PULS Lesereihe 2020 Der Lieblingsmusiker deiner Lieblingsmusiker*innen
Geboren im Pott, aufgewachsen in Baden-Württemberg, in Berlin zuhaus. Und bald vielleicht auch auf den Schlagerbühnen der Republik - als neuer Schlagergott anstelle von Helene Fischer, eh klar. Aber erstmal kommt er mit PULS auf Lesereihe-Tour, als musikalischer Special Guest: Tristan Brusch.
Der 32-Jährige wird oft als der Lieblingsmusiker deiner Lieblingsmusiker*innen bezeichnet. Denn das Wunderkind aus Gelsenkirchen hat irgendwie gerade überall seine Finger im Spiel: Erst um die Weihnachtstage war er auf einem Foto auf Instagram zu sehen. Mit neuer Band: Den “Möse Onkelz”. Was erstmal nach Gag klingt, ist laut Musikmagazin “Diffus” bierernst gemeint. Brusch arbeitet mit Mia Morgan, Mine, Drangsal und Kaltenkirchen an gemeinsamer Musik.
Wer ist der Typ, der wie ein Vorzeige-Hipster aussieht, nach diskoeskem Schlagerpop klingt und dessen Texte “am Zahn der Zeit operieren”?
Er ist “harmonieverliebter” als andere Popmusiker*innen
Mit drei beginnt der Sohn des professionellen Violinisten Jochen Brusch Geige zu spielen. Und ja, auch selbst zu komponieren. Weil in seinem Elternhaus entweder Klassik oder The Beatles lief, hört man das laut Brusch auch heute noch aus seinen Songs raus. Er ist “harmonieverliebter” als andere Popmusiker*innen, sagt er über sich selbst. Wer das in Reinform hören will, muss sich nur in dänischen Kirchen verirren, wo Brusch bis heute wohl gemeinsam mit seinem Vater klassische Stücke aufführt. Der hat anfangs dafür seinen Sohn auch bei der Produktion seiner ersten Alben unterstützt. Brusch singt zu dieser Zeit noch auf Englisch.
So richtig bekannt geworden ist Brusch nach einem Anruf des Rappers und Produzenten Maeckes, mit dem er 2015 dann als Support der Orsons durch Deutschland tourt. Im Orsons-Song “Jetzt” wollte Maeckes einen Gitarrenpart von Brusch samplen. Die beiden verstehen sich direkt. Brusch stand wenig später bei Cros Unplugged auf der Bühne und wirkt an den Alben von Mine und Fatoni mit, die in den letzten Jahren auch mit der Lesereihe unterwegs waren.
Seine Stimme klingt rau, seine Texte tiefsinnig
Bruschs Musik ist unaufdringlich anders. Seine Stimme klingt rau, seine Texte tiefsinnig, er ist oft pessimistisch im Unterton: In “Fisch” besingt er sich selbst als “Fisch in kochendem Wasser” und “Schneemann in the sun”, steht im zugehörigen Video mit Käfig auf dem Kopf im See. Den Sound seiner aktuellen EP “Operationen am faulen Zahn der Zeit” kann man kaum besser beschreiben als “Picky Magazine”-Autor Tim: “Die Platte klingt ein bisschen so, wie du dich nach dem Feiern fühlst: Zu viel geraucht, daher fühlt sich dein Mund ekelhaft an. Du gehst ausgelaugt und mit ein paar schönen erlebten Gefühlen im Gedächtnis mehr nach Hause und fällst seelig ins Bett.”
Wer sich auf Bruschs Musik einlässt, kann sich ausgelassen feiern und am Ende zufrieden und ausgelaugt zurück ins Bett kriechen. Denn was Felix Kummer mit Rap und harten Beats schafft, macht Brusch mit Chanson-Pop und rohen Klavierklängen: Er hält in seiner Musik ein Gefühl fest, das diese Generation begleitet. Übt Kritik an der modernen Leistungsgesellschaft und deren Ängsten um die eigene Zukunft. An der Angst vor dem “Nichtgenugsein”. In seinen Videos sitzt er nackt am Klavier, in der Sauna und wir schauen ihm ganz tief in den Rachen. “Ihr seht mich an und lebt nur in Vergleichen” singt Brusch im Song „Mein Zeitbegriff”. In diesem Sinne: genug. Brusch bleibt Brusch. Anders halt.