Falk Schacht über Blumentopf Real Rap bis zum Schluss
"Niemals wird es wieder so werden wie es war": Blumentopf sind seit Oktober 2016 Geschichte. Einen letzten Abschiedsgruß gibt es mit der großen PULS-Doku über die Band – und von PULS-Autor Falk Schacht.
Was ist denn bitte "Da Blumentopf"? Es war 1996, als ich im kleinen Hinterhof-Plattenladen meines Vertrauens ein Album von dieser Combo fand. Was für ein unfassbar seltsamer Name, dachte ich mir. Und mit diesem Gedanken war ich für die nächsten 20 Jahre nicht alleine: Führte der Name doch zu der beliebten Frage, die man der Band stellen konnte, ja eigentlich musste – und die sie selbst in einer Textzeile verewigten: "Blumentopf, wie kamt ihr auf den Namen?"
Die Sache mit dem Namen
Natürlich fiel mir das extrem coole Logo der Band auf. Eine Schallplatte als Blüte einer Topfpflanze. Es erinnerte mich in seiner etwas amateurhaften handgezeichneten Machart an Artworks von De La Soul, A Tribe Called Quest und The Pharcyde. Im Song "Abhängen" stieß ich dann auf die Erklärung für den Bandnamen. Ein extrem langsam dahin schleichender Beat wird untermalt von Blubber-Geräuschen. Im Text beschreiben sie, wie dringend die Band chillen muss und welche motorischen Ausfallerscheinungen sie dabei haben. Die Jungs können irgendwie nicht mehr gerade gehen und letztendlich gipfelt alles in folgender Textzeile: "(...) und jetzt nimmt der Specht die Bong und fragt, na Schu geht noch ein kleiner Topf? (...)". Verstehe, eine Bong ist ja tatsächlich so was Ähnliches wie ein Blumentopf.
Dummerweise habe ich die Platte damals nicht gekauft – heute ist diese erste, von den Jungs selbstgepresste Platte, bis zu 170 Euro wert. Es war ein Jahr später, als mir das nächste Werk von Blumentopf begegnete, das Album "Kein Zufall". Um die Vorsilbe "Da" geschrumpft, war Blumentopf jetzt bei Four Music unter Vertrag, dem Label der Fantastischen Vier. Damals eine mutige Entscheidung von Blumentopf, denn die HipHop-"Real-Keeper"-Fans der Szene vertrauten dem gerade mal ein Jahr altem Label der Fanta 4 nicht wirklich. Die Furcht, es mit einem Sell-Out-Label zu tun zu haben, das Rap-Musik aus wirtschaftlichen Gründen ausbeuten will, war groß. Blumentopf trugen am stärksten dazu bei, die Furcht der Szene vor dem Fanta-4-Label abzuwerfen: Der Topf entsprach damals dem Prototyp des kiffenden, Hacky-Sack spielenden, mit dem Wochenendticket zu HipHop-Jams fahrenden Rucksackträgers, der in jede Cypher stept mit der Einstiegszeile "Ich weiß ganz genau...".
Hassobjekt des Berliner HipHop
Blumentopf waren Handelsreisende in Sachen HipHop und damit Fackelträger der 90er-Backpacker. Es dauerte ein paar Jahre, bis ein anderer Fackelträger und Vertreter einer aggressiveren Variante von Rap auftauchte und seinen Hass auf Blumentopf nicht verbergen konnte. Kool Savas erklärte mir 1999 in einem Interview, dass er mit seinen Freunden von M.O.R. das Snippet von Blumentopfs "Großes Album" gehört hat und sie dann alle so aggressiv wurden, dass sie die CD aus dem Fenster des Autos werfen mussten. Diese Geschichte erzählte mir Savas nicht ruhig, sondern aggressiv-schreiend. Blumentopf waren das Hassobjekt der Berliner Rapper und wurden verächtlich als "Studentenrapper" abgetan.
In dieser Zeit habe ich Blumentopf immer mal wieder getroffen. Neben vielen Gesprächen über Rap und HipHop konnte man sich auch über Astrophysik, Politik und das Wesen der Liebe unterhalten. Vergangenes Jahr hatte ich das Vergnügen Roger & Schus Track "TaktTaktTakt" für den Soundtrack der HipHop Doku "Wenn der Vorhang fällt" zu remixen. Das moderne Original durfte ich in einen 80s-Song verwandeln - mit Drum-Machine-Ästhetik, Elektro-Anleihen und starkem Echo auf den Raps, was eine Reminiszenz an die 70er-Jahre-Blockpartys in der Bronx ist. Etwas, das die Jungs sofort verstanden und gefeiert haben.
Selbst Savas dürfte Respekt empfinden
Da die Jungs so viel Ahnung von HipHop haben und obendrein unfassbar talentiert sind, konnte auch nichts und niemand ihren Aufstieg verhindern: Aus der WG-2000 heraus, einem Haus, das alle Band-Mitglieder bewohnten, infiltrierten sie die Charts mit realem Rap, und fuhren eine der besten Live-Shows im HipHop als Party Safari durchs Land; bis hin zur Zusammenfassung diverser Fußball-Meisterschaften für rund 20 Millionen Fernsehzuschauer. Dabei sind Blumentopf in ihren 24 Jahren immer den Beats und Cuts, den Samples und Reimen treu geblieben. Real Rap bis zum Schluss. Selbst Savas dürfte demgegenüber heute Respekt empfinden.
Sendung: Filter, 30.03.2017 ab 15 Uhr