Hubert Aiwanger und Ludwig Hartmann
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jetzt red i aus Simbach am Inn

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Streit um Umspannwerk: Aiwanger schließt Enteignungen nicht aus

Streit um Umspannwerk: Aiwanger schließt Enteignungen nicht aus

Bei "jetzt red i" aus Simbach am Inn äußerten viele Bürger Kritik am geplanten Netzausbau. Bayerns Wirtschaftsminister verteidigte die Pläne, er schloss Enteignungen nicht aus. Grünen-Politiker Hartmann wandte sich mit einem Appell an die Menschen.

Über dieses Thema berichtet: jetzt red i am .

Landwirt Ludwig Riglsperger aus Simbach am Inn ist aufgebracht. Vor Weihnachten haben er und seine Frau Post bekommen: Der Netzbetreiber Tennet will ihnen elf Hektar Land abkaufen, um hinter ihrem Hof ein Umspannwerk zu errichten.

Riglsperger will aber auf keinen Fall verkaufen: "Dass man jetzt den Großteil abgeben soll, das zieht einem den Boden unter den Füßen weg", sagte er bei "jetzt red i" im BR Fernsehen.

Widerstand bei den Menschen in Simbach am Inn

Tennet sucht aktuell nach einer großen Fläche für ein Umspannwerk in der Region um Simbach am Inn. Zusätzlich ist auch eine neue 380 kV-Höchstspannungsleitung von Simbach nach Burghausen geplant.

Das Umspannwerk braucht voraussichtlich eine Fläche von rund 30 Hektar – also in etwa so viel wie 35 Fußballfelder. Der Widerstand in der Region ist groß.

Aiwanger ist für Ausbau des Stromnetzes in der Region

Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sprach sich aber für die Pläne aus. Er erklärte, Experten hätten ihm gesagt, dass der Standort "relativ alternativlos" sei. Aiwanger äußerte zwar Verständnis für die Wut der Betroffenen: "Mir tut als praktizierender Landwirt das Herz weh, wenn ich sehe, dass hier Flächen von 25 bis 30 Hektar an einem Stück draufgehen sollen für so ein Umspannwerk. Das ist ein durchschnittlicher bayerischer Bauernhof." Aber der Bau sei nun einmal notwendig.

Deshalb schloss Aiwanger auch Enteignungen von Landwirten, die ihre Flächen nicht verkaufen wollen, nicht aus: "Nein, das sage ich ganz offen, kann ich nicht ausschließen. Das ist dann leider Gottes die letzte Maßnahme, die ergriffen wird", so Aiwanger. "Das ist beim Straßenbau so, das ist auch bei diesen Maßnahmen so."

Industrie braucht in Zukunft viel mehr Strom

Der Freie-Wähler-Chef wies auf den wachsenden Energiebedarf im Chemie-Dreieck hin und warnte vor einer Deindustrialisierung: "Wir sehen, dass die Industrie immer mehr unter Druck gerät. Wir hoffen, nicht deindustrialisiert zu werden und wir hoffen, dass sich Firmen im Burghausener Chemie-Dreieck weiterhin ansiedeln." Das Stromnetz habe dort seine Belastungsgrenze bereits erreicht und müsse deshalb ausgebaut werden.

Hartmann: Ausbau des Stromnetzes unumgänglich

Der stellvertretende Landtagspräsident Ludwig Hartmann (Grüne) betonte die Notwendigkeit der Energiewende: Man wolle sich befreien aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus dem Ausland. Wenn die Industrie vor Ort in Zukunft auf Gas verzichten wolle, steige aber der Strombedarf. Der Ausbau des Stromnetzes – und somit auch der Bau des Umspannwerks sowie neuer Stromtrassen – sei deswegen unumgänglich. Der Grünen-Politiker sprach von einer "Energie-Ader, die das Chemie-Dreieck am Leben hält".

Ähnlich sah das auch Peter von Zumbusch, der Werksleiter der Firma Wacker Chemie aus Burghausen. Weil man das alte Gaskraftwerk abschalten wolle, brauche man jetzt mehr Strom: "Wir werden zwei bis drei Mal so viel Strom brauchen, um fossile Energien und Rohstoffe ersetzen zu können."

Hartmann will "mehr im Wir und weniger im Ich" denken

Obwohl in der Region viele Menschen in der chemischen Industrie arbeiten, war die Skepsis an diesem Abend sehr groß. So klagte Maria Lippeck, die Menschen in der Region hätten schon viele Stromleitungen und "Riesenmasten" vor der Haustür. Ein weiterer Landwirt kritisierte den fortschreitenden Flächenfraß: "Irgendwann geht uns der Grund und Boden aus und dann können wir aus Südamerika unsere Lebensmittel importieren."

Viele Bürgerinnen und Bürger äußerten bei jetzt "red i" außerdem den Wunsch, dass noch einmal nach alternativen Orten für das Umspannwerk gesucht werden solle. Freie-Wähler-Chef Aiwanger versprach zwar, die Sorgen und Anliegen der Bürger vor Ort ernst zu nehmen. An dem Ausbau des Stromnetzes will er aber festhalten. Ludwig Hartmann (Grüne) appellierte an die Menschen, "endlich mehr im Wir und weniger im Ich" zu denken. Nur so könne man die Herausforderungen der Zukunft meistern.

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