"Fachstelle nächtliches Feiern" in München Warum es in München dringend Zeit für eine*n Nachtbeauftragte*n wird
In New York, London und Amsterdam gibt es sie schon, die Vermittler zwischen Politik, Clubs und Anwohnern. In München soll es auch bald so eine Stelle geben. Endlich. Denn das Nachtleben der Stadt steht vor großen Problemen.
Heute leben 1,45 Millionen Menschen in München – 2040, so die Prognosen, könnten es schon mehr als zwei Millionen sein. Wenn alle ein Dach über dem Kopf haben sollen, muss die Stadt sich verändern. Denn Wohnraum und freie Flächen in der Innenstadt sind jetzt schon Mangelware. München könnte sich also noch weiter zur Schürfgrube finanzstarker Investoren entwickeln, die an dieser Knappheit verdienen wollen.
Damit im großen Verteilungskampf um Grund und Boden auch Pop-, Sub und Clubkultur im München der Zukunft einen Platz finden, könnte es bald eine Anlaufstelle für diese Belange geben: Die Stadt möchte eine "Fachstelle nächtliches Feiern" einrichten, an deren Spitze der oder die Nachtbeauftragte der Stadt München steht. Vorgesehen ist, dass er oder sie an die Stabsstelle "Allparteiliches Konfliktmanagement in München" (Akim) angeschlossen wird, die wiederum angesiedelt ist beim Amt für Wohnen und Migration im Sozialreferat. Die angedachte Stelle ist das Ergebnis eines Diskussionsprozesses, der seit 2017 im Gange ist. Der Stadtrat hatte im Sozialreferat damals den Auftrag erteilt, eine gesamtstädtische Strategie für das nächtliche Feiern in der Stadt zu erarbeiten. Anders als ein*e "Nachtbürgermeister*in" soll der oder die "Nachtbeauftrage" in München aber im Verbund mit einem fachkundigen Team installiert werden und eigene Mitarbeiter haben.
Wohnungsnot vs Feierkultur
Aufgabe wird dabei sein, verschiedene Positionen und Pole zueinander zu führen und zu vermitteln, sagt Brigitte Gans, die Leiterin des AKIM:
"Auf der einen Seite ist natürlich das Nachtleben in München unter Druck, weil die Immobilienpreise hoch sind, die Stadt absolute Wohnungsnot hat und jetzt auch viel Wohnbebauung an Orte wie Clubs heranrückt. Auf der anderen Seite wünschen sich die Anwohnenden mehr Rücksichtnahme und dass ihre Lebensqualität nicht so beeinträchtigt wird. Das muss man zusammenbringen."
Brigitte Gans im PULS Interview
Dass so eine Stelle seinen Sinn und Zweck hat, zeigt die "ROTE LISTE der bedrohten Clubs" von LiveKomm. Der Bundesverband der Musikspielstätten in Deutschland repräsentiert 530 Musiclubs und Festivals in über 100 Städten und Gemeinden und führt darüber Buch, welche Venues momentan vor dem Aus stehen. Aktueller Stand: 23 in Deutschland, vier allein in Bayern. Die Gründe dafür sind vielfälig: Probleme mit Anwohnern, finanzielles Missmanagement, Gentrifizierung.
Das MMA in München stand noch bis Ende April auf der Liste, mittlerweile ist es geschlossen. Der Club war eines der wenigen Aushängeschilder in München, das auch über die Grenzen der Stadt bekannt war und dafür gesorgt hat, dass auch die internationale Presse wieder über das Nachtleben von München geschrieben hat. Aber der Pachtvertrag war eben nur auf fünf Jahre angelegt, auf der Fläche des alten Heizkraftwerks werden jetzt dringend benötigte Wohnungen für Stadtangestellte gebaut. Und auch der Pachtvertrag für die Zwischennutzung des Bahnwärter Thiel, dem zweiten großen Club der das Münchner Nachtleben wieder auf die Karte gebracht hat, endet 2022.
