Hurra, die Welt geht unter! Warum die Gewalt bei K.I.Z. unbedingt sein muss
Auf dem Album "Hurra die Welt geht unter" werden K.I.Z. derb. Sehr derb. Auch wenn sie wohl lieber Benzin trinken würden, als sich vom Bayerischen Rundfunk verteidigen zu lassen: Wir sagen euch in fünf Punkten, warum das Brutale genau so sein muss.
K.I.Z. provozieren wieder einmal. Das neue Album "Hurra die Welt geht unter" ist noch typisch witzig K.I.Z., aber die Berliner Rapper gehen einen gewaltigen Schnürstiefelschritt nach vorn: Ein Kleinkind will seine Eltern umbringen, eine Jugendliche wird im Club bis zur Bewusstlosigkeit missbraucht und, oh, beinahe die Single "Boom Boom Boom" vergessen, in der es zu Eurotrash heißt: "Ich bring euch alle um". Selbstverständlich wurde vorab fleißig diskutiert, ob das denn sein darf. Wir finden: Das muss sogar! Fünf Thesen, warum K.I.Z. alles richtig machen.
1. Weil Deichkind niemand zuhört
Deichkind warnen uns mit soziokulturellem Blick schon länger vor der eigenen Ausbeutung und dem Irrsinn von Schreibtisch-Sklaverei vs. Freizeit-Zwangshedonismus. Dazu wird dann aber doch noch auf After-Work-Partys mitgegröhlt - und schon ist die Message im Aperol-Spritz ersoffen. Das geht bei K.I.Z. zum Glück nicht mehr, dafür sind die Schocker einfach zu krass. In ihren Songs lassen die vier einen unterwürfigen Büroangestellten in seiner Freizeit grausamste Quälereien veranstalten - in der Arbeit wird aber natürlich noch schnell der Bericht für den Chef fertig gemacht - wenn es sein muss, bis spät in die Nacht.
2. Ihr schaut doch auch Horrorfilme
Seit wann ist Musik nur zur Berieselung da? Ach so, ja, schon immer. Aber Musik kann mehr als Fahrstuhlfahrten überbrücken. Wenn ihr ins Kino geht, wählt ihr auch zwischen Kate Hudson, Arnold Schwarzenegger und Anthony Hopkins. Jetzt sind K.I.Z. halt eher Hannibal Lecter als Mr. Right und entsprechend geht es wie in einem waschechten Horrorfilm cineastisch drastisch zu.
3. Es hat literarische Tradition
Dass Menschen tiefe Abgründe haben, wurde literarisch auch schon beleuchtet. Romane wie "American Psycho" aus den 1990ern oder "Last Exit To Brooklyn" aus den 1960ern spiegelten auch gesellschaftliche Gewalt wider, wurden beim Erscheinen von Kritikern verachtet und von der Masse geächtet - aber Jahre später analysiert, interpretiert und auf den kulturellen Olymp gehievt. Vielleicht blüht das ja bald auch K.I.Z.? Es könnte helfen, sich die Berliner als Mitglieder der Gruppierung "Angry Young Men" vorzustellen - die haben das literarische Großbritannien in den 1950ern umgekrempelt, mit heftigen Romanen und Theaterstücken.
4. Weltuntergangsstimmung ist hip
Es wird kühl, was Zwischenmenschliches angeht. Der Mainstream hat schon länger entdeckt, dass ein bisschen Weltuntergangsstimmung ganz gut kommt. Das ständige Verneinen von Sinn hat die Serie "True Detective" groß gemacht, und sogar Jay Z läuft im Trailer zu seiner "On The Run"-Tour mit Gattin Beyoncé in einer Jacke rum, auf der "In The Dust Of Our World" steht. Gut, dass das ein nihilistisches philosophisches Buch ist, hat er vielleicht nicht geahnt. Aber es zeigt: Pessimismus ist groß, mindestens aus ästhetischer Sicht. Ein Trend geht um. Und allein schon der K.I.Z.-Albumtitel "Hurra die Welt geht unter" reiht sich da perfekt ein.
5. Und für die Kunstbanausen: Künstlerische Freiheit
Wenn alles nix hilft: Heeeeey, ist doch nur Kunst! Die Idee von einer grenzenlosen Erlaubnis zur Darstellung jeglicher Inhalte eines Künstlers schleppen K.I.Z. ohnehin schon ewig als Schutzschild mit sich herum. Ja, "Hurra die Welt geht unter" ist heftig. Allerdings waren K.I.Z.-Alben schon immer mit einer Grundhaltung von Aggressivität ausgestattet. Aber eben mit dem typischen K.I.Z.-Humor verbunden, der auch als jungspundiger Leichtsinn hätte abgetan werden können, plus catchy Hooks. Jetzt ist es halt eher Galgenhumor. Plus catchy Hooks.