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Homophobie im Country Wird Country endlich tolerant?

Klischee: Country ist ein homophobes Genre. Tatsächlich hat es keine offen homosexuellen Stars. Aber es tut sich was. 40 Jahre nachdem das erste "schwule Countryalbum" rauskam, wird sein Sänger Patrick Haggerty gefeiert. Endlich.

Von: Katja Engelhardt

Stand: 15.04.2016 | Archiv

Das Original-Cover des Lavender Country-Albums | Bild: Paradise of Bachelors

Eigentlich müsste Patrick Haggerty ein Country-Superstar sein. Eigentlich. Stattdessen hat sich jahrelang niemand für das Album seiner Band Lavender Country – also lilafarbener Country – interessiert: Auf dem Cover ist das Wort "lavender" verschnörkelt, das Wort "Country" sieht aus wie aus Brettern zusammengezimmert – dazwischen zwei Cowboyhüte, beide mit regenbogenfarbenen Bändern. Heutzutage ist das Albumcover auffällig – 1973 war es aber sogar richtig mutig. Es gilt als das erste offen homosexuelle Countryalbum, mit Titeln wie "Cryin' These Cocksucking Tears".

"Zu der Zeit war gar kein Genre bereit, sich auf schwule Musik einzulassen"

Entstanden ist es in der Gay Community – finanziert von Spendengeldern. Die Idee: einfach offen über Homosexualität singen und zwar da wo es niemand erwarten würde: auf einem Countryalbum eben. Für Sänger und Frontmann Patrick Haggerty gab es nie eine Alternative:

"Zu der Zeit war gar kein Genre bereit, sich auf schwule Musik einzulassen. Vor allem nicht bei unseren sehr eindeutigen Texten. Ich wollte Country machen, weil ich damit aufgewachsen bin – auf einer Farm mit zehn Geschwistern. Country war die einzige Musik, von der ich wusste, wie man die überhaupt macht."

- Patrick Haggerty

Klingt eigentlich ganz harmlos. Aber in den 70ern war ein Coming Out noch eine sehr große Sache. Patrick hat studiert – durfte aber als Homosexueller mehrere Jahre nicht in dem Beruf arbeiten. Aber: Nicht nur die Band war mutig, auch das Umfeld. Eine Journalistin hat für ein Countrymagazin über Haggerty geschrieben und wurde prompt gefeuert.

"Lass es mich mal deutlich sagen. Wer sie da gefeuert hat, das war kein Heterosexueller. Das war ein heimlicher Schwuler! Ein Schwuler, der in Nashville ganz oben war. Der hat Angst bekommen und ist quasi Amok gelaufen. Ich wurde so oft hinterrücks erdolcht, mein Rücken sieht aus wie eine Fleischpastete."

- Patrick Haggerty

Das Problem ist trotz allem der Country selbst

Patrick Haggerty hat vor 40 Jahren das erste "schwule Countryalbum" veröffentlicht.

Das Problem liegt auch im Genre selbst. Die Strukturen von Country sind konservativ. Der Tastemaker ist hier immer noch das Radio. Nicht das Internet und nicht die Streaming-Plattform. Die sind im Country immer noch ziemlich wurscht, erklärt Christian Schmidt von der Uni Bayreuth und zitiert einen der wichtigsten Männer der Country-Industrie, Gary Overton:

"If you‘re not in country radio, you don’t exist. Keith Hill dagegen hat gesagt: wenn du erfolgreich Radio machen willst, dann lass die Frauen raus. Er hat das als Salat bezeichnet. Salat besteht hauptsächlich aus Salatblättern, das sind die Männer und als Garnierung braucht man ein paar Tomaten. Und diese paar wenigen Tomaten sind die Frauen. Und interessanterweise sind es eben grade die paar wenigen Ausnahmen, die sich gegen Homophobie ausgesprochen haben, das kam eigentlich fast ausschließlich von Frauen."

- Christian Schmid, Uni Bayreuth

Also: Wenn im Country alle unter sich bleiben und neue Gesichter kaum Aufmerksamkeit bekommen, dann wird’s auch nix mit der inhaltlichen Vielfalt. Wer soll dann für neue Anstöße sorgen? Eben. Aber warum tritt Patrick Haggerty dann bei einem der größten und wichtigsten Festivals, dem SXSW auf? Woher kommt der späte Aufschwung für Lavender Country?

"Das liegt nicht daran, dass ich so ein großartiger Musiker bin – weil das bin ich nicht. Ich bin auch kein toller Sänger. Aber das Album ist authentisch. Musik heutzutage ist Glitzer und Hightech und all das – die ganze Musikindustrie ist so, besonders Country.."

- Patrick Haggerty

Durch sein Coming Out wurde das Leben von Patrick Haggerty sehr kompliziert. Deshalb bringt er dem Country etwas zurück, was viele der aktuellen großen Stars nicht mehr bieten: Ein echtes Schicksal, ein bisschen Tragik. Ironisch, dass Country dieses Geschenk nicht annehmen wollte – weil das Geschenk von einem Homosexuellen kommt.


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