"Rekorde sind dazu da, um gebrochen zu werden", sagt Jürgen Wax. Der Geschäftsführer der Josef Gartner GmbH in Gundelfingen steht vor einer Modellzeichnung eines gigantischen Kreuzes. 17 Meter lang und zwölf Meter breit soll es einmal werden und ungefähr hundert Tonnen wiegen. Kaum zu glauben, dass es mit diesem Gewicht auf dem Jesus-Turm der Sagrada Família in Barcelona seinen Platz finden soll. "Es wird innen begehbar mit einer Wendeltreppe und hat auch Fenster, um auf die Stadt blicken zu können", erklärt Wax. Das Kreuz entspreche vollständig den Planungen des legendären Architekten Antoni Gaudí, der mit dem Bau der Basilika vor über 140 Jahren begonnen hatte.
Hidden Champion mit "Gockelspieß"
Das Kreuz besteht aus sieben Teilen, jedes einzelne davon wird mit hunderten Schweißpunkten zusammengefügt. In den nächsten Monaten werden die Edelstahl-Skelette in Norddeutschland betoniert und erhalten eine Außenverkleidung aus Keramik. Zurück in Bayern folgt die Montage der Fenster, bevor die Elemente nach Spanien transportiert und mithilfe von Spezialkränen in luftiger Höhe verschraubt werden.
"Wir bauen gerade den zweiten Kreuzarm, das hier ähnelt ein wenig einem Gockelspieß", sagt Andre Willer, Leiter der Stahl-Montage. Denn das Stahlgerüst ist wiederum in eine Konstruktion gespannt, sodass man es drehen kann und die Beschäftigten von allen Seiten an dem tonnenschweren Element arbeiten können. Die Firma hat schon Fassaden an Hochhäusern in London oder New York verwirklicht. Die BMW-Welt in München, die Elbphilharmonie in Hamburg oder auch das Apple-Hauptquartier in Kalifornien stehen im Portfolio.
Wenn Gaudí wenig Freude macht
Das Kreuz in Barcelona wird der Sagrada Família zu einem Rekord verhelfen. Sie wird mit 172 Metern künftig den höchsten Kirchturm der Welt haben und diesen Titel dem Ulmer Münster entreißen. Letzteres hält seit mehr als 130 Jahren die Bestmarke und landet bei exakt 161,53 Metern. "Es ist schon schade, dass wir diesen Titel verlieren", sagen einige Ulmer.
Manche überlegen im Scherz, ob man nicht das Münster ein paar Meter strecken könnte. Vielleicht mit einem überdimensionalen Spatzen, der mit Grasstängel im Schnabel den Spaniern ihren Rekord wieder abnimmt. Immerhin sitzt ein kleinerer Ulmer Spatz aus Stein schon jetzt auf dem Dach der Kirche. Anderen Bürger ist dagegen egal, wer denn nun den höheren Turm hat. Schließlich bleibe das Ulmer Münster so oder so einzigartig.
Montage im Frühsommer
Ein wenig kurios ist es aber, dass ausgerechnet eine Firma aus der Region dabei hilft, den Titel streitig zu machen. Keine 40 Kilometer Luftlinie sind es von Ulm nach Gundelfingen.
Ob die Sagrada Família in Barcelona wie geplant 2026 zum hundertsten Todestag von Gaudí fertig wird, ist noch fraglich. Das Kreuz soll aber Mitte kommenden Jahres in Barcelona installiert werden, seit 2018 laufen die Vorbereitungen. "Es ist spannend, an einem derart spektakulären Projekt, vor allem, was die Statik betrifft, mitarbeiten zu dürfen", sagt Willer von der Abteilung Stahl-Montage. So bedauerlich der Verlust des Weltrekords für manchen Ulmer sein mag: Er bleibt auch künftig zumindest ein Stück weit in schwäbischer Hand.
IM VIDEO: Ulmer Münster bald nicht mehr Spitze der Welt
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