Interview mit Clemens Loeffelholz von Colberg Dieser Münchner designt die Bühnenbilder von Bilderbuch, Cro und RIN
AnnenMayKantereits riesige weiße Wand oder Bilderbuchs ausgeflippte Mischung aus Planeten, Flugzeugtreppen und überdimensionalen Wasserhähnen: Wir haben den Mann getroffen, der die gigantischen Bühnenbilder kreiert.
Seit 15 Jahren entwirft Clemens Loeffelholz von Colberg ganze Bühnenbilder und Lightshows für Bands im deutschsprachigen Raum. Mittlerweile zählen unter anderem AnnenMayKantereit, Bilderbuch, RIN und Cro zu seinen Klienten. Trotz des massiven Erfolgs arbeitet er immer noch zusammen mit seinem alten Schulfreund Stefan Troendle von einem kleinen Münchner Atelier aus.
PULS: Clemens, du machst mittlerweile Stage- und Light-Designs für die ganz großen deutschsprachigen Bands. Wie hast du es denn so weit gebracht? Da braucht man doch sicherlich einiges an Vitamin B...
Clemens: (lacht) Vitamin B hat ja immer so einen negativen Beigeschmack. Im Endeffekt muss man sagen, dass die Szene relativ überschaubar und klein ist. Man empfiehlt sich weiter oder lernt sich mal kennen. Die Künstler wissen meistens nicht mal, wer dahinter steckt. Wenn man sich dann mal auf einem Festival trifft, heißt es: "Achso, das hast du gemacht?! Cool!" Dann entsteht wieder ein neuer Kontakt. Es gibt aber auch andere Wege: Ich habe in dem Business ein, zwei gute Freunde, die mich weiterempfehlen, weil sie meine Arbeit schätzen. Man könnte da jetzt ewig ausholen. Bei Bilderbuch hat es so angefangen, dass ich denen selbst geschrieben habe: "Hey, wollen wir nicht mal zusammen etwas machen?" Nach ein bisschen hin und her sind sie dann tatsächlich darauf eingegangen. Es ist halt jedes Mal anders.
Wie können wir uns das jetzt vorstellen: Dich ruft einer an und will ein Bühnenbild von dir?
Dass mich einer anruft, passiert erst jetzt allmählich. Es war ganz lange so, dass ich mir gedacht habe: Krass, es ruft einfach niemand an! Warum? Alle haben gesagt, dass sie meine Arbeit geil finden. Ich glaube, da muss man am Ball bleiben, bis es die Leute raffen. Ist wohl bei allem so, nicht nur auf meinem Gebiet. Seit diesem Jahr, in dem die Projekte größer werden, merkt man, dass die mehr Reichweite haben. Viele Aufträge kommen jetzt rein, weil zum Beispiel mehrere Bands bei derselben Booking-Agentur sind.
Kommen die Acts dann mit einer konkreten Idee zu dir?
Also bei Bilderbuch schaut es ganz exakt so aus (lacht). Bei der Tour im April war es so, dass Maurice, ihr Manager Christoph und ich zusammen ein paar Wochen in Panama im Urlaub waren. Da haben wir angefangen, darüber zu diskutieren. Auf die Flugzeugtreppe, die in der Mitte der Bühne steht, haben wir uns dort schon sehr schnell geeinigt.
Wir arbeiten dann hier [im Atelier in München] um die zwei Monate daran, machen das Modell fertig und geben es zur Korrektur. Das geht dann schon noch hin und her. Klar gibt es auch mal nur kurze Gespräche, Bilderbuch waren zum Beispiel super busy, weil sie in der Zeit ja auch noch ein Album rausgebracht haben und auf Promo-Tour waren. Aber wir haben eine super Vertrauensbasis, weil wir schon so viel zusammen gemacht haben und auch befreundet sind. Die Band weiß, dass es passen wird, wenn sie uns das so kommunizieren.
AnnenMayKantereits weiße Wand wirkt eher minimalistisch, RINs Megatron dagegen extrem futuristisch und detailverliebt. Da liefen doch auch sicher Planung und Umsetzung ganz unterschiedlich ab...
RIN hat schon super stark vorgegeben, was er will. Das heißt, der Megatron war gesetzt durch das Albumcover. Es gab diesen Kopf schon, wir sollten das Drumherum bauen. RIN hat uns dann wegen des Lichts reingeholt – das wollte er exakt so haben wie die amerikanischen Künstler: alle Hi-Hats, alle Snares, alle Kicks [mit Lichteffekten] betont. RIN ist übrigens Bilderbuch-Fan, er kennt die Jungs auch – die hängen ab und zu in Wien ab. Er ist auch bei der gleichen Booking-Agentur wie Bilderbuch.
