer Schule im unterfränkischen Lohr am Main getroffen. Dann soll ein 14-Jähriger einen Gleichaltrigen erschossen haben. Der mutmaßliche Täter sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft – doch viele Fragen bleiben. Was bisher bekannt ist:

Wie wurde die Tat bekannt?

Am 8. September erschien ein 15 Jahre alter Schüler bei der Polizeiinspektion in Lohr. Gegen 16.30 Uhr teilte er den Beamten mit, dass ein Freund von ihm einen Jugendlichen auf dem Gelände des Schulzentrums getötet habe.

Sofort setzte sich eine Polizeistreife in Bewegung. In einer kleinen Grünanlage neben der Schule fanden die Polizisten tatsächlich einen leblosen Jugendlichen. "Die Kollegen versuchten noch Erste Hilfe zu leisten", so ein Polizeisprecher. Wie es heißt, konnte ein hinzugerufener Notarzt aber nur noch den Tod des 14-Jährigen feststellen. Die Polizei ging schnell von einem Tötungsdelikt aus.

Wer ist der mutmaßliche Täter?

Noch am selben Tag nahm die Polizei einen Teenager fest. Es handelt es sich um einen 14-jährigen Mitschüler des Getöteten. Ein Ermittlungsrichter hat Haftbefehl gegen ihn erlassen – wegen des dringenden Tatverdachts des Mordes. Mit seinen 14 Jahren gilt er als strafmündig. Er befindet sich in Untersuchungshaft. Die beiden Jugendlichen sollen die 8. Klasse der an den Tatort angrenzenden Mittelschule besucht haben. Hinweise auf weitere Tatbeteiligte gibt es laut Polizei bislang nicht.

Wie wurde der Jugendliche getötet?

Die Obduktion ergab, dass der 14-jährige Jugendliche durch einen Schuss in den Kopf getötet wurde. Mittlerweile hat ein Sprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken auf BR-Nachfrage bestätigt, dass dem Jugendlichen von hinten in den Kopf geschossen worden sei.

Bis in die Nacht arbeitete die Spurensicherung an dem hell erleuchteten Tatort nahe des Nägelsee-Schulzentrums. Am späten Freitagabend wurde der Leichnam des Schülers dann abtransportiert.

Wurde die Tatwaffe gefunden?

Bei einer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter gab der tatverdächtige 14-Jährige an, wo das Versteck der mutmaßlichen Tatwaffe sei. In der Wohnung des Jugendlichen fand die Polizei daraufhin eine Schusswaffe. Dabei handelt es sich um eine ČZ 75, eine halbautomatische Selbstladepistole. Wie der Jugendliche in den Besitz dieser kommen konnte, war zunächst unklar. "Das ist auch für uns eine ganz entscheidende Frage, zu wissen, wie konnte ein 14-Jähriger in den Besitz einer Schusswaffe gelangen", sagte ein Polizeisprecher.

Wem gehörte die Tatwaffe?

Drei Tage nach der Tat vermeldeten die Ermittler schließlich, dass die Waffe von einem 66 Jahre alten Nachbarn des Verdächtigen stamme. Das konnte die Polizei über die Individualnummer der Waffe ermitteln. Der Nachbar besaß die Waffe legal und mit den entsprechenden vorgeschriebenen waffenrechtlichen Erlaubnissen. Als die Polizei die Wohnung des Mannes überprüfte, fand sie die übrigen Waffen dort vorschriftsgemäß gesichert vor, Einspruchspuren gab es keine.

Wie die Staatsanwalt Würzburg auf Nachfrage von BR24 bestätigt, ist der 66-jährige Lohrer inzwischen verstorben. Er konnte vor seinem Tod nicht vernommen werden, da er schwer krank im Krankenhaus lag. Wie der jugendliche Tatverdächtige die Waffe seines Nachbarn bekam, bleibt dementsprechend weiter unbekannt. Der Verdächtige selbst schweigt dazu. Nach Informationen der Main-Post hätten der mutmaßliche Täter und der verstorbene Waffenbesitzer "zeitweise einen vertrauten Umgang" miteinander gepflegt. Der Mann soll früher mit einer Verwandten des 14-Jährigen befreundet gewesen sein. Diese Information wollte ein Sprecher der Würzburger Staatsanwaltschaft auf BR-Anfrage nicht bestätigen, dementierte sie aber auch nicht.

Was ist zum Motiv bekannt?

Abgesehen vom Versteck der Schusswaffe hat sich der Tatverdächtige bisher nicht zur Tat geäußert. Daher sind das Motiv und der Ablauf der Tat nach wie vor völlig unklar. Auch die beiden Verteidigerinnen des Tatverdächtigen wollen sich nicht ausführlich äußern, sie wollen zunächst die Ermittlungsakte sichten.

"Die Ermittlungen der Kripo laufen jetzt natürlich auf Hochtouren", so ein Polizeisprecher zu BR24. Die Kripo Würzburg hat die Ermittlungskommission "Nägelsee" gegründet, benannt nach dem Schulzentrum neben dem die Tat stattfand. Die Polizei wird viele Personen aus dem Umfeld des Tatverdächtigen und des Opfers vernehmen. Dabei will die Polizei auch Spekulationen zu Streitigkeiten um Geld oder Drogen überprüfen. Bisher konnte ein Polizeisprecher derartige Spekulationen nicht bestätigen.

