Neues Album "Keine Nacht für Niemand" Fünf Gründe, warum Kraftklub die Botschafter einer ganzen Generation sind

Für Kraftklub sind ihre Texte "die Bibel einer ganzen Generation“. Steile These der fünf Jungs aus Chemnitz. Sind Kraftklub tatsächlich die Botschafter der "Generation Y“? Eine Analyse ihres neuen Albums "Keine Nacht für Niemand“.

Von: Julian Hutter

Stand: 02.06.2017 | Archiv

Kraftklub 2017 | Bild: Philipp Gladsome

Ich bin 22 Jahre alt und gehöre also zur "Generation Y" . Jene Generation, die sich von den älteren Generationen viel anhören muss. Nicht selten kommt der Vorwurf: Jeder von uns würde nach dem Abi erst mal nach Australien gehen, um sich selbst zu finden. Nun ja, faktisch ist das nicht ganz richtig. Manche reisen auch die Westküste Amerikas ab.

Die älteren Generationen reden selbstverständlich auch leicht: Sie hatten immer Rockstars (Kurt Cobain), Charakterköpfe (2Pac) und Sexsymbole (David Hasselhoff), an denen sie sich orientieren konnten. Wir dagegen haben Cyberspace-Influencer wie Bibi und Sami Slimani.

"Unsere Texte sind die Bibel einer ganzen Generation"

Gut, dass die Band Kraftklub jetzt ihr drittes Album "Keine Nacht für Niemand" auf den Markt gebracht hat. Die Jungs aus Karl-Marx-Stadt sind der Beweis dafür, dass die "Generation Y" mehr kann als nur Schminktipps geben: "Unsere Texte sind die Bibel einer ganzen Generation" heißt es gleich im ersten Song des Albums ("Band mit K"). Hier sind fünf Songs und fünf Gründe vom neuen Album, die untermauern, dass Kraftklub die Botschafter meiner Generation sind:

Sklave

"Ich bin teamfähig, ich bin flexibel. Ich melde mich zum Dienst und lecke deine Stiefel. (...) Ich sage ja, ich meine nein. Lass mich dein Sklave sein."

Sklave, Kraftklub

Die Leidenshymne für die "Generation Praktikum". Nach dem Studium und mindestens zwölf Praktika später bemühen wir uns, einen Job zu bekommen. Mit 23 Jahren haben wir zwar den Master in der Tasche, aber noch nicht die erwünschten elf Jahre Berufserfahrung im Lebenslauf stehen. Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als auf Knien um ein neues unbezahltes Praktikum zu betteln. Danke, Kraftklub, für einen Song, der unseren langen Weg vom ambitionierten Abiturienten zum Kaffeekapsel-Spezialisten beschreibt.

Dein Lied

"Wir beide hatten nie ein Lied. Einen Song, der uns verbindet. Jetzt haben wir diesen hier. Ich bin gespannt, wie du ihn findest. Du verdammte Hure, das ist dein Lied."

Dein Lied, Kraftklub

Lieber Jan Böhmermann, da hast du es. Ein Liebeslied mit Augenzwinkern, das von dem singenden Künstler tatsächlich selbst geschrieben wurde. Schon jetzt stelle ich mir die irgendwie auch irritierende Situation bei Rock am Ring vor, wenn 30.000 Menschen gleichzeitig „DU VERDAMMTE HURREEEEE“ singen. Gibt es eine effektivere Medizin gegen Liebeskummer, als mit so vielen Menschen gleichzeitig über die verfluchte Verflossene zu singen? Ich glaube nicht, denn im Moshpit hat es 44 Grad.

Liebe zu Dritt

"Überall nur gottverdammte Kneipen ohne Rauch und Sahne ohne Fett. Bier ohne Alkohol und digitaler Sex."

Liebe zu Dritt, Kraftklub

Eine Liebeserklärung an den veganen Bio-Hipster unserer Generation, der sich so langsam aber sicher in den letzten Winkel Deutschlands hineingentrifiziert hat. Kraftklub finden die Worte, die man nie parat hat, wenn der Typ mit dem fair gehandelten Shirt und dem neuesten iPhone in der Hand dich wieder mal im Club zutextet.

Fenster

"Eins ist klar: So kann das nicht weitergeh‘n mit dem Land. Vertraue nicht dem Staat – nimm es selber in die Hand! Aber so was darf man ja heute nicht mehr sagen, wegen all der Gutmenschen, die die Wahrheit nicht vertragen."

Fenster, Kraftklub

Zuerst war unsere Generation als politikverdrossen verschrien. Dann kam der Sommer 2015 und man musste sich auf einmal politisch positionieren. Bei den Textzeilen aus dem Song „Fenster“ kann man sich gut bedienen, wenn man mal wieder mit einem Bürger diskutieren muss, der am Montagabend in Dresden auf den Straßen spazieren geht. Oder anders ausgedrückt: Endlich eine Hymne für unsere linksgrün versiffte Gutmenschen-Generation. Herrlich.

PS: Wer ist denn dieser Farin Urlaub, der den letzten Refrain singt? Mal Papa fragen!

Leben ruinieren

"Du bist so viel besser als ich, deine Freunde haben Recht damit, ich bin schlecht für dich. Die kennen solche Typen wie mich. Erst deep in love und dann betrügen sie dich."

Leben ruinieren, Kraftklub

Dass wir uns nicht falsch verstehen: Dieser Song, diese Textstelle steht repräsentativ für Kraftklub, ihre Musik und ihr Album. Sie sind ironisch/selbstironisch. Das ist jene Attitüde, die uns Deutschen quasi per Gesetz verboten ist. Kraftklub schaffen es mit spielerischer Leichtigkeit zu springen – von Textzeilen mit gesellschaftskritischer Message hin zu Ironie und Selbstironie. Diese Generation könnte also die erste sein, die Ironie per Bürgerentscheid durch den Bundestag und dann in die Gesellschaft bekommt. Dank Kraftklub (und vielleicht auch ein bisschen dank Jan Böhmermann).

P.S.: Ach ja - noch kurz zur Musik: Dieses Mal klingt die wirklich ganz anders als auf den vorherigen Alben. Auf "Keine Nacht für Niemand" hört man Indie-basierte Beats mit Sprechgesang. Im Ernst: Kraftklub klingen noch immer nach Kraftklub. Gottseidank!

Sendung: Filter, 02.06.2017 - ab 15 Uhr