Bei AnnenMayKantereit war es ganz anders. Die sind komplett frei. Die hatten nur ein grobes Gefühl, was sie wollen. Da habe ich dann eine Idee vorgeschlagen, die ich schon länger im Kopf hatte. AnnenMayKantereit wollen super analog sein und sich damit vom Rest abheben. Da habe ich mir gedacht: was ist analoger als das Blatt Papier, auf dem Henning May seine Textzeilen schreibt? So ist die Idee entstanden.
Die Band lässt sich gerne total von uns überraschen. Es gibt nur grobe Anhaltspunkte. Die sagen natürlich nicht: "Hey, wir wollen einen fetten LED-Screen und geile Laser." Das geht aber auch einfach aus ihrer Musik hervor, wenn man die kennt.
Wenn man sich die riesige Maske von Cro oder die Papierwand von AnnenMayKantereit anschaut, fragt man sich schon, ob du das alles auch selbst baust.
Man kann es vielleicht ganz gut mit einem Architekten vergleichen. Der baut das Haus ja auch nicht selbst, sondern kümmert sich darum, dass das Haus später so aussieht, wie der Kunde und er sich das vorgestellt haben. Bei uns ist es genauso. Wir haben super viele Leute um uns herum, die projektspezifisch Sachen umsetzen können. Es gibt ja auch total viele Vorschriften wie Brandschutz und Lasten. Darf man die Sachen begehen, darf man sie nicht begehen? Da gibt es Veranstaltungstechnikfirmen, die die Sachen selber bauen, aber auch einfach Setbauer. Mit denen ist man dann in Kontakt – ohne die ist das absolut unmöglich. Bei der AnnenMayKantereit-Tour waren es vier oder fünf 40-Tonner Material – da sind wir noch weit weg davon, es ansatzweise selbst zu machen. Wobei wir schon einen Quadratmeter selbst gebaut haben, um zu sehen, ob es funktioniert.
Wir haben auch die ganze Bühne nachgebaut im Maßstab 1 zu 25, um mit Licht mal durchzuleuchten und zu sehen, welche Effekte das macht. Das Bühnenmodell haben die Jungs allerdings in Berlin, wir haben hier nur die Lego-Bühne, mit der wir die echte Bühne festgelegt haben. Da waren wir nämlich mal bei AnnenMayKantereit in Köln und haben darüber diskutiert – weil wir die Bühne drehen wollten – wie viele Ebenen es dann gibt und wo die Band wann stehen soll. Ich habe dann Legosteine mitgenommen, damit wir das zusammen machen konnten.
Welches Stage-Design hat dich denn bisher am meisten Zeit und Nerven gekostet?
Super nervenaufreibend waren die beiden Riesenproduktionen AnnenMayKantereit und Cro. Das liegt aber daran, dass es das erste Mal war, dass wir so etwas Großes gemacht haben. Es geht um komplett andere Summen, die man da ausgeben kann – aber trotzdem muss man es auch schaffen, etwas zu konstruieren, das in der Größe funktioniert. Mittlerweile können wir das Zenith in München ganz gut ausfüllen mit einer Show. Das bedeutet aber nicht, dass es in der Lanxess-Arena in Köln auch funktioniert – die ist einfach zehnmal so groß. Das ist schon eine krasse Herausforderung und kostet mich dann zum Teil wirklich schlaflose Nächte, weil ich denke: "Oh Gott, ist das groß genug oder funktioniert das, was wir uns überlegt haben?!"
Super crazy war gerade das Konzert von Bilderbuch in Wien vor Schloss Schönbrunn. Das war der totale Wahnsinn, weil es da sowas noch nie gab. Da sind eigentlich Klassikkonzerte, die krass von der Stadt gefördert werden. Aber wir mussten um jeden kleinen Furz kämpfen, dass es unfassbar anstrengend für alle Beteiligten war.
Kannst du überhaupt noch auf Konzerte gehen und die Show genießen oder musst du immer abchecken, was die anderen Stage- und Light-Designer so gemacht haben?
Die Magie, die man hat, wenn man auf Konzerte geht, passiert bei mir nur noch relativ selten. Da muss es halt schon richtig, richtig gut sein. Sobald irgendetwas nicht perfekt ist, denke ich mir sofort: 'Naja... schade.' Aber gar nicht schlimm, weil bei uns ja auch nicht alles perfekt ist. Aber natürlich ist es so, dass ich einmal aufs Dach und einmal auf den Boden schaue und sofort weiß, was passiert. Dass mich etwas überrascht, ist schwierig. Es gibt schon Konzerte, die mich abholen, aber dann muss es auch schon super gut sein.
Sendung: PULS am 10.07.2019 - ab 15.00 Uhr