Corona und die Clubkultur Wie Konzertveranstalter*innen um ihre Existenz kämpfen
Ausgangsbeschränkung und Veranstaltungsverbote – die Corona-Maßnahmen gefährden die Existenz vieler Clubs und Konzertveranstalter. Betreiber aus München und Nürnberg erzählen, wie es ihnen grad ergeht und was sie sich erhoffen.
"Stell dir mal ein Stück Butter vor, das du in die Sonne legst. Und dann schau, wie schnell das wegschmilzt." So beschreibt der Münchner Club-Betreiber David Süß in diesen Tagen den Blick auf sein Konto. Seit Jahren betreibt er in München den Techno-Club Harry Klein. Die Corona-Krise hat den Lieblingsclub vieler Münchner*innen mit einem Schlag in den Existenzkampf versetzt. "Von jetzt auf gleich stehen wir völlig ohne Geld da", erzählt David Süß. Wie lange seine Rücklagen noch reichen, weiß er nicht.
Für Clubs wie das Harry Klein bedeutet Corona im Moment vor allem eines: Ungewissheit. Schließlich weiß niemand, wie lange die Geschäfte noch geschlossen bleiben müssen. Und bei den derzeit geltenden Verhaltensnormen wie sozialer Distanz und Zuhause-bleiben könne auch bei Lockerungen des Kontaktverbots niemand wissen, "ob die Leute danach noch Lust haben, in einen Techno-Club zu gehen", sagt Süß.
Sofortkredite und Spenden
Gerade versucht das Harry Klein ein Teil des Netzwerks "United we Stream" zu werden. Ein Projekt, das von der Stadt Berlin ins Leben gerufen wurde, um Clubs finanziell unter die Arme zu greifen und Menschen auch daheim mit Musik zu beglücken. "United we Stream" überträgt DJ-Sessions als Livestreams und hat ein Spendenkonto für die Clubs geschaffen. So wird ein Pool gebildet, der an die beteiligten Läden zu gleichen Teilen ausgeschüttet wird. Eine kleine Hilfe, aber bei weitem nicht genug.
Die zweite Möglichkeit: der Soforthilfe-Topf der Regierung. Finanzielle Unterstützung zwischen 5.000 und 30.000 Euro für Clubs, die kurz vor der Pleite stehen. Ob und wie Clubs und Kulturschaffende diese Soforthilfen erhalten, sei allerdings im Moment noch ungewiss, erzählt auch Frank Bergmeyer. "Wir haben erstmal alle Anträge gestellt und jetzt muss man sehen, was dabei rauskommt." Frank Bergmeyer hat die Veranstaltungsagentur Propeller Music gegründet, betreibt außerdem den Club STROM in München. Unklar sei, ob die Soforthilfe an alle ausgeschüttet wird – oder nur an Kulturschaffende am finanziellen Abgrund, sagt er. Wenn der Shutdown allerdings noch länger dauert, muss auch Bergmeyer das STROM irgendwann ganz zusperren und Insolvenz anmelden. Im Moment hofft er darauf, dass sein Club die Unterstützung vom Staat bekommt.
Normalerweise organisiert Frank Bergmeyer mit Propeller Music Livekonzerte: Club-Gigs, größere Konzerte, manchmal sogar Events im Olympiastadion. "Im März und April sind immer besonders viele Veranstaltungen", sagt Bergmeyer. 44 Konzerte seien Propeller Music wegen Corona in diesen zwei Monaten verloren gegangen. Und selbst wenn die Ausgangsbeschränkungen im Sommer wieder aufgehoben werden – wenn es warm ist, finden deutlich weniger Konzerte statt.
Lösung Kurzarbeit?
"Wir hoffen, dass wir irgendwie über den Sommer hinweg, bis in den Herbst hinein kommen", sagt Bergmeyer. So geht es derzeit vielen Kulturbetrieben. Um diese Kraftanstrengung zu schaffen, müssen auch die Mitarbeiter*innen zurückstecken. Bereits jetzt laufen unzählige Anträge auf Kurzarbeitergeld, um Kündigungen erst einmal zu vermeiden. So auch in der Nürnberger Konzertstätte Z-Bau. "So viele Menschen arbeiten im Veranstaltungsbereich, die man nicht sieht", sagt Sprecherin Felicitas Lutz. "Freie Technikerinnen, Getränkelieferanten, Veranstaltungsmagazine, Booker." Auch für diese Menschen geht es jetzt ums Überleben. Im Z-Bau hätten allerdings viele Angestellte von sich aus Kurzarbeitergeld beantragt und viele, die nur geringfügig im Club arbeiten, verzichten wegen der Krise im Moment auf ihr Einkommen. Und im Notfall können die im Zuge des neuen Infektionsschutzgesetzes auch Verdienstausfall beantragen. Allerdings weiß auch hier noch niemand genau, wie und wann da Geld fließen würde.
Im Vergleich zu anderen Konzert-Locations geht es dem Z-Bau in Nürnberg verhältnismäßig gut. Als größerer Veranstaltungsort gäbe es noch einige finanzielle Rücklagen, auch Mietkosten müsse der Z-Bau nicht zahlen, sagt Felicitas Lutz. Trotzdem stapeln sich auch in Nürnberg gerade die Anträge. "Wir wissen alle nicht, wie man so etwas macht. Wir sind keine Experten", sagt Felicitas Lutz. Die Regierung hätte zwar versprochen, allen unter die Arme zu greifen. Aber ob, wie und wann das auch für den Z-Bau gilt, geht für Felicitas Lutz aus den Maßnahmen und Hilfspaketen bis jetzt noch nicht hervor.
Wie können wir die Clubs retten?
Immerhin gibt es trotz der schwierigen Gesamtsituation auch Lichtblicke. Felicitas Lutz erzählt zum Beispiel, dass viele Nürnberger*innen dem Z-Bau bereits Mails geschickt und Spenden angeboten hätten. "Die lehnen wir Stand jetzt noch ab", sagt sie. Noch reichen die Rücklagen. Worüber sie sich aber freuen würde: Wenn Menschen das Geld für die verfallenen oder verschobenen Konzerttickets nicht zurückverlangen würden. "Solche kleinen Gesten sind auf jeden Fall schon toll", meint sie. "Man kann auch, wenn der Ort wieder offen hat, ein größeres Trinkgeld springen lassen oder die Pfandmarke nicht zurückgeben."
Solidarität könne aber nicht nur von den Konzertbesucher*innen kommen, sondern auch von den Vermietenden, findet David Süß vom Club Harry Klein. Schließlich müsse er ja trotzdem jeden Monat Miete zahlen. "Wenn welche vermieten und gar keine finanziellen Sorgen haben, ist das dann gerecht, dass wir jeden Monat die volle Miete zahlen?" Im Moment bestünde zwar noch Kündigungsschutz, sagt David Süß, aber "gerade, wenn wir jetzt Unterstützung nur in Form von Krediten bekommen, wird es völlig unmöglich, das jemals wieder einzuspielen". Eine Ungewissheit, die viele umtreibt. Denn es ist nicht klar, wie lange der Corona-Ausnahmezustand noch bestehen bleibt. David Süß sagt: "Auch wenn dann die Rezession kommt, wird es natürlich welche geben, die darunter leiden." Kulturschaffende wie er hoffen deshalb, dass den Menschen klar wird, "wie wichtig Kultur, wie wichtig Clubs, wie wichtig die freie Szene ist".
Sendung: PULS am 26.03.2020 – ab 15.00 Uhr