How To Reach God online (fast) Über christliche Influencer und Worshiphopper

Jugend ohne Gott? Den Kirchen laufen die Mitglieder weg, gerade die jungen. Wir haben mit christlichen Rappern und Influencern gesprochen, die Jesus wieder cool machen wollen.

Von: Stefan Sommer

Stand: 16.07.2019 | Archiv

Kreuz auf der Bühne | Bild: BR

Um die Kanten des selbstgezimmerten Kreuzes aus Holz ist ein grüner LED-Lichtschlauch gewickelt. In der Mitte der Bühne steht das Neonkruzifix und blinkt. Darunter geben Maxi und Alex Vollgas. Die Brüder, die ihre Musik selbst als Worhshiphop beschreiben, sind schön wie Beautyinfluencer, performen wie Gzuz - und rappen über ihre Liebe zu Gott. Die O’Bros tragen Sneaker, Röhrenjeans, sagen oft "nice", "läuft", "Skrr Skrr" und "yo" - in ihrem Online-Merchandiseshop findet man Longsleeves, Jutebeutel und Crop-Tops.

Unten auf dem Laminatboden - man hat die Stühle bei Seite gestellt - flippen über 300 Kids aus. Sie können jede Zeile mitsingen. Der Stadtsaal in Mühldorf am Inn bebt. Songs wie "ChVrchies" und "Bekenntnis", die selbstbewusst von einem jungen, hippen, christlichen Lifestyle erzählen, wären hier das, was bei Yung Hurn Konzerten "Nein" oder "Bianco" sind - absolute Hits! Die O’Bros sind Anfang zwanzig und Popstars in dieser Welt - Bilder wie bei einem Dagi-Bee-Fantreffen in einem Mediamarkt.

"Das letzte, was wir machen, bevor wir auf die Bühne gehen - und das erste, was wir machen, wenn wir von der Bühne kommen, ist beten. Wir machen das, um unseren Fokus zu bewahren, uns zu konzentrieren. Um uns zu erinnern, dass wir das für und mit Gott machen - und nicht, um uns als Stars feiern zu lassen. Wir beten dafür, dass wir mit Gott die Herzen der Leute bewegen können."

O’Bros im PULS Interview  

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O´Bros - Chvrchies [Official HD-Video] (prod. by O'Bros) | Bild: O'Bros (via YouTube)

O´Bros - Chvrchies [Official HD-Video] (prod. by O'Bros)

Jesus statt Yeezy

Vor kurzem haben die gebürtigen Münchner den SPH-Bandcontest gewonnen, einen der größten Bandwettbewerbe Deutschlands. Ihre Videos werden bei YouTube hunderttausendfach geklickt und bei Instagram haben sie mittlerweile rund zwanzigtausend Follower. In Mühldorf am Inn eröffnen sie am Freitagabend das Treffen der Jugendorganisationen der katholischen Freikirche Regnum Christi - es gibt eine Organisation für Jungs und eine für Mädchen.

Maxi und Alex von O'Bros

Die O’Bros klingen nach Deutschrap 2019. Der Sound, die Instrumentals könnten so oder so ähnlich auch bei RIN, Capital Bra und der 187 Straßenbande auftauchen. Nebelmaschinen, Lichtshow, Double-Time-Parts: eigentlich alles wie bei Produktionen anderer Rapper. Trotzdem machen sie etwas radikal Anderes: Evangelium statt Ecstasy, Jesus statt Yeezy.

Backstage im Stadtsaal, hinter dem Vorhang im Rücken von Maxi und Alex lagern die liturgischen Utensilien, die beim Jugendgottesdienst, den Pastor Baranowski kurz vor Konzertbeginn auf der Bühne abgehalten hat, gebraucht wurden: Altartücher, Kelche, hohe silberne Kerzenständer, eine Marienstatue.

"Wir polarisieren. Das war uns von vornherein bewusst. Man wird sonst nicht christlicher Rapper. Außerdem ist Polarisieren ja auch gut, es ist ein gutes Zeichen. Jesus hat auch polarisiert. Die eine Hälfte der Menschen wollte ihn damals töten, die andere hat ihn für Gottes Sohn gehalten. Dass uns Leute in den Sozialen Netzwerken auch so krass wahrnehmen, finden wir gut. Es zeigt, dass wir von dem, was Jesus getan hat, gar nicht so weit weg sind."

O’Bros im PULS Interview

Influencer des Herrn  

O’Bros betonen, unabhängig zu arbeiten und nicht als Botschafter des Herren vom Papst oder einer anderen christlichen Institution entsandt zu sein – aber das geht auch anders. Die evangelische Kirche hat begonnen, mit einer Digitalstrategie auf den Mitgliederschwund des letzten Jahrzehnts zu reagieren. Im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vloggt die Youtuberin Jana Highholder über ihren Glauben, ihre Liebe zu Jesus Christus und wie junges Christentum heute aussehen kann.

