Kein Verkauf von Vinyl-Platten mehr Warner Music boykottiert kleine Plattenläden
Die gute alte Schallplatte war eigentlich schon tot. Vor kurzem kam dann das große Vinyl-Revival. Aber bald könnte schon wieder alles anders sein. Schuld ist die amerikanische Plattenindustrie.
Die Vertriebsabteilung der Warner Music Group glaubt, sie hatte eine wahnsinnig tolle Idee: Vor ein paar Tagen hat sie ohne Vorankündigung die Bestellkonten all der Vinyl-Einzelhändler in den USA geschlossen, deren jährliche Geschäfte mit dem Label unter 10.000 US-Dollar lagen. Konkret heißt das: Alle kleinen Plattenläden, die im Vorjahr nicht für umgerechnet mindestens 9.000 Euro bei Warner eingekauft haben, dürfen ab sofort nicht mehr direkt beim Warner-Vertrieb Platten bestellen.
Die kleinen Läden können ihre Platten jetzt nur noch über Zwischenhändler bestellen. Und das macht weitere Probleme: Die Zwischenhändler sind zum einen viel teurer und sie bieten einen ganz entscheidenden Service nicht, sagt Christos Davidopoulos, Besitzer des Münchener Plattenladens 'Optimal Records':
"Großhändler gewähren kein Retourenrecht, das sehr oft wichtig sein kann, wenn eine Platte, die ich zehn Mal bestellt habe, nicht funktioniert. Da bin froh, wenn ich neun Exemplare zurück schicken darf."
Christos Davidopoulos, Plattenhändler aus München
Beim direkten Vertrieb über die Plattenfirmen darf der Plattenhändler nicht verkaufte Exemplare direkt zurückschicken. Ein Blick in die Zukunft lässt deswegen vermuten, dass kleine Plattenläden nicht mehr auf Risiko einkaufen werden, sondern sich am Geschmack der Masse orientieren. Dabei sind Plattenläden eigentlich die Entdeckungsort für neue, unbekannte Musik. Christos vom 'Optimal'-Plattenladen sieht das ähnlich:
"Die kleinen Plattenläden sind diejenigen, die sich um ein Programm bemühen. Das ist ja auch wichtig für die Vertriebe, die wollten ja auch ständig Backktaloge verkaufen."
Christos Davidopoulos, Plattenhändler aus München
Backkataloge sind "alte" Platten, die nicht mehr beworben werden, zum Beispiel Sachen von den Beatles oder den Rolling Stones aus den 70ern. Mit denen haben die Labels viel Geld gemacht. Durch die neue Regelung werden diese bald vermutlich in den Vertriebslagern verstauben.
Bislang ist unbekannt, ob sich die Änderung auch auf den deutschen Markt bezieht. Warner Music Germany wollte dazu auf PULS Anfrage bisher nichts sagen, weil sie bis dahin gar nichts von der neuen Vertriebspolitik gehört haben. Außerdem ist nicht klar ist, ob es sich um einen unternehmensweiten Beschluss handelt oder nur die USA von der neuen Regelung betroffen sind. Christos Davidopoulos konnte für seinen Laden bisher ohne Probleme bei Warner bestellen - es scheint also, als sei Deutschland erstmal nicht betroffen.
In Sicherheit können sich deutsche Plattenläden aber dennoch nicht wiegen. Sie sind trotzdem vom Aussterben bedroht. Laut Christos sind die Vertriebsabteilungen der Major Labels aber gar nicht daran Schuld:
"In München speziell sind zum Beispiel die hohen Mietkosten ein Problem. Lass es mal in München zwei Monate lang jeden Tag 30 Grad sein - Klar ist es toll an der Isar zu liegen, aber dann kommst du im September in deinen Lieblingsladen und der ist nicht mehr da."
Christos Davidopoulos, Plattenhändler
Auch wenn Christos Davidopoulos es lustig verpackt, ist die Sache bitterer Ernst: Kleine Plattenläden haben es schon schwer genug. Jetzt werden ihnen durch den neuen Warner-Beschluss nur noch mehr Steine in den Weg gelegt.