Vorgestellt // Micachu & The Shapes Dreh den Staubsauger auf

Der Mensch braucht Schubladen, sonst wird er ganz wahnsinnig. Eine zackige Ordnung, die die Welt angenehm sortiert. Und dann kommt auf einmal jemand und erlaubt sich, mit einem Staubsauger Musik zu machen. Gute Musik. Was soll man dann sagen? Spätestens jetzt hat irgendjemand seinen Verstand verloren. Aber Mica Levi aus London interessiert das alles überhaupt nicht.

Mit gerade mal 25 Jahren hat sie schon Geige und Komposition studiert und ein Werk geschrieben, das von den Londoner Philharmonikern aufgeführt wurde. Da ihr der Klassikbetrieb zu verstaubt und festgefahren ist, gründet sie mit zwei Studienkollegen ihre eigene Band: Micachu & The Shapes. Nebenbei prägt sie als DJ und MC die Londoner Grime-Szene – an ihrer Seite illustre Bekannte wie Ghostpoet oder Jack Peñate. Aber das alles reicht Mica Levi nicht. Um all die Musik, die ihr so im Kopf herumschwirrt besser einzufangen, baut sie sich selbst auch noch eigene Instrumente. Es gibt eben Menschen, die haben mehr Talent im linken kleinen Zeh als andere verteilt auf zwanzig Leben.

Bei so viel Wunderkind-Bohei sollte man meinen, dass beknackt verkopfte 12-Ton-Musik rauskommt. Das Gegenteil ist der Fall. Micachu & The Shapes haben gerade ihr zweites Album namens "Never" veröffentlicht. 14 Songs, für die sie nicht mehr als 35 Minuten brauchen. Unter schwurbeligem Lo-Fi verstecken sich zarte Popmelodien, die im gleichen Augenblick wieder gründlich zerhackt werden. Klassische Songstrukturen mit so banalen Dingen wie Chorus oder Strophe sucht man vergebens. Groß vermissen tut man all das allerdings nicht. Wer braucht schon einen Mitsing-Refrain, wenn er ein Staubsaugersolo geboten bekommt? Eben, niemand.

In diesem wunderbar schrägen Sinne: Experimentalpop ist eine Frau, sie heißt Micachu. Und wir freuen uns sehr, die Band - frisch von einer US-Tournee mit Animal Collective - auf dem on3-Festival begrüßen zu dürfen.