Internationale Handwerksmesse Warten auf den Dachdecker
Auf der Internationalen Handwerksmesse in München werden Spitzenleistungen geboten. Vor allem das Baugewerbe boomt, auch wegen der niedrigen Zinsen. Die Branche meldet Rekordumsätze. Doch für die Kunden heißt das: sie bekommen kaum mehr Handwerker.
Von: Tom Fleckenstein, Rachel Roudyani
Stand: 08.03.2018
Die Handwerksbranche boomt. Vor allem in Oberbayern. Mit 80.000 Betrieben. Im vierten Quartal 2017 stieg der Umsatz auf 11 Milliarden Euro. Ein Plus von 4,5 Prozent. Deutlich mehr als die Gesamtwirtschaf. Sogar Großprojekte wie in Poing im Landkreis Ebersberg werden abgelehnt. Die Gemeinde im Osten Münchens wollte eine neue Unterführung bauen. Ein komplexer Aufrag - und lukrativ. Dennoch erhielt Poing kein einziges Angebot.
Wirtshaus-Bau: keine Handwerker für den Dachstuhl
Länger dauert es auch in Brunnthal im Süden Münchens. Die Gemeinde baut in der Ortsmite ein Wirtshaus mit Hotel und Wohnungen. Weder für den Dachstuhl noch für den Rohbau fand der Bürgermeister Handwerker aus der Umgebung. Der Markt ist leergefegt, musste auch Bürgermeister Stefan Kern feststellen:
"Das ist dann weiter gegangen bei den Fassadenarbeiten der Fenster, da haben wir versucht ein großes Los zu machen: in der Annahme, eine große Masse erzeugt auch günstge Preise. Und hatten dann die negatve Erfahrung, dass kein Angebot einging."
Stefan Kern, Bürgermeister in Brunnthal
Jetzt geht es voran mit dem neuen Wirtshaus. Doch der Bau ist um vier Monate in Verzug. Das Budget wurde um 900.000 Euro überschritten. Dennoch freut sich Stefan Kern, wenn er im April 2019 das erste Fass anzapft. Die Gemeinde, die der sich lange Jahre kein Wirtshaus mehr befand, habe die Sache "selbst in die Hand genommen, damit hier auch gesellschaftlich praktisch der Zusammenhalt gepflegt werden kann.“
Viele gehen in Rente, viel zu wenige folgen nach
Es mangelt an Handwerkern. Das zeigt der langfristige Trend. Demnach machen die Betriebe in Deutschland seit 20 Jahren zwar steigende Umsätze, doch die Anzahl der Mitarbeiter geht ständig zurück. Das merkt auch der Architekt Ritz Ritzer. In München baut er gerade eine genossenschafliche Wohnanlage. In der bayerischen Landeshauptstadt ist der Handwerkermangel eklatant.
"Auch bei einer großen Baumaßnahme wie dieser hier, wo doch bei dem zweiten Bauabschnitt 80 Wohnungen entstehen, kriegen wir manchmal nur ein, zwei Angebote, beim Fließenhandwerk zum Beispiel oder bei den Schlossern. Das ist verrückt, früher hat man bei solchen Ausschreibungen zehn, zwölf, 15 Bewerbungen bekommen."
Ritz Ritzer, Architekt, Bogevischs Buero München
Viel Nachfrage - wenig Angebot. Das liegt auch am Facharbeitermangel. In den nächsten fünf Jahren werden viel mehr Beschäfigte in den Ruhestand gehen als Nachwuchs kommt. 20 Prozent der Lehrstellen bei den Heizungs- und Sanitärbetrieben in Bayern bleiben unbesetzt.