"Als die evangelische Kirche nach Ideen gesucht hat, wie man mehr junge Leute im Internet erreichen kann, haben sich verschiedene Medienagenturen mit Konzepten bei der EKD beworben. Mediakraft hat mich bei Insta gefunden. Als Kind meiner Zeit nutze ich Social Media - da habe ich nie verleugnet, dass ich glaube. Damals hatte ich in meiner Profilbeschreibung noch 'Follower of Christ' stehen. Die Agentur hat mich angeschrieben und nach Köln eingeladen, um ein Probevideo zu machen. Sie haben die Ausschreibung der EKD mit mir als Protagonistin gewonnen. Anfang nächsten Jahres sollen weitere YouTube-Kanäle nachfolgen."

Jana Highholder im PULS - Interview

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Warum EVOLUTION und SCHÖPFUNG sich nicht widersprechen müssen  | WIR | #36 | JANA | Bild: Jana (via YouTube)

Warum EVOLUTION und SCHÖPFUNG sich nicht widersprechen müssen | WIR | #36 | JANA

Es geht dabei auch darum, wie sich religiöse Traditionen und Rituale im 21. Jahrhundert ändern müssen, um attraktiv zu bleiben. Da allein im Jahr 2018 rund 700.000 Menschen aus der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland ausgetreten sind, stellen sich diese Fragen sehr dringend. Mit Mediakraft, der Agentur die früher auch zum Beispiel Le Floid vertreten hat, hat die evangelische Kirche einen starken Partner gefunden.

"Die Frage ist ja, wie junge Menschen ihren Gottesbezug, ihre Religiosität in Zukunft leben können. Junge Menschen sind in den sozialen Medien - und Kirche muss eben auch da sein, wo alle anderen sind. Das ist eigentlich überhaupt nicht fortschrittlich. Das ist längst höchste Zeit. Gott ist uns da sowieso längst voraus. Unser Gott ist ein Gott, den es nicht überrascht, dass wir heute alle im Internet sind. Das Evangelium ist nicht an dicke Bücher und alte Gemäuer gebunden. Wir finden Gott in der Bibel - aber genauso bei Google, Instagram und Facebook."

Jana Highholder im PULS Interview

Christliche Influencer sammeln 2019 bei YouTube, Instagram und auf Twitter viele Follower. Neben Jana Highholder lassen auch LiMarie oder JuJu Ploch ihre Fans an ihrem Glauben teilhaben. Oft vertreten sie ein Weltbild, das traditionelle und konservative Vorstellungen aufgreift. Jana Highholder sorgte für einen Skandal, als sie in einem ihrer Videos erklärte, dass sie sich gerne einem Mann unterstellen würde, der sie nach biblischer Aufforderung so liebe wie Christus die Gemeinde.

"Ich störe mich daran, wie wir behaupten so tolerant und vielfältig zu sein, aber Konservatismus aus diesem Toleranzgebot rausfällt. Die liberale Front hat den absoluten Wahrheitsanspruch, der Vorwurf 'Jana ist konservativ' wird ja nie neutral formuliert. (…) Ich halte es für sehr wichtig, dass in einer Welt, in der Pluralismus großgeschrieben wird, auch Glaube, Religion und Kirche in den sozialen Medien vorkommen. Wenn wir da alles finden, warum nicht das?"

Jana Highholder im PULS Interview

#Jesus

Im Stadtsaal in Mühldorf am Inn geht das Konzert zu Ende. Es ist 22 Uhr. Die Jungs der Gruppe "Get Strong" und die Mädchen der Organisation "Looking Good" fotografieren und filmen die Zugabe mit ihren Smartphones. Jede Bewegung der O’Bros ist hier ein Ereignis. Jede Textzeile der Jungs einen Post wert. Auch ein junger Pater, schwarz gekleidet in Collarhemd, läuft mit seinem Smartphone in den Händen durch die Reihen und filmt. Er wird das Video später auf seinem Instagram-Channel mit den Hashtags #jesus #jugend #kirche #obros #gemeinschaft posten.

"Glaube ist nichts, was man in eine bestimmte Form, eine Liturgie oder einen Gottesdienst packen soll. Glaube ist ein Lifestyle, den jeder für sich ausleben kann. Wir sind Musiker, wir lieben Bühnen und Musik und leben unseren Glauben eben so. Bei unseren Konzerten sind alle willkommen. Alle! Für uns ist ganz klar: Jesus hat vorgelebt, dass für ihn alle gleich sind. Er hat einen Lifestyle gelebt, der für alle offen war. Und so ist es für uns auch."

O’Bros im PULS Interview

Sendung: PULS am 17.07.2019 - ab 15.00 Uhr