"Es drängt so viel Kapital in die Stadt rein. Da werden Flächen aufgekauft, um Spekulationsgewinne zu erzielen. Da kann sich ein Nachtleben nicht halten", weiß David Süß. Er ist Betreiber des Clubs Harry Klein und der Vorsitzende des Verbands der Münchner Kulturveranstalter. Für ihn müssen Fragen der Stadtentwicklung, wie und wo Subkultur stattfinden wird, heute geregelt werden: "Solche Preise können wir nicht bezahlen. Man muss überlegen, wo kann es in der Zukunft überhaupt Nachtleben in der Stadt geben. Das muss man jetzt angehen."
Einige Metropolen haben bereits Nachtoffizielle
München ist mit diesem Problem in der Welt nicht allein. Die Metropolen wachsen, der Platz wird knapp. Zahlreiche Städte haben deswegen bereits "Nachtoffizielle" etabliert: In London gibt es einen "Night Czar", in Paris den "Conseil de la Nuit" und in New York einen "Senior Executive Director of the Office of Nightlife".
In Deutschland ist Hendrik Meier der erste Nachtbürgermeister. Er kümmert sich in Mannheim um den Austausch zwischen Clubs, Politik und Anwohnern. Um zwischen allen Parteien vermitteln zu können, braucht es Feingefühl:
"Ich versuche natürlich, wenn ich in der Verwaltung bin, wie ein Verwaltungsmitarbeiter zu arbeiten. Wenn ich mit Politikern rede, versuche ich den Politiker rauszuhängen, wenn ich mit Clubs und Veranstaltern spreche, spreche ich mit denen wie ein Clubbetreiber und mit Feiernden wie der 27-Jährige, der ich eben bin."
Hendrik Meier im PULS Interview
Seine Aufgabe sieht er aber auch darin, die Stadtentwicklung voranzutreiben und für Pop- und Nachtkultur Räume in der Zukunft zu schaffen:
"Mein Job ist es, den Part als Vermittler der Nachtkultur darzustellen. Aber auch darauf zu achten, was darauf Einfluss hat. Zum Beispiel haben wir Angsträume in jeder Stadt, die man tagsüber und nachts nicht begehen möchte. Gegenden, in die man nicht so richtig rein will, die können wir mit Kultur bespielen. Mit Konzerten, Film-Screenings. Damit sorgen wir dafür, dass der Raum seine negative Konnotation verliert. Das hat auch direkten Einfluss auf die Nachtkultur."
Hendrik Meier im PULS Interview
Kein leichter Job in München
In München gibt es zwar nur wenige Gegenden, in die man sich nicht rein traut – dafür viele Neubaugebiete, in denen tote Hose herrscht. Und mindestens nochmal so viele Ecken, in denen sich die Anwohner wünschen, dass tote Hose herrschen würde. In den letzten Jahren mussten mehrere Bars in belebten Gegenden schließen, weil sich die Anwohner dauerhaft über den Lärm beschwert haben. Gerade hier muss vermittelt werden – und vielleicht auch nachgeholfen. In Berlin gibt es jährlich einen Schallschutzfond in Höhe von einer Million Euro. So etwas wäre für eine reiche Stadt wie München auch denkbar – und könnte gut bei der Fachstelle nächtliches Feiern angesiedelt werden.
Aber das ist alles Spekulation. Der oder die Nachtbeauftragte für München ist – noch – keine beschlossene Sache. Erst nach der Sommerpause soll dem Stadtrat ein Beschluss zur Einrichtung eines solchen Amts vorgelegt werden, wie Brigitte Gans von AKIM PULS erklärte. Über Kompetenzen, Befugnisse und finanzielle Mittel werde erst dann beraten. Hoffentlich darf er mehr sein als ein Vermittler zwischen Tag und Nacht – und aktiv mitgestalten, wie München 2040 aussehen wird.
Sendung: PULS am 27.05.2019 - ab 15.00 Uhr