Warum wurde der Tatort mehrmals abgesucht?

Bereits in der Nacht nach der Gewalttat hatte die Spurensicherung den Tatort freigegeben. Doch am Tag darauf sperrten Einsatzkräfte des Bayerischen Landeskriminalamts den Tatort erneut ab. Mithilfe von Suchhunden wurde unter anderem nach Gegenständen gesucht, die der Tatverdächtige verloren, entsorgt oder zurückgelassen haben könnte. Ein Polizeisprecher konnte zunächst allerdings keine Angaben machen, ob sich im Zuge der zweiten Suchaktion neue Hinweise ergeben haben.

Innerhalb der ersten Woche nach der Tat hat die Polizei den Tatort und die Umgebung einige weitere Male abgesucht – und zwar nach dem Handy des Opfers. Neben Suchhunden und Tauchern rückte am Mittwoch auch Unterstützung des Technischen Hilfswerks (THW) an. Mit einer Baggerschaufel suchten die Einsatzkräfte in einem Tümpel nach dem Mobiltelefon. Erfolglos.

Das Handy des Tatverdächtigen wiederum haben die Ermittler bereits. Ob sich darauf allerdings Hinweise auf das Motiv befinden, dazu konnte ein Polizeisprecher keine näheren Angaben machen. Die Auswertung dauere an.

Der Tatort liegt in einer kleinen Parkanlage, wenige Meter hinter dem Schulzentrum, an dem sich ein Gymnasium, eine Mittel- und eine Förderschule befinden. Lohr am Main ist eine kleine, beschaulichen Stadt mit rund 15.000 Einwohnern. Sie liegt zwischen Würzburg und Aschaffenburg.

Wer kümmert sich um Trauernde?

Die Betroffenheit in Lohr am Main ist groß. Am Schulzentrum haben Lohrer Bürger Kerzen und Blumen niedergelegt. Kirchliche Seelsorger und Psychologen waren dort an den Tagen nach der Tat präsent und haben Gespräche mit Kindern und Jugendlichen geführt. Zur Trauerfeier kamen 500 Menschen. Familie, Freunde, Mitschüler. Am Ende ließen sie Luftballons in die Höhe steigen, berichtet Pfarrer Sven Johannsen: "Da hat jeder geheult."

Für die Familie sei es "eine unwahrscheinlich belastende Situation", sagte Lohrs Bürgermeister Mario Paul im Gespräch mit BR24. Er sei tief betroffen, seine Gedanken seien bei den Eltern, Geschwistern und Freunden des Jugendlichen.

"Ich bin fassungslos und so geht es auch den Lohrer Bürgern. Ich war gerade auf dem Marktplatz und habe dort die bedrückte Stimmung gespürt. Die Leute sind angesichts dieses furchtbaren Geschehens fassungslos. Ganz wichtig ist jetzt, allen Betroffenen beizustehen und Mitgefühl zu zeigen." Mario Paul, Bürgermeister von Lohr am Main

Angehörigen, Freunden und Trauernden im Fall des getöteten 14-Jährigen bietet das Krisennetzwerk Unterfranken seine Unterstützung an. Das Krisennetzwerk ist ein Angebot des Bezirks Unterfranken in Kooperation mit Trägern der freien Wohlfahrtspflege. Es berät und unterstützt Menschen, die in psychische Krisen geraten sind. Das Angebot ist kostenlos. Telefonisch erreichbar ist das Krisennetzwerk Unterfranken unter folgender Nummer: 0800-6553000. Die Mitarbeiter des Netzwerks vermitteln bei Bedarf auch ambulante oder stationäre Betreuungen. In der Vergangenheit hat das Krisennetzwerk zum Beispiel Betroffene und Angehörige nach der Würzburger Messerattacke unterstützt.

Ist der minderjährige Tatverdächtige strafmündig?

Der 14-Jährige gab zwar an, wo die mutmaßliche Tatwaffe zu finden sei, die Tat selbst gestand der Schüler aus dem Landkreis Main-Spessart aber nicht.

Der verdächtige Jugendliche ist strafmündig, denn die Strafmündigkeit beginnt mit dem 14. Geburtstag – diese Grenze gilt seit 1923. Ab 14 Jahren fallen Jugendliche unter das Jugendstrafrecht.

Unter "Strafmündigkeit" versteht man den Zeitpunkt im Leben eines Menschen, ab dem er damit rechnen muss, wegen einer Straftat gerichtlich verfolgt zu werden.

Inwieweit der Minderjährige belangt werden kann, sollte ihm die Schuld am Tod seines Mitschülers nachgewiesen werden, ist bisher unklar. Grundsätzlich gilt im Jugendstrafrecht ein Höchstmaß von zehn Jahren Freiheitsstrafe. Handelt es sich bei der Tat um Mord, so beträgt das Höchstmaß fünfzehn Jahren.

Im Video: BR-Reporter vor Ort in Lohr am Main

Gespräch mit BR-Reporter Pirmin Breninek vor Ort in Lohr
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Gespräch mit BR-Reporter Pirmin Breninek vor Ort in Lohr

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