Lektüreschlüssel: POP Scooters "Hyper Hyper" als zeitgenössische Gedichtinterpretation

Ist Scooters Jahrhundertwerk "Hyper Hyper" wichtiger als die Beatles oder doch nur gleich wichtig? Und was bedeutet "Hyper Hyper" überhaupt? Unsere neue Rubrik für Lyrik-Luden "Lektüreschlüssel: POP" nimmt sich der Sache an!

Von: Stefan Sommer, Niklas Fazler

Stand: 22.05.2017 | Archiv

Hyper Scooter | Bild: BR

Weltweit lassen Ausrufe wie "Do you like it hardcore? We need the hardcore!" Sprachwissenschaftler ratlos zurück. Wir haben es nun gewagt, den Techno-Klassiker "Hyper Hyper" von Scooter einer Deutsch-Abi-Gedichtsanalyse zu unterziehen: Sind die scheinbar zusammenhangslosen Textzeilen des Songs von 1994 schlicht drogeninduzierte Baller-Poetik? Oder doch ein meisterlich mit Referenzen an Klassiker der Hochkultur jonglierender Stream Of Conciousness? Wir kämpfen uns mit Wörterbuch, Platon-Büste und Rotstift durch die scooter'sche Poesie - um den lyrischen Zauberwürfel "Hyper Hyper" zu knacken!

Die Anrufung der Rave-Götter

Ein erster Hinweis auf die literarische Finesse des Werkes findet sich im zentralen Abschnitt des Textes: Wie der tragische Held auf gefährlicher Reise in einem griechischen Epos, bittet auch das lyrische Ich in "Hyper Hyper“ die Götter um ihren Segen. Dieses antike Stilmittel der Invokation - der Anrufung der Götter - nutzt das lyrische Ich um den Verbündeten und den ehrwürdigen Ahnen zu salutieren:

"We want to sing a big shout to U.S., and to all ravers in the world!
And to Westbam, Marusha, Stevie Mason (...)
... and to all DJs all over the world!"

Scooter, Hyper Hyper

"Hört mein Wort, ihr Götter umher und ihr Göttinnen alle,
Hört mein Wort, ihr Troer, ihr Dardaner und ihr Genossen!"

8. Gesang, Ilias, Homer

Das Mantra des Schweißes

Das Stilmittel der Apostrophe, der direkten Ansprache, ist ein wiederkehrendes Motiv des Poems. Das dringliche Mantra "I want to see you sweat" ist nichts anderes als der gierige, nach purer Existenz dürstende Wunsch nach dem Hier und Jetzt. Ein kateogorisches: Ich schwitze, also bin ich.

"I want to see you sweat
I said... I want to see you sweat!

Yeaah."

Scooter, Hyper Hyper

Purer Existenzialismus

Der Schweiß als Beweis der eigenen Existenz und als Symbol dafür, am Leben zu sein. Die Befehle des lyrischen Ichs an ein direkt angesprochenes Gegenüber sind dabei oft verbunden mit rhetorischen Fragen wie "I'll have to ask you again do you like it hardcore? Do you like it hardcore?"
Damit soll das imaginierte Du aus seiner passiven Rolle errettet und in den Dialog eingebunden werden. Um die Gemeinschaft, eine Bewegung der Schwitzenden heraufzubeschwören, wechselt die Ansprache dann auch immer wieder in ein gemeinsames "Wir". Wir, die Schwitzenden - wir, die Lebendigen! Hallelujah!

Die Bassdrum des Krieges

An anderer Stelle bedient sich der Text der dreiköpfigen Formation, die wie keine andere für das feine Sprachgefühl des deutschen Dance in den 90ern stand, des barocken Trommel-Motivs:

"Excuse me! Where is the bass drum?
We need the bass drum!
Come on!"

Scooter, Hyper Hyper

"Hört wie die Trommel schlägt!
Seht wie das Volk sich regt!
Die Fahne voran!"

Hoffmann von Fallersleben

Schon Dichter wie Hoffmann von Fallersleben benutzten im frühen 19. Jahrhundert den Klang der Trommel als Aufbruchssignal für den Kampf. Ein genialer Winkelzug, ja ein lyrischer Kniff allererster Güteklasse, übersetzt die anpeitschende Symbolik aus der Soldaten-Dichtung in ein modernes, zeitgenössisches Gewand und beschwört im kumpelhaften "Wir" weiter eine Gemeinschaft herauf.

Army Of Hardcore

Jede Bewegung, jedes Movement braucht nun seinen Kampfschrei, einen Schlachtruf, der die Jünger einschwört. Das vom lyrischen Ich wütend an das schwitzende Du gerichtete "Hyper Hyper" ist der Befehl, alles zu geben, alles aufzugeben und im Aus- und Einatmen der Gruppe eins zu werden. Es ist der fleischgewordene Imperativ: Opfere-Dich-Für-Das-Hier-Und-Jetzt! Lebe! Carpe Diem!

"Hyper! Hyper!
Hyper! Hyper!"

Scooter, Hyper Hyper

Sendung: Filter, 13.05.2017 - ab 15 